Materialien 1997

Hausdurchsuchung nach Straßentheater

Polizeischikane am Tag der Menschenrechte
Presse-Erklärung 11.12.97

Am 10. Dezember, dem offiziellen Tag der Menschenrechte, spielte die Theatergruppe „Theatro Progressivo“ am Pariser Platz ein Straßentheater zum Thema „Freiheit für alle politischen Gefangenen weltweit“. In dem Theaterstück sollte der Zusammenhang zwischen Ausbeutung der Menschen in der sog. Dritten Welt durch diktatorische Regime und Großkonzerne, und Folter und Gefängnis für die, die sich dagegen wehren, bildlich aufgezeigt werden. In einem Flugblatt, das an Passantinnen verteilt wurde, wurde an den Beispielen USA, Peru, Türkei und BRD die Problematik der politischen Gefangenen in Ländern der „ersten“ und der „dritten“ Welt aufgezeigt. Von Anfang an war unverhältnismäßig hohe Polizeipräsenz vor Ort, ein Großteil der Beamten gehörte zum Münchner Staatsschutz. Kurz nach Beginn der Versammlung wurden sämtliche Flugblätter von der Polizei beschlagnahmt, unter der Begründung, die Person, die als Verantwortlich im Sinne des Presserechts angegeben war, existiere nicht. Nach dem Ende der Versammlung wurde dem Anmelder der Kundgebung – Hans-Georg E. – mitgeteilt, die Polizei gehe davon aus, er habe die Flugblätter selbst angefertigt und sei damit für das fingierte Impressum verantwortlich. Diese Behauptung stützten sie darauf, er sei als Anmelder der Initiator der Versammlung und er habe sich um die Verteilung der Flugblätter gekümmert, eine Begründung, die ganz offensichtlich an den Haaren herbei gezogen erscheint. Bei einem derartigen Verstoß gegen das Pressegesetz handelt es sich um keine Straftat, sondern nur um eine Ordnungswidrigkeit. Dennoch für die Beamten vom Staatsschutz Vorwand genug für eine Hausdurchsuchung. Zunächst wollten sie die bisherige Wohnung des „Delinquenten“ durchsuchen, wo er gar nicht mehr gemeldet ist, was sie mit einem Funkspruch problemlos hätten überprüfen können. Statt dessen drangen sie ohne Durchsuchungsbefehl in die Räume der jetzigen BewohnerInnen ein. Dies ist eine ganz klar rechtswidrige Vorgehensweise. Danach durchsuchten sie noch die tatsächliche Wohnung des „Delinquenten“, wobei sie auch vom Durchlesen privater Briefe nicht zurückschreckten. Die Durchsuchung verlief ergebnislos. Wir halten auch diese Durchsuchung für völlig unverhältnismäßig und damit rechtswidrig und werden dagegen rechtliche Schritte ergreifen. Bereits im Vorfeld versuchte die Polizei und das Kreisverwaltungsreferat, das Stattfinden der Versammlung am Tag der Menschenrechte zu verhindern. Dem Anmelder wurde einen Tag zuvor mitgeteilt, er würde als Versammlungsleiter nicht akzeptiert, da er mehrere Verfahren wegen versammlungsrechtlicher Angelegenheiten am laufen habe. Dies stellte bereits eine massive Einschränkung des Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit dar. Derjenige, der schließlich ersatzweise als Versammlungsleiter einsprang, hätte nach dem Willen der Polizei mit der gleichen Begründung abgelehnt werden sollen. Nur durch Intervention einer Anwältin beim Kreisverwaltungsreferat konnte der vorgesehene Ablauf der Versammlung gewährleistet werden.

Das beschriebene Vorgehen von Polizei und KVR ist ein weiteres Glied in einer Kette von repressiven Maßnahmen in der jüngsten Zeit gegen die politische Betätigung gesellschaftskritischer Menschen. So kam es vor kurzem bereits bei einem antifaschistischen Straßentheater zu einer Festnahme und in der Folgezeit zu mehreren Hausdurchsuchungen bei antifaschistischen Personen. Am 8. November glich die Münchner Innenstadt einem Heerlager der Polizei, es sollte mit aller Gewalt das Zusammenkommen von AntifaschistInnen verhindert werden, die gegen den ursprünglich geplanten Aufmarsch der rechtsextremen JN/NPD demonstrieren wollten. Es kann nicht angehen dass ein solches Vorgehen in München Normalität bleibt und dass damit das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit immer mehr eingeschränkt wird.

Ein Vertreter von Theatro Progressivo


Münchner Lokalberichte 26 vom 18. Dezember 1997, 4.