Materialien 2004
Interview mit Klaus Joelsen
von den „Löwen gegen Rechts – Fußballfans gegen Rassismus und Antisemitismus“
Ihr nennt euch „Löwen gegen Rechts“ was ist darunter zu verstehen?
Wir sind Fans des TSV, die Lust auf Fußball und Leidenschaft für unseren Verein haben Wir haben keine Lust auf rassistische und ausländerfeindliche Rufe und Gesänge. Wir wollen durch unser Präsentsein rechten Sprüchen und Parolen keine Chance geben.
Wann habt ihr eueren Fan-Zusammenschluss gegründet und was macht ihr so?
Es gab schon mal die „Löwen gegen Rechts“; die Initiative hat sich dann mit dem Umzug ins Olympiastadion aufgelöst. Als dann wieder vermehrt rechte Gesänge und Rufe zu hören waren, haben wir die Initiative Ende 2000 neu aufleben lassen. Wir sind im Stadion präsent und mischen uns ein, wenn solche Rufe kommen. Wir machen Informationsstände, beteiligen uns an Demos gegen Nazis, stellen Forderungen an den Verein und geben Informationen zum Thema heraus. Außerdem haben wir die Ausstellung „Tatort Stadion“, die sich mit Rassismus und Diskriminierung im Fußball beschäftigt, nach München geholt und veranstaltet.
Seid ihr in Kontakt mit anderen Fangruppen mit ähnlicher Zielsetzung im Bundesgebiet?
Wir sind Mitglied in BAFF (Bündnis Aktiver Fußballfans). Dies ist ein bundesweiter Zusammenschluss von einzelnen und Fanorganisationen, die alle antirassistisch und antifaschistisch arbeiten. Darüber hinaus spielen Themen wie Versitzplatzung, Kommerzialisierung usw. eine Rolle. Über BAFF läuft eine reger Kontakt und Austausch. Zweimal im Jahr gibt es ein bundesweites Treffen. Hier werden konkrete Vorhaben geplant und koordiniert.
Wie äußert sich Rassismus und Antisemitismus im Fußballstadion, gibt es organisierte rechte Gruppen bei verschiedenen Vereinen?
Sprüche wie: „Niggersau“ „Judenclub“ „Zick-Zack-Zigeunerpack“ oder das altbekannte „Uh-Uh-Uh“ Rufen sind nur ein paar Beispiele für rassistische und antisemitische Äußerungen. Bei den Löwen gibt es momentan keine organisierten rechten Gruppen. Bei anderen Vereinen soll es so etwas schon geben, ob das stimmt, weiß ich nicht.
Frage: Habt ihr konkrete Forderungen an den Verein TSV 1860 München ? Welches Verhältnis habt ihr zur Leitung der Fußballabteilung?
Eine unsere wichtigsten Forderungen ist die Aufnahme eines Antirassismus- und Antidiskriminierungsparagraphen in die Vereins- bzw. Stadionordnung. Dies scheint sogar demnächst zu klappen. Weiterhin fordern wir eine Auseinandersetzung des Vereins mit seiner Rolle in der Nazizeit, die bisher noch nicht geschehen ist. Momentan liegt unser Kontakt aufgrund der aktuellen Situation im Verein brach. Allerdings hoffen wir mit der neuen Führung bald zu Gesprächen zusammen zu kommen.
1860 ist aus der ersten Fußballbundesliga abgestiegen. Welche Ursachen hat das nach eurer Meinung?
In aller erster Linie ist Karl-Heinz Wildmoser dafür verantwortlich. Er hat mit seiner Alleinherrschaft viel kaputt gemacht im Verein. Zerstörung einer lebendigen Fankultur, Aufgabe einer eigenen Identität, Umzug ins Olympiastadion, schrittweise Aushöhlung der Mitgliederrechte sind hier nur ein paar Schlagworte dafür. Dass da auch keine Spielertypen oder Trainer mehr da waren , die sich mit dem Verein identifizieren, war fast zwangsläufig. Außerdem war die Struktur im Verein so umgestaltet, dass alle Positionen nur noch mit Ja-Sagern und inkompetenten Menschen besetzt waren. So konnten keine vernünftigen Entscheidungen getroffen werden. Wenn Spieler, Trainer, Angestellte oder Fans nicht offen sagen dürfen, was sie denken, ohne dass sie gleich mit einem Vereinsausschluss rechnen müssen, ist klar, dass irgendwann viele sagen, dass es keinen Spaß mehr macht für diesen Verein zu arbeiten, sich einzusetzen oder zu spielen. Und so eine Situation führt zum Abstieg.
Der Verein hat wegen dem „Schmiergeldskandal“ um das neue Stadion in Fröttmaning mehr als Schlagzeilen gemacht. Wildmoser jun. sitzt noch in Haft und Wildmoser sen. musste von seinem Posten als Vereinspräsident zurücktreten. Wie bewertet ihr die Vorgänge und hat der Verein die richtigen Konsequenzen gezogen?
Das oben geschilderte „System Wildmoser“ hat dazu geführt, dass es soweit kommen konnte. Absolut richtig ist, dass er zurücktreten musste. Der Verein hat die ersten Schritte (Rückkehr ins Grünwalder Stadion, Entlassung vom Sportdirektor) in die richtige Richtung gemacht. Es müssen allerdings weitere folgen, so muss vor allen Dingen wieder eine demokratische Struktur in den Verein.
Was fasziniert euch eigentlich am Fußball, warum sollte man Löwen-Fan und kein Bayern-Fan sein? Am Spiel allein kann’s ja nicht liegen.
Fußball ist Emotion, Leidenschaft, Liebe, Hass … Fußball vereint so viel an Gefühlen. Fußball eint, Fußball polarisiert. Erleben im Fußballstadion ist pure Gänsehaut. Freundschaft, Gemeinsamkeit, Geselligkeit und Feiern ist Fußball. Anders kann ich es nicht ausdrücken, und das kann auch nur der/die verstehen, der/die Fußball eben nicht nur vorm Fernseher erlebt hat. Bei den Löwen ist alles geboten. Es gibt ein Auf und Ab. Es geht von Himmelhochjauchzend bis Zutodebetrübt. Man freut sich über viele kleine Dinge und Erfolge. Es gibt immer wieder Überraschungen. Leiden und Freuen ist immer nah beieinander. Bei „Bayern“ zählt nur der Titel, Siege gelten als alltäglich. Wenn man mal Bayern-Fans nach einem Sieg nach Hause gehen sieht, feiern die nicht mal. Sie nehmen das als alltäglich hin. Das ist langweilig!!
Das Gespräch führte Max Brym.
7. Juni 2004