Materialien 2004

Ziviler Sicherheitsdienst

— aus Langeweile Obdachlose brutal gequält

Vier Mitarbeiter des Zivilen Sicherheitsdienstes (ZSD), der auch die Schwarzen Sheriffs beschäftigt, stehen im Verdacht, drei Obdachlose schwer misshandelt zu haben.

Ein Verdächtiger, der ein Teilgeständnis abgelegt hat, befindet sich in Haft. Seinen Angaben zufolge gab es womöglich noch mehr Übergriffe auf Obdachlose. Der für die Stadt München tätige ZSD weist jede Verantwortung zurück.

Die bislang drei bekannten Opfer – zwei Männer im Alter von 52 und 58 Jahren sowie eine 41-jährige Frau – sind von den Wachmännern offenbar massiv gequält worden. Vermutlich „aus Frust, weil nichts los war“, so Kriminaloberrat Peter Breitner, traktierten die Beschuldigten ihre Opfer mit Stiefeltritten, Schlagstöcken und einem Messer. Vor allem der in Untersuchungshaft einsitzende Andre P., 27 Jahre alt, soll dabei mitgewirkt haben, als der 41-Jährigen eine zehn Zentimeter lange und zwei Zentimeter tiefe Schnittwunde am Kopf zugefügt wurde. Der Schnitt reichte bis zur Schädeldecke.

Alle Opfer – die Übergriffe ereigneten sich stets in den Toiletten des Stachus-Untergeschosses, die der ZSD für die Stadt kontrollieren soll – mussten in Krankenhäusern stationär behandelt werden. Die Frau war die einzige, die sich traute, selbst bei der Polizei Anzeige gegen die Wachmänner zu erstatten. In den beiden anderen Fällen informierten die Krankenhäuser die Polizei. Die Ermittlungen gegen den ZSD begannen zunächst schleppend. Fast ein halbes Jahr dauerte es nach dem ersten bekannt gewordenen Übergriff, ehe Andre P. in Haft genommen wurde und die Ermittlungen gegen die anderen Beschuldigten – Fabian K., 25, Denny U., 23, und Thorsten W., 23 – richtig in Gang kamen.

Zunächst nämlich nahm die Polizei versehentlich die U-Bahnwache ins Visier, weil die Angaben der Geschädigten unvollständig oder ungenau gewesen seien, so die Polizei. Nach dem zweiten Übergriff ermittelten zwei Polizeidienststellen unabhängig voneinander und ohne Kenntnis von dem jeweils parallel bearbeiteten Fall. Erst die Anzeige der 41-Jährigen beendete das Gewirr.

Nach Aussage des Hauptbeschuldigten Andre P. gibt es möglicherweise noch mehr obdachlose Opfer des privaten Sicherheitsdienstes. In seinem Teilgeständnis sagte er, er wisse zwar nichts von weiteren Körperverletzungen, generell seien Obdachlose aber „hart angefasst“ worden. Was dies bedeutet, weiß die Polizei noch nicht. Laut Kriminaloberrat Breitner gestalteten sich die Ermittlungen sehr schwierig, weil im Obdachlosenmilieu große Angst herrsche und die Aussagebereitschaft dementsprechend gering sei. „Dann krieg ich’s erst recht, die halten doch alle zusammen“, soll ein Befragter zu Protokoll gegeben haben. Den beschuldigten Wachleuten droht laut Staatsanwalt Hannes Hedke wegen gefährlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Der ZSD will mit den Übergriffen nichts zu tun haben. Chef und Gründer Carl Wiedmeier sagte zur SZ, die Ermittlungen richteten sich gegen einzelne Personen und nicht gegen die Firma. Er sehe sich deshalb nur als „zweiter Ansprechpartner“. Seinen Angaben zufolge erfuhr der ZSD erst am 29. Juli von den Anschuldigungen. Da seien zwei der betroffenen Mitarbeiter wegen „unvollständiger Berichterstattung“ aber bereits entlassen gewesen. Ob die beiden anderen Beschuldigten weiter im Wachdienst tätig sind, wollte Wiedmeier, gegen den die Staatsanwaltschaft sehr wohl ermittelt, nicht kommentieren. Er sagte nur: „Über Interna gebe ich keine Auskunft, ich habe mich schon genug geärgert.“ (SZ vom 6. August 2004)

Christian Rost


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Überraschung

Jahr: 2004
Bereich: Bürgerrechte

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