Materialien 2007

Bauern auf den Barrikaden

Mehr als 10.000 Bauern haben in München für höhere Milchpreise demonstriert.
Bei ihnen kommen die jüngsten Preiserhöhungen nicht an.

Alois Kramer ist zornig. Seit Wochen beobacht der Milchbauer aus dem 1.400-Seelendorf Großweil bei Garmisch-Partenkirchen, wie in Supermärkten die Preise für Butter und andere Milchprodukte kräftig steigen. Dennoch kann Kramer auch weiterhin seine Milch kaum kostendeckend produzieren. Als Erzeuger bekommt er für den Liter nur ein paar Cent mehr. „Eigentlich sind wir ruhige Menschen“, sagt der 28-jährige Milchbauer. „Doch der Leidensdruck hat sich immer mehr aufgebaut.“

Tausende bayerische Bauern sind in Jankern und Lederhosen mit Edelweiß-bestickten Hosenträgern zur Protestkundgebung auf den Münchner Odeonsplatz gekommen. Sie fordern höhere Preise für ihre Milch – mindestens 40 Cent pro Liter. „Vor 20 Jahren haben wir schon 80 Pfennig für den Liter bekommen“, sagt der 48-jährige Michael Albrecht, ebenfalls ein Milchbauer. Derzeit zahle ihm die Molkerei 33,9 Cent – lediglich viereinhalb Cent mehr als vor einigen Wochen. „Das reicht nicht.“

Viele Bauern haben Frauen und Kinder zur Demonstration mitgebracht. Die Kinder schwingen Kuhglocken. Aus dem gesamten Bundesgebiet sind die Milchbauern zusammengekommen, auch 100 Bauern aus Ostfriesland sind dabei. Von Aurich bis Oberstdorf haben sie die gleichen Sorgen und stehen vor den gleichen Existenzproblemen.

35 Milchkühe hält der 28-jährige Kramer. Davon allein kann er mit seiner Familie nicht leben. Auf Kramers Bauernhof kann man deshalb auch Urlaub machen, und nebenbei bewirtschaftet er noch einen kleinen Wald. „Wir wollen kostendeckende Preise“, sagt er. Zwar zahle die Molkerei jetzt ein paar Cent mehr. Doch auf der anderen Seite fressen die wegen des Biogasbooms gestiegenen Getreidepreise die Preiserhöhung wieder auf. Vor zwei Jahren habe der Doppelzentner Futterweizen noch 8 Euro gekostet, jetzt seien es schon 18 Euro, sagt Kramer.

Dieser Preisdruck hat dazu geführt, dass immer mehr Milcherzeuger aufgeben mussten. Josef Thalhofer aus Marktwald im Unterallgäu zum Beispiel. Er hat einen Hof mit 30 Kühen – aber keinen Nachfolger in Aussicht. Seine Kinder haben andere Berufe ergriffen. „Ein kostendeckendes Wirtschaften ist schon seit Langem nicht mehr möglich“, klagt der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) in einer Erklärung. „Von den Preiserhöhungen im Frühjahr, die zwischen Molkereien und Handel ausgehandelt wurden, ist bisher unter dem Strich bei den Bauern nichts angekommen.“

Noch schlechter allerdings geht es den dänischen Nachbarn. Dort hat der Molkereikonzern Arla fast eine Monopolstellung und zahlt umgerechnet nur 35 Cent pro Liter. Deswegen überlegen dänische Bauern, in großem Stil Milch nach Norddeutschland zu exportieren. Wie ein Sprecher des dafür neu gegründeten Unternehmens Danish Dairy am Dienstag in der Zeitung Jyllands-Posten sagte, verfüge man bereits über Lieferzusagen für 400 bis 500 Millionen Liter pro Jahr. Größtes Problem sei die schnelle Beschaffung von Tankwagen-Kapazität, um die dänische Milch schnell genug zu Abnehmern in Norddeutschland zu bringen. Bis 25. August will man entscheiden, ob der Export im erhofften Umfang realisierbar ist.

Um mehr Gewicht gegenüber den Molkereien und den mächtigen Handelsketten zu bekommen, wollen sich auch die Milchbauern nun zu großen Liefergemeinschaften zusammenschließen. Dann könnten sie endlich die Preise mitdiktieren, hoffen sie. Der BDM-Vorsitzende Romuald Schaber verlangte außerdem die Beibehaltung der EU-Milchquoten, mit der die Produktion begrenzt wird. Die Milchquote soll 2015 auslaufen.

Auch einen prominenten politischen Fürsprecher haben die Milchbauern bereits. Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) sagte ihnen am Dienstag seine Unterstützung zu. Es sei richtig, dass die Bauern demonstrierten, um wieder kostendeckend produzieren zu können, so Seehofer. „Die Bauern haben unsere politische Unterstützung.“ Er wolle sich dafür einsetzen, dass sie den von ihnen geforderten Literpreis von 40 Cent künftig erreichen. Seehofer kündigte außerdem an, dass er der Forderung nach einer Aufhebung der EU-Milchquoten nicht nachkommen wolle.


Die Zeit vom 14. August 2007; www.zeit.de/online/2007/33/proteste-milchbauern.