Materialien 2002

... vorwärts und nicht vergessen ...

30 Jahre Basis Buchhandlung in München

„Wir haben immer alle 42 blauen Bänder der Marx-Engels-Werke auf Lager und das `Kapital´ gehört bei uns zu den meistverkauften Bücher.“ So etwas können heute wohl nur noch wenige Buchhandlungen von sich behaupten. Die BASIS Buchhandlung in München, die jetzt ihren 30.Geburtstag feiert, gehört dazu.

Die Wurzeln dieser Münchner Institution, die im Oktober 1972 als „autonomer Buchladen für kritische Sozialwissenschaften und linke Basisprojekte“ gegründet wurde, liegen in der Studentenbewegung Ende der 60er Jahre. Germanistikstudent Axel Rühle-Winkler saß damals im Programmbeirat des Münchner Trikont-Verlages, der unter anderem die Schriften von Che Guevara, Fidel Castro und den vietnamesischen Revolutionsführern verlegte. „Da der bürgerliche Buchhandel sich weigerte, Bücher aus linken Verlagen wie Rotbuch oder Trikont überhaupt zu verkaufen und die DKP-nahen Libresso-Buchhandlungen nur solche Bücher ins Programm nahmen, die der Parteilinie entsprachen, mussten wir uns eigene Vertriebswege überlegen.“

Ein erster Schritt war die Gründung der Sozialistischen Verlagsauslieferung (SoVa) durch mehrere linke Kleinverlage, nachdem auch die Großhandelsmonopolisten KNÖ und Libri sich weigerten, gesellschaftskritische Literatur auszuliefern. Anfangs belieferte die SoVa vor allem Infotische von Aktivisten der Neuen Linken an den Universitäten. Nachdem in anderen bayerischen Universitätsstädten bereits linke Buchhandlungen gegründet wurden, ergriffen in München Axel Rühle-Winkler und die Theaterschneiderin Steffi Black die Initiative. Da von den linken Organisationen keine bereit war, mit zu machen und den Kleinverlagen das Geld fehlte, diente eine Erbschaft Rühle-Winklers als Stammkapital für das Ladengeschäft in der Adalbertstraße 43 im Universitätsviertel. Gelernte Buchhändler gab es keine im BASIS-Kollektiv. Die Devise war „learning by doing“.

„Das BASIS Kollektiv wird bemüht sein, ein umfassendes Angebot relevanter Literatur zusammenzustellen, wobei neben dem normalen linken Sortiment besonders Gewicht auf die fortschrittlichen Publikationen bürgerlicher Verlage, schwerpunktmäßig in Soziologie, Politökonomie und Pädagogik gelegt werden soll. Perspektivisch soll die BASIS Buchhandlung einer umfassendere politische Funktion übernehmen (Propaganda und Kommunikation), die über die bloße Bereitstellung von wichtiger Literatur hinausgeht.“ Dieser anlässlich der Gründung der BASIS am 10. Oktober 1972 formulierte Anspruch gilt heute noch, auch wenn inzwischen statt dem Kollektiv eine GmbH mit vier gleichberechtigten Eigentümern Trägerin der Buchhandlung ist.

Vor allem Raubdrucke etwa von Horkheimer, Adorno und Wilhelm Reich sowie selbst verlegte Politschriften, Broschüren, Dokumentationen und Zeitschriften der radikalen Linken gingen anfangs über die Ladentheke. Gerade in den ersten zehn Jahren nach Gründung der BASIS gab es im Kollektiv heftige Auseinandersetzungen, welche Bücher und Zeitschriften ausliegen dürften. Anhänger der KPD/ML, Sympathisanten der Stadtguerillagruppen RAF und 2. Juli, Individualanarchisten und Betriebsaktivisten gerieten regelmäßig über Fragen wie „bewaffneter Kampf“ oder „Parteiaufbau“ aneinander.

„Wir lassen uns nicht zensieren – weder durch den Staat noch durch einzelne Linke“, so Axel Rühle-Winkler. In den 70er Jahren setzte er schon mal eigenhändig einen maoistischen „Parteiaufbauer“ vor die Tür, als ihn dieser zum wiederholten Mal einen „profitsüchtigen Kleinbürger“ schimpfte und forderte, die Schriften einer konkurrierenden Gruppe aus dem Regal zu nehmen.

Heute haben sich die Wogen weitgehend geglättet. „Alles, was gesellschaftskritisch ist und diskutiert wird, sollten wir auch im Angebot haben“, beschreibt Rühle-Winkler die Auswahl der Titel. Dabei entstände natürlich die Gefahr der Beliebigkeit. Heftige Diskussionen habe es in letzter Zeit gegeben, ob das antideutsche Zentralorgan Bahamas weiterhin zum Verkauf ausliegen sollte. Schließlich hatte die Zeitschrift wiederholt den Krieg gegen Afghanistan gerechtfertigt. Noch steckt die Bahamas im Zeitschriftenständer – neben trotzkistischen Blättern, die zur Solidarität mit der palästinensischen Intifada aufrufen.

