Materialien 1997

Großkino an der Donnersberger Brücke

Mit welchem Jubel hatten doch Architekten und Stadtplaner das Hochhaus an der Donnersberger Brücke als städtebaulichen Höhepunkt und architektonisches Meisterwerk gefeiert. Dass es auch eine Wohnbevölkerung gibt, die mit so einem Monstrum leben muss, interessiert solche Feingei-
ster ja nicht. Stadtbaurätin Thalgott schwärmte von hochwertigen Arbeitsplätzen, ja sie bekannte sich dazu (was immer das heißen mag). In den rund 3 Jahren seither wurde der Jubel immer stil-
ler. Die Nachfrage nach Büroräumen nahm ab. Die Gewerbemieten stagnieren, sie gehen sogar zurück – da gelten städtebauliche Höhepunkte und feinsinniges Geschwafel nicht mehr viel.

Es wäre Heuchelei, wenn wir darüber Trauer vortäuschen würden. Doch es folgt selten etwas bes-
seres nach. Die anfänglich von der Stadt bestrittene Planung für ein Großkino (wir berichteten) nimmt nun feste Formen an. Zwar soll nun etwas bescheidener gebaut werden, aber dafür soll ein Kino mit 1.900 Plätzen entstehen. Die Verkehrsbelastung, vor allem durch den Parksuchverkehr und das wilde Parken in den umliegenden Straßen, kann sich sicher jedermensch vorstellen. Oder glaubt jemand daran, dass alle Kinobesucher mit dem MVV kommen werden?

Die hochwertigen Arbeitsplätze – wo mögen sie sein? Aber die Stadtbaurätin hat sich noch nie um ihr dummes Geschwätz von gestern gekümmert.

Wie kann ein solches Vorhaben mit dem Verkehrsberuhigungskonzept für das Westend vereinbart werden? Gar nicht, meine ich.

Das ehemalige Wohnhaus Landsbergerstraße 114 wurde vorsorglich schon mal abgerissen. Es lag ein Antrag auf Aufnahme in die Denkmalschutzliste vor. Das hätte die Kapitalverwertung stören können.

Wie bei der Messenachnutzung gilt auch hier: Wenn sich Geld z.B. durch Gewerbesteuer reinholen lässt, liegt die Stadtverwaltung vor jedem kapitalkräftigen Investor flach auf dem Bauch, vergisst alle Zusagen für eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung und pfeift auf ihr eigenes Geschwätz über Stadtplanung, Verkehrsberuhigung usw.

Vorschlag: Sollen die Stadträte sich doch künftig nur noch von den Investoren wählen lassen.

Peter Eberlen


Westend Nachrichten. Stadtteilzeitung für das Westend und die Schwanthalerhöh’ 46 vom Dezember 1997, 5.

Überraschung

Jahr: 1997
Bereich: Stadtviertel

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