Materialien 2004

Lieber Stephan ...

Aus dem Schriftwechsel zwischen einem Mitarbeiter eines Münchner Sicherheitsunternehmens und Thomas Brunst (SAFERCITY.DE):

12. August 2004

Lieber Stephan,

vielen Dank für Deine E-Mail. Den Artikel zum jüngsten ZSD-Skandal hatte ich schon auf der Internetseite der Süddeutschen Zeitung gefunden. Es ist schon interessant, dass die Mitarbeiter des ZSD bzw. der „Schwarzen Sheriffs“ auch nach über 25 Jahren noch die gleichen Fehler begehen, die die Branche schwer belasten und zugleich die Kritiker privater Sicherheitsdienste bestätigen. In ihren Zielen werden solche dokumentierten Skandale die Branche nicht weiterbringen, sondern das Image weiter schädigen.

Was die von Dir angesprochene Ausweitung der Befugnisse privater Sicherheitsdienste angeht, strebt die Sicherheitsbranche, der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) e.V., nach eigenen Aussagen keine Erweiterung an. Zudem steht der Artikel 33 (4) GG, das Gewaltmonopol der Bundesrepublik Deutschland, dem auch entgegen (ein neues Bewachungsgewerberecht das dieses explizit nicht vorsieht ist erst 2003 in Kraft getreten).

ARD-Report München berichtete vor einigen Monaten darüber, dass DB-Chef Hartmut Mehdorn „Hilfspolizeistatus“ für den Sicherheitsdienst der Deutschen Bahn (BSG) fordert (siehe hierzu: www.safercity.de/2004/bahn.html). Bundesinnenminister Otto Schily lehnt dies kategorisch ab. (Siehe hierzu auch: „Private Sicherheitsdienste: Privatisierung grundrechtsintensiver Polizeiaufgaben verfassungswidrig“, von Bernhard Weiner, www.gdp.de/gdp/gdpcms.nsf/id/dp0201/$file/0102_05.pdf.)

Wie Du vielleicht weißt, veröffentlicht SAFERCITY.DE regelmäßig Übergriffe privater Sicherheitsdienste (Zeitungsmeldungen) im Internet. Jüngste Meldungen aus Berlin, München und Kassel belegen, dass es sich bei diesen Übergriffen häufig nicht um „situationsbedingte Auseinandersetzungen im Rahmen des Einsatzauftrages“ (offizielle Branchenmeinung) handelt, sondern um gezielte Misshandlungen von Personen z.B. durch Türsteher oder Kontrolleure (siehe hierzu „SAFERCITY.DE informiert: Private (Un)Sicherheit“, www.nadeshda.org/foren/cl.politik.repression/p457s457a20.html).

Ich bin persönlich der Meinung, dass durch Übergriffs-Dokumentationen, durch Medienberichte, der „Mär der bedauerlichen Einzelfällen“, welche durch „schwarze Schafe“ verursacht werden, erfolgreich widersprochen werden kann. Auch wegen der schlechten Entlohnung der Mitarbeiter, einhergehend mit einer „immer noch“ unzureichenden Ausbildung des Basispersonals – bei teilweise bis zu 240 Monatsstunden – bin ich der Meinung, dass Übergriffe privater Sicherheitsdienste „systemimmanent“ sind – die starke Abhängigkeit vom Arbeitgeber/Auftraggeber fördert dies.

Wenn Herr Wiedmeier meint, der ZSD, sein Unternehmen, hätte mit diesem Skandal nichts zu tun, so irrt er: Der Vertrag zwischen Stadt und ZSD soll laut Süddeutsche Zeitung gekündigt werden. Bereits 1989 hatte das Unternehmen seinen Auftrag für die Bewachung der Münchner U-Bahn wegen Übergriffen und Misshandlungen verloren. Da sich die Geschichte zu wiederholen scheint, lässt dies nur eine Schlussfolgerung zu: Herr Wiedmeier hat seinen ZSD bzw. seine „Schwarzen Sheriffs“ nicht im Griff!

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Brunst, SAFERCITY.DE


www.trend.infopartisan.net/trd0804/300804.html.

Überraschung

Jahr: 2004
Bereich: Bürgerrechte