Vor allem in den 70er und 80er Jahren war die Polizei regelmäßiger Gast in der BASIS. So schleppte die Polizei alle vorhandenen Exemplare von Bommi Baumanns „Wie alles anfing“ zur Geschichte der Stadtguerilla 2. Juli weg – ein Titel, der heute völlig unbeanstandet im Regal der BASIS steht. Während so einer Razzia, die sich einen ganzen Tag hinziehen konnte, standen dann vor dem Laden alle paar Meter bewaffnete Polizisten zur Einschüchterung der Kundschaft. Eine Zeitlang wurde sogar jeder, der die BASIS betrat, von der anderen Straßenseite aus photographiert. Und noch heute sammeln Staatsschützer im Zivil manchmal Flugblätter ein, die in der BASIS ausliegen.

Mit einem Fachantiquariat für Wissenschaftsliteratur im Laden nebenan hat sich die BASIS seit dem Abflauen der linken Bewegung ein zusätzliches ökonomisches Standbein geschaffen. Doch gerade die „wilde Mischung“ aus Agitationsschriften, Büchern von linken Kleinverlagen, normalem Sortiment sowie modernem und klassischen Antiquariat mit einem Schwerpunkt auf Socialistica und Schriftgut der Neuen Linken macht den Charakter der BASIS aus, so Mitarbeiterin Ingrid Scherf. „Die Buchhandlung ist ein Drehpunkt für die kleine linke Szene in München und das Profil des Ladens ist unser Kapital.“ So löst sich der Widerspruch zwischen dem Anspruch der BASIS, Teil der linken Bewegung zu sein und gleichzeitig als wirtschaftliches Unternehmen funktionieren zu müssen, wenigstens partiell auf.

Dass die BASIS ihren Wurzeln in der außerparlamentarischen Opposition treu geblieben ist, zeigt sich neben regelmäßigen Lesungen mit bekannten und unbekannten Linken Autoren auch daran, dass die Buchhandlung häufig zu den Aufrufern linker Demonstrationen gehört. So auch, wenn am 12. Oktober ein Aufmarsch der NPD in München gestoppt werden soll.

Ihren 30. Geburtstag feiert die BASIS vom 27. bis zum 29. September mit einem dreitätigen Festprogramm mit Feier, Lesungen und Photoausstellung.

Nick Brauns
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Jubiläumsprogramm 30 Jahre Basis

Freitag, 27.September
20 Uhr Party im Feierwerk mit der Band Plzen-Feuerwehr aus Hamburg, danach legen DJ Reinhard (u.a. Northern Soul) und Gäste auf. Eintritt 5 Euro; Feierwerk Hansastrasse 39

Samstag, 28. September Seidlvilla Nikolaiplatz 1b
18 Uhr Sektempfang und Eröffnung der Fotoausstellung „Aus 30 Jahren Basis“
18.30 Uhr SAID Lyriker und ehemaliger PEN-Präsident hält eine Rede auf die Basis Kultur
19.30 Uhr Faltsch Wagoni präsentieren ihr Programm „Deutsch ist DADA“ – ein vergnüglicher Schlinger-Exkurs zu den Klippen und Untiefen einer rätselhaften Sprache. Eintritt 10 Euro

Sonntag, 29. September Seidlvilla Nikolaiplatz 1b (U 6 Giselastrasse)
14 Uhr Literatursalonauftakt mit Antje Kunstmann Verlegerin aus München: wie alles anfing
15 Uhr Die Blumenbar
von der Lesung zur eigenen ersten AutorIn – ein Kleinverlag stellt sich vor
16 Uhr Kaffeepause
17 Uhr Grace Yoon mit ihrer Koreagraphie
18 Uhr Thomas Meinecke Schriftsteller, DJ, und Mitgründer der Band FSK liest für die Basis
19.30 Uhr Blu Shuhuru mit Hands&Fingers live das sind Roman Bunka, Hannes Schmidt und Georg Janka. Eintritt 10 Euro ; Vorverkauf in der Basis Buchhandlung, Abendkasse ab 19 Uhr

ab 30. September
Jubiläumsfilmprogramm im Werkstattkino, Fraunhoferstrasse 9, Tel. 089-260 72 50, u.a. mit dem Film „Eine Sache, die sich versteht“ – ein Episodenfilm über das „Kapital“ von Hartmut Bitomsky & Harun Farocki


www.nikolaus-brauns.de/30_Jahre_BASIS_Buchhandlung.htm.