Materialien 2003

Rentenklau

Vor 58 Jahren lag Deutschland nach dem von den Nazis angezettelten und von den Menschen vieler Länder verlorenen Krieg in Trümmern. Hunger und Wohnungsnot bestimmten den Alltag, Jetzt ist dieses Land eines der reichsten der Erde. Das „Wirtschaftswunder“ war aber kein Wunder. Millionen Menschen haben durch ihre Arbeit bewirkt, dass Wohnungen und Fabriken gebaut und gewaltige Mengen an Waren aller Art produziert werden – so viel, dass gar nicht alles abgesetzt werden kann.

Die Frauen und Männer, die das erarbeitet haben, sind heute in Rente. Reichtümer haben die wenigsten von ihnen erworben. Durch Arbeit wird man nicht reich, man macht andere reich.

Doch wenigstens einen gesicherten Lebensabend sollen die Menschen haben – so wurde von allen Parteien versprochen. Schon in den letzten Jahren waren die jährlichen Rentenerhöhungen aber unter der Teuerungsrate. Sie wurden also praktisch gesenkt. Nächstes Jahr wird es keine Rentenerhöhung geben, dafür werden die Beiträge für die Pflegeversicherung voll von der Rente abgezogen. Die Hälfte, die bis zu diesem Jahr die Rentenversicherung übernahm, wird „eingespart“, d.h. auf die Rentnerinnen und Rentner abgewälzt. Zum ersten mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland werden die Renten offen gekürzt.

Liegt es am Altersaufbau in der Gesellschaft?

Angeblich ist das nötig, weil immer mehr Leute Rente beziehen und immer weniger im arbeitsfähigen Alter sind. Daran ist nur soviel richtig, daß die Einnahmen der Rentenversicherung sinken, weil der Anteil der Löhne am gesamten Bruttoinlandsprodukt sinkt. Weil immer mehr rationalisiert wurde und wird, brauchen die Unternehmer immer weniger Arbeitskräfte. Lohnminderung und hohe Arbeitslosigkeit sind die Folge. Wer arbeitslos ist, kann keine Beiträge zur Rentenversicherung bezahlen. Wer Niedriglöhne bezieht, kann nur wenig einzahlen. Das trieb die Rentenversicherung ins Defizit. Den Rationalisierungsgewinn streichen diejenigen ein, deren Fabriken, Mietshäuser – kurz gesagt – deren Kapital diejenigen erarbeitet haben, die heute von ihrer Rente leben müssen. Die Zahl der Millionäre nimmt zu. Die Konzerne werden reicher und mächtiger.

Es wäre richtig und möglich, die Rationalisierungsgewinne der Unternehmer zu den Kosten der Rentenzahlungen heranzuziehen. Schließlich tragen diese durch Entlassungen und Frühverrentung zu dem Einnahmeschwund der Rentenversicherung bei.

Dass in den letzten Jahrzehnten weniger Kinder aufgezogen wurden, hat mit dem Defizit der Rentenkassen nichts zu tun; auch wenn uns Politiker und bürgerliche Zeitungen das vorlügen. Wenn nicht genug Arbeitsplätze da sind, wenn schon 40 bis 50-jährige zum „alten Eisen“ erklärt und von den Unternehmern in die Arbeitslosigkeit bzw. in die Frührente gedrängt werden, was würden dann mehr jüngere Menschen bedeuten? Mehr Arbeitslose und sonst gar nichts.

Renten sinken – Lebenshaltungskosten steigen

Durch die „Gesundheitsreform“ und die „Steuerreform“ werden die Rentnerinnen und Rentner noch zusätzlich belastet (siehe Statistik). Hersteller von Medikamenten und medizinischen Geräten verdienen dagegen prächtig an den Kranken und damit auch an den Rentnern.

Auch die Stadtwerke München sind nicht faul, wenn es gilt, auch den Rentnern in die Tasche zu greifen. Ab 1. Januar 2004 steigen die Strompreise – vor allem der Grundpreis, an dem man ja nicht sparen kann. Ab 1. April 2004 steigen die MVV-Preise. Auch die Senioren-Monatsmarke wird um 1 Euro teurer. Die Mieten steigen sowieso. Immer mehr Sozialwohnungen fallen aus der Preisbindung heraus. Das sind nur einige wenige Beispiele. Sie, liebe Leserinnen und Leser, werden sicher noch mehr kennen und erleben.

Was uns SPD- wie CSU-Politiker mit viel Propaganda als unabweisbaren Zwang zum Sparen verkaufen wollen, das ist in Wirklichkeit eine Umverteilung zugunsten der Reichen und daher Mächtigen in diesem Land und zu Lasten der Armen und damit auch der Rentner.

Werden die Kürzungen im nächsten Jahr die letzten sein? Ganz gewiss nicht. Die Unternehmer werden auf weitere Kürzungen drängen, die Politiker werden ihnen den Willen tun und die Umverteilung rollt weiter. Die Raffkes sind nimmersatt. Wenn sie mit der einen Kürzung ohne großen Widerstand durchkommen, werden sie die nächste anstoßen.

Das Bundeskabinett hat schon angekündigt, in die Rentenformel einen „Nachhaltigkeitsfaktor“, d.h. Kürzungsfaktor, einzubeziehen. Die Renten sollen höher besteuert werden. Während bisher die Bezieher/innen von Durchschnittsrenten nur dann Einkommenssteuer zahlen mussten, wenn sie auch noch Einkünfte aus Mieten oder Zinsen und Dividenden haben, dann soll sich das ändern.

Alles gefallen lassen?

Bei der großen Demonstration in Berlin am 1. November waren auch viele Rentnerinnen und Rentner dabei. Einige trugen selbst gemalte Schilder auf denen z.B. „Schröder – Rentendieb“ stand. Es waren sicher noch zu wenige und Schröder ist nicht der einzige „Rentendieb“. Wir raten allen, die von ihrer Rente leben müssen, die Proteste der nächsten Zeit zu unterstützen. Die Herrschaften da oben müssen merken, dass wir uns nicht alles gefallen lassen. Sonst werden sie uns weiter in den Geldbeutel greifen.

Peter Eberlen (Rentner)


Westend Nachrichten. Stadtteilzeitung für das Westend und die Schwanthalerhöh’ 103 vom Dezember 2003, 2 f.