Materialien 2000

Der Löwenbräu schmeckt ihm gerade gar nicht

Ein „Jubilar“ macht von sich reden

Eben noch hatte die Presse der bayerischen Landeshauptstadt ausgiebig den 75. Geburtstag unseres Kameraden Martin Löwenberg am 12. Mai gewürdigt – schon musste sie sich wieder mit ihm befassen. „Löwenberg contra Löwenbräu“ hieß es bei einer Veranstaltung des Münchner Bündnisses gegen Rassismus zur Zwangsarbeiter-Entschädigung am 5. Juli, die sinnvollerweise im örtlichen „Löwenbräukeller“ stattfand. Martin Löwenberg hatte vorher einen Offenen Brief an den Vorstandsvorsitzenden der Großbrauerei geschrieben.

„Der Anlass“ (für den Brief) „ist“, so der ehemalige Zwangsarbeiter Löwenberg, Mitglied des Landesvorstands der VVN/BdA, „dass die Löwenbräu/Franziskaner-Spaten AG zu den Münchner Unternehmen gehört, die während der NS-Herrschaft Zwangsarbeiter/innen ausgebeutet haben, sich aber bis zum heutigen Tag nicht an dem Entschädigungsfonds beteiligt hat. Schockierend für mich ist es, wie Sie (in einem Interview) die Opfer öffentlich verhöhnen. ‚Wer berechtigte Ansprüche hat’ sagten Sie, ‚hätte sich ja melden können’.

55 Jahre lang hat Ihr Konzern nichts getan, um Entschädigung zu leisten und heute sagen Sie, ‚Betroffene’ werde man ‚kaum noch finden’ und es gehe doch nur um ‚Entschädigung von irgendwelchen Erben’.

Am 5. Juli wird im Löwenbräukeller am Stiglmairplatz eine Veranstaltung zur umstrittenen Entschädigung der Zwangsarbeiter/innen stattfinden, zu der ich als Referent eingeladen wurde. Dort wird natürlich auch der Einsatz von Zwangsarbeiter/innen bei Münchner Unternehmen – also auch bei Löwenbräu – zur Sprache kommen. Ich ersuche Sie dringend, bis dahin in ihrem Konzern eine Entscheidung herbeizuführen, sich mit einer angemessenen Summe am Stiftungsfonds zu beteiligen.“

Die Löwenberg-Löwenbräu-lnitiative fand Widerhall auch im Münchner Stadtrat, wo inzwischen von der rot-grünen Ratsmehrheit kommunale Konsequenzen gegen Unternehmen, die sich weigern, der Entschädigungs- Stiftung beizutreten, erwogen werden. Das Boulevard-Blatt „Abendzeitung“ brachte dies – auf das nächste Oktoberfest bezogen – mit einer Schlagzeile auf der Seite 1 auf den Punkt: „Wegen NS-Zwangsarbeitern: Fliegt Löwenbräu von der Wiesn?“

Die von über 100 Interessierten besuchte Podiumsveranstaltung im „Löwenbräukeller“ beschränkte sich dann nicht nur auf das Brauereiwesen. Martin Löwenberg und der Opfer-Anwalt Michael Witti nahmen allgemein die Verbrechen der Wirtschaft in der NS-Zeit ins Visier und nannten dafür zahlreiche Beispiele.

Unterschiedlich zufrieden äußerten sie sich zu dem ausgehandelten Entschädigungs-Kompromiss, betonten aber, es gelte jetzt, so schnell wie möglich den Betroffenen Auszahlungen zukommen zu lassen und den Druck auf die Unternehmen zu verstärken.

Zum 75. hat Martin Löwenberg von der Stadt München die kommunale Ehrenmedaille „München leuchtet“ überreicht bekommen – mit ausdrücklichem Hinweis auf seine öffentliche Zivilcourage.

Wie man sieht: er bleibt dran – und wir wollen ihm nach Kräften dabei helfen.

Ernst Antoni


antifa-rundschau. Hg. vom Bundesausschuss der VVN/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten 43 vom Juli 2000, darin: Beilage antifa-nachrichten, 4.