Materialien 2005
Protestresolution
gegen die Behandlung der Flüchtlinge durch die Regierung von Oberbayern, anlässlich des Europaweiten Aktionstages für Bewegungsfreiheit und Bleiberecht von Migrantlnnen und Flüchtlingen am 1. April 2005 in München
In Europa leben viele MigrantInnen und Flüchtlinge. Unglücklicherweise werden deren Rechte tagtäglich mit Füßen getreten.
Heute, anlässlich des Europäischen Aktionstages, sind wir, die Karawane München, auf der Straße, gemeinsam mit Menschenrechtsorganisationen, Flüchtlingen, Sans-Papiers, Antirassistlnnen, in Italien Griechenland, England, Finnland, Spanien und anderen Ländern, um ein Leben in Würde für uns alle einzufordern.
Hier in München demonstrieren wir vor der Regierung von Oberbayern, da diese eine der Institu-
tionen ist, die für die Verwaltung des täglichen Lebens der Flüchtlinge verantwortlich sind.
Was tut die Regierung von Oberbayern?
▓ Unterbringung der Flüchtlinge und Migrantlnnen
Die Regierung von Oberbayern ist verantwortlich für die meisten Container- und Barackenlager in der Region. Zum Beispiel: Schwankhardtweg, Emma-Ihrer-Strasse oder Rosenheimer Strasse, wo die Asylsuchenden unter unerträglichen Bedingungen leben: 4 Alleinstehende oder eine Familie teilen sich ein kleines Zimmer von 15 Quadratmetern; Heizungen und Duschen sind oft kaputt; Küchen, Toiletten und Waschräume sind völlig unzureichend für die große Zahl von Menschen; Zeiten zum Wäschewaschen oder Postabholen sind sehr beschränkt; in den Lagern mangelt es an Hygiene und oftmals findet man Mäuse und Kakerlaken. Die Unterbringung von Flüchtlingen in Lagern ist eine Form der Nichtintegration, der Isolation von Flüchtlingen von der deutschen Ge-
sellschaft.
▓ Tägliche Repression
Besuchszeiten sind von 8 Uhr morgens bis 22 Uhr abends begrenzt. Die Lagerleiter können jeder Zeit die Türen öffnen und sogar die persönliche Habe durchsuchen. Der Sicherheitsdienst klopft zu jeder Tages- und Nachtzeit an die Türen, sogar um 2 Uhr morgens, wenn die Leute sich ausruhen, und verlangt „Ausweis, bitte!“. Diese Art, den Schlaf zu stören, traumatisiert die Leute.
Die Lagerleiter sind gewissermaßen „Polizisten in Zivil“, die meist nicht für das Wohlergehen der Flüchtlinge arbeiten, sondern im Gegenteil den Druck unterstützen, der von den Behörden auf die Flüchtlinge ausgeübt wird. Oft führt die Polizei, in Zusammenarbeit mit den Lagerleitern, rassisti-
sche Kontrollen rund um die Lager durch und von Zeit zu Zeit kommen sie in der Nacht, um je-
manden zur Abschiebung zu verhaften. In einem Lager gibt es weder Frieden noch Sicherheit für Flüchtlinge!
▓ Versorgung der Asylsuchenden
Die Asylsuchenden in Bayern bekommen nur Essenspakete und Taschengeld von 40 – und manch-
mal sogar nur 30 – Euro/Monat. Die Lebensmittel in diesen Paketen sind ihren Bedürfnissen nicht angemessen. Sie bekommen Produkte, die oft nicht ihren kulturellen Essensgewohnheiten entspre-
chen, was oft dazu führt, dass die Leute das, was sie bekommen, gar nicht essen können. Die 30 oder 40 Euro reichen den Flüchtlingen nicht für nötige Ausgaben, zum Beispiel den Kauf von Bus- und Zugtickets, was Leute automatisch dazu zwingt, zu Hause zu bleiben.
▓ Kollaboration mit den Botschaften für die Abschiebung
Die „Zentrale Rückführungsstelle Süd“, die Teil der Regierung von Oberbayern ist, ist verantwort-
lich dafür, für die kommunalen Ausländerbehörden Kontakt mit den Botschaften herzustellen, um „Heimreisepapiere“ für die Abschiebung zu bekommen. Zu diesem Zweck organisiert die „Zentrale Rückführungsstelle“ auch sogenannte Sammeltermine mit den Botschaften. Zum Beispiel gab es solche Termine im Lager in der Tischlerstraße in München mit den Botschaften von Togo, Nigeria, Algerien und anderen Ländern, um für eine große Zahl von Flüchtlingen gleichzeitig „Heimreise-
papiere“ auszustellen. In manchen Fällen wurden – zum Beispiel durch die Botschaft von Nigeria – sogar „Heimreisepapiere“ an Personen ausgestellt, die gar nicht aus dem jeweiligen Land kommen.
Wir verurteilen all die genannten Praktiken, mit denen die Behörden, und im speziellen die Regie-
rung von Oberbayern, die Rechte von Flüchtlingen verletzen und wir erklären, dass wir auch in Zu-
kunft dagegen Widerstand leisten werden.
Wir fordern von der Regierung von Oberbayern:
▒ Bequeme Unterbringung für Flüchtlinge gemäß ihren Bedürfnissen — Schließung der Lager!
▒ Bargeld, keine Essenspakete!
▒ Schluss mit der Kollaboration mit den Botschaften zur Abschiebung von Flüchtlingen!
▒ Schließung der „Zentralen Rückführungsstelle"!
Wir kämpfen auch für:
Abschaffung der Residenzpflicht!
Arbeitserlaubnis für alle!
Schluss mit rassistischen Polizeikontrollen!
Stop aller Abschiebungen!
Bleiberecht und Bewegungsfreiheit für alle!
Wir fordern von der Regierung von Oberbayern eine schriftliche Antwort an die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen!
Münchner Lokalberichte 8 vom 14. April 2005, 12.