Materialien 2004
International üblich
Einführung der 42-Stunden-Woche
Auch wenn die Gewerkschaften und der Beamtenbund noch so laut schreien: Laut einer aktuellen Umfrage sind rund 61 Prozent der Deutschen zu einer Verlängerung der Wochenarbeitszeit auch ohne Lohnausgleich bereit.
Schon Mitte des letzten Jahres, als die aktuelle Diskussion um die Arbeitszeitverlängerung noch in weiter Ferne lag, stellte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn fest: „Deutschland hat ein Lohnproblem.“ Zwar sind die hohen Löhne in erster Linie den Lohnnebenkosten geschuldet, doch eine Abkoppelung der Sozialversicherungen von den Löhnen ist kaum durchsetzbar. „So verbleibt die Verlängerung der Arbeitszeit als sinnvolle Möglichkeit“, um die deutschen Lohnkosten wieder wettbewerbsfähig zu machen, so Sinn. Dabei gehe es nicht um Lohn-Dumping: „Um die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen, müssen die Löhne nicht auf das polnische Niveau fallen.“ Vielmehr müsse man seinen Marktwert realistisch einschätzen: „Die Löhne können hierzulande um so viel höher sein als anderswo, als wir Deutschen besser als andere sind.“ So sind die realen Löhne eines deutschen Industriearbeiters in den letzten 20 Jahren real um fast vierzig Prozent gestiegen, die seines holländischen Kollegen nur um 23 Prozent.
Um mit den Niederlanden gleichziehen zu können, würde es reichen, 42 statt 38 Stunden pro Woche zu arbeiten. Mit dieser Erhöhung der Wochenarbeitszeit um elf Prozent könnten wir uns laut Sinn auch im internationalen Vergleich noch sehen lassen: „Mit jährlich 1.628 Arbeitsstunden würden wir im guten Mittelfeld und auf jeden Fall noch unter solchen Ländern wie Großbritannien, Finnland, Irland oder Spanien liegen. Wir hätten ungefähr das italienische Niveau erreicht, und das ist ja bekanntlich noch mit dem Dolce vita kompatibel.“ Sicherlich bedarf es aber auch einer weitreichenden Flexibilisierung der Arbeitszeiten, um wieder mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen. Es kann nicht sein, dass ein Betrieb in schlechten Zeiten Kurzarbeit beantragen und in Boomphasen Aufträge ablehnen muss, nur weil Tarifverträge und Gesetze keine entsprechenden Arbeitszeiten zulassen.
Auch für Neueinstellungen im öffentlichen Dienst des Freistaats sei die Einführung der 42-Stunden Woche unumgänglich, so Ministerpräsident Edmund Stoiber. „So leid es mir tut: Aber der Staat gibt zu viel aus für die Vergangenheit und die Gegenwart, und zu wenig für die Zukunft“, so seine Begründung des Schrittes, dem mittlerweile auch das sozialdemokratisch regierte NRW gefolgt ist. „Der Staat muss bei sich sparen und deswegen müssen auch die Angestellten und Beamten ein Stückchen mit beitragen“, so Stoiber weiter. Er verwies darauf, dass sie schließlich einen sehr sicheren Arbeitsplatz hätten.
Als völlig unsinnig hat der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion, Joachim Herrmann, die Kritik der Gewerkschaften bezeichnet. Diese hatten behauptet, Mehrarbeit im öffentlichen Dienst entziehe dem Wirtschaftskreislauf Kaufkraft. „Der Beamte bekommt das gleiche Netto auf dem Gehaltszettel. Wieso er laut Gewerkschaft dann an Kaufkraft einbüßt, verstehe wer will“, sagte Herrmann. „10 Euro Stundenlohn bleiben 10 Euro, auch wenn man 3 Minuten länger arbeiten muss.“ Auch Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser sieht keinen anderen gangbaren Weg: „Vor die Alternative gestellt, den Personalkostenanteil von derzeit 43 Prozent weiter zu erhöhen, neue Schulden zu machen und damit an Investitionskraft zu verlieren oder die Arbeitszeit zu erhöhen, haben wir uns für eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit nach einem nach Lebensalter gestaffelten Stufenmodell entschieden.“ Was für jeden Privathaushalt gelte, sei auch für den Staat gültig: „Der Weg in den Schuldenstaat führt in die Sackgasse.“
Franz Niedermaier
Bayernkurier 15 vom 8. April 2004.