Materialien 2007
Kurdenverfolgung in der Türkei - Repression in Deutschland
Kaum ein halbes Jahr ist vergangen seit den letzten bundesweit organisierten Durchsuchungsak-
tionen kurdischer Objekte. In den frühen Morgenstunden des heutigen Tages haben fast 190 Poli-
zeibeamte in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen die Privatwohnungen und Geschäftsräume von „mutmaßlichen Anhängern der verbotenen Organisation KONGRA-GEL“ durchsucht. Nach Angaben des Polizeipräsidiums München und der Staatsanwaltschaft waren allein im Großraum München hiervon 23 Objekte betroffen. Ziel der polizeilichen Aktion sollte das Auffinden von Beweismaterial zum Nachweis der Unterstützung von KONGRA-GEL sein, der auf Druck der Türkei im Jahre 2004 auf die EU-Terrorliste gesetzt worden ist. Begründet wurden die Razzien in München ferner mit der Behauptung, es werde am Aufbau einer PKK-nahen Jugendor-
ganisation gearbeitet. Beschlagnahmt wurden offenbar Handys, Bücher, Kassetten und PCs.
Neben der Festnahme mehrerer Personen, ist gegen den 69-jährigen kurdischen Schriftsteller und Publizisten, Haydar Işik, wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in der „Führungsriege der verbo-
tenen Vereinigung“ ein Haftbefehl durch das Amtsgericht München erlassen worden. Er wird noch heute dem Ermittlungsrichter vorgeführt.
Das Polizeipräsidium versteigt sich in seiner Pressemitteilung zu der Behauptung, der KONGRA-GEL kämpfe „mit massiver Waffengewalt“ für einen „autarken kurdischen Staat“ und eine „Separa-
tion von der Türkei“ ein. Dies ist eine glatte Verleumdung und gibt lediglich das wider, was der tür-
kische Staat unablässig erklärt. Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Parlamentswahlen am 22. Juli überbieten sich zur Zeit die Parteien in der Hetze gegen die kurdische Bevölkerung, die Mitglieder der prokurdischen DTP und insbesondere gegen den früheren PKK-Vorsitzenden Ab-
dullah Öcalan. So fordert die ultrarechte „Partei der Nationalistischen Bewegung“ (MHP) auf öf-
fentlichen Wahlversammlungen dessen Hinrichtung, den Verzicht auf die Gewährung von Rech-
ten für die kurdische Bevölkerung sowie eine Abkehr von den Kopenhagener Kriterien als Voraus-
setzung für einen Beitritt der Türkei zur EU. Die MHP kann sich mit derartigen Forderungen der Unterstützung der militärischen Elite des Landes sicher sein. Erst kürzlich hatte der Generalstabs-
chef Yasar Büyükanit insbesondere das europäische Ausland zu einer politischen Offensive gegen die „Unterstützer des Terrorismus“ aufgefordert. Bei der „Lösung des Kurdenproblems“ falle die EU der Türkei durch ihre Forderungen nach Einhaltung der Menschenrechte in den Rücken.
Deutschland hat wieder einmal verstanden. Die heutigen Durchsuchungsaktionen dürften auf große Zustimmung dieser nationalistisch-chauvinistischen Polit- und Militärkreise fallen. Die Strafverfolgungsbehörden haben ihnen einen Bärendienst erwiesen