Materialien 2005
Wenn mal was gut klappt
… muss es geändert werden
Das scheint die Politik von Stadtrat und -verwaltung in Sachen Jugendhilfe zu sein. Der Stadtrat gibt „Sparziele“ vor, dem Stadtjugendamt bleibt nichts anderes übrig, als diese umzusetzen, d.h. Personal einzusparen. Im Bereich Jugendhilfe (dazu gehören auch Streetworker) müssen 15 Stellen abgebaut werden.
Deshalb wurde Christoph Stenger überraschend und kurzfristig ab 1. Februar 2005 nach Neuhau-
sen versetzt. Christoph hat sehr viel Erfahrung, in vielen Jahren hat er sich das Vertrauen und den Respekt der Jugendlichen im Westend erarbeitet.
Die – fast schon abartige – Begründung: „Nachdem im Westend durchaus, nicht zuletzt auch durch das Engagement unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, eine doch befriedigende bis gute Situation im Jugendbereich festzustellen ist, wobei besonders die vielfältigen und engen Koopera-
tionen mit allen Jugendhilfeträgern im Stadtteil hervorzuheben sind, ist es zu unserem Bedauern notwendig, aber auch möglich geworden, einen Kollegen in einen anderen Stadtteil umzusetzen, in dem dringender Bedarf gegeben ist“ (aus einem Schreiben des Stadtjugendamtes). Wenn also gute Arbeit geleistet wurde, ist dieser Zustand schleunigst zu beenden.
Das Westend ist einer der Stadtteile mit der größten Armutsdichte in München (vgl. Abbildung aus dem Münchner Armutsbericht, Fortschreibung 2002, S. 50). „Die Armutsdichte reflektiert den Grad der von ökonomischen Problemen und dadurch häufig auch von sozialer Ausgrenzung be-
troffenen Bevölkerungsanteile … Eine auf sozialen Ausgleich gerichtete lokale Sozialpolitik hat die Aufgabe ..: besonders benachteiligte Quartiere akzentuiert zu fördern“ – so steht ,es auf dem ge-
duldigen Papier des Armutsberichts (S. 48), der von demselben Referat herausgegeben wird, das nun Mitarbeiter/innen der Jugendhilfe abbaut. Der Bezirksausschuss als lokales Gremium wird noch nicht einmal informiert – geschweige denn an der Entscheidung beteiligt.
Daß in einem Quartier mit erheblichen sozialen Problemen auch Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in großem Maße betroffen sind, ist offensichtlich. Fehlende berufliche Perspektiven, Jugendarbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel verleiten zu scheinbaren Auswegen in Kleinkrimi-
nalität, legen die Flucht in Alkohol- und Drogenabhängigkeit nahe. Streetworker können die Ur-
sachen solcher Fehlentwicklungen nicht ändern; sie können aber die Folgen abmildern und Zu-
spitzungen verhindern. Im Westend ist das weitgehend gelungen – nicht zuletzt durch den Einsatz und das Geschick unserer Streetworker.
Man gewinnt den Eindruck, dass dem Jugendamt eine durchdachte Sozialarbeit gar nicht mehr möglich ist. Es werden nur noch Löcher aufgerissen, um andere zu stopfen. Wenn das schief geht, dann fährt man (vielleicht) zurück, aber dann ist es möglicherweise für viele junge Menschen schon zu spät.
Die Vertreter des Jugendamtes bei der Sitzung des Bezirksausschusses gaben denn auch eine schwache Vorstellung. Fast konnten sie einem leid tun. Wie soll man denn auch eine Politik ver-
teidigen, die sich nicht an sozialen Notwendigkeiten, sondern an den Sparzielen der Stadt aus-
richtet?
Für diese sind natürlich nicht das Stadtjugendamt, sondern die Rathausparteien SPD, CSU und Grüne direkt verantwortlich – in letzter Instanz trägt die rot/grün/schwarze Politik die Schuld, die Städte und Gemeinden finanziell ausbluten lässt.
Peter Eberlen
Westend Nachrichten. Stadtteilzeitung für das Westend und die Schwanthalerhöh’ 112 vom Februar 2005, 1.