Materialien 1997
Rede eines Mitgliedes der Schülerinneninitiative München ( SIM)
auf der Demonstration „.Protest auf alle Bereiche ausweiten“ vom 17. Dezember 1997
Liebe Studentinnen, liebe Studenten,
zuerst einmal will ich Euch als Vertreter der SchülerInneninitiative begrüßen und Euch unsere Solidarität bekunden. Mit diesem Redebeitrag wollen wir SchülerInnen einen ersten Schritt auf Euch zugehen, um Euch in Eurem Streik zu unterstützen und in der Hoffnung, dass wir es schaffen, Gemeinsamkeiten zu finden, die eine Basis für die Entwicklung notwendiger, gemeinsamer Zukunftsperspektiven sein könnten. Als wir von Eurem Streik und den bundesweiten Demonstrationen gehört haben, haben wir uns sehr gefreut und beschlossen, dem Beispiel der SchülerInnen in anderen Bundesländern zu folgen, die sich Eurer Protestbewegung spontan mit verschiedenen Aktionen angeschlossen haben. Wir werden fürs erste versuchen, an den Schulen auf Eure Situation aufmerksam zu machen. Vielleicht wird dann die Zahl der SchülerInnen steigen, die sich aktiv an Eurem Protest beteiligen wollen, zumal die Kürzungen im Hochschulbereich künftige Studierende genauso oder noch härter treffen. Bei uns an den Schulen wird ja schon seit Jahren kräftig eingespart, in besonderem Ausmaß seitdem das bayerische Kultusministerium die Kienbaum Unternehmungsberatung GmbH beauftragt hat, unsere Schulen auf ihre Wirtschaftlichkeit zu untersuchen und ein entsprechendes Gutachten vorliegt. Natürlich können wir mehr erreichen, wenn wir uns zusammentun statt jeweils isoliert zu agieren. Aber dieser Aspekt der gemeinsamen Interessen ist nicht der einzige Grund für unser Bestreben, Kontakte zu knüpfen. Nicht nur die StudentInnen und SchülerInnen sind in letzter Zeit zu Opfern einer dramatischen Kürzungspolitik geworden. Viel stärker als uns trifft der Sozialabbau diejenigen, die ohnehin schon am Rande des Existenzminimums leben. Für eine alleinerziehende arbeitslose Mutter zum Beispiel nehmen die Konsequenzen ganz andere Dimensionen an als für einen doch relativ privilegierten Studenten. Es darf nicht das einzige Ziel dieser Bewegung sein, unsere Privilegien zu verteidigen, ohne uns für die Situation der Anderen zu interessieren. Für die Situation der ArbeiterInnen, die in zunehmend ungesicherten Arbeitsverhältnissen immer weniger Lohn bekommen. Für die Situation kranker Menschen, deren ärztliche Versorgung immer dürftiger ausfällt. Für die Situation der Arbeitslosen, die immer lauter als Sozialschmarotzer beschimpft werden und deren offizielle Zahl schon vier Millionen übersteigt. Schließlich für die Situation der Flüchtlinge in Deutschland, die als Sündenböcke für verschiedenste Mißstände herhalten müssen. Unsere Zusammenarbeit und Solidarität ist nichts wert, wenn es sich dabei nur um eine Symbiose zwischen Studierenden und zukünftigen Studierenden handelt. Unser Ziel muss es sein, eine breite Bewegung aller vom Sozialabbau Betroffenen ins Leben zu rufen, den Kampf gemeinsam zu führen.
Westend Nachrichten. Stadtteilzeitung für das Westend und die Schwanthalerhöh’ 47 vom Januar 1998, 13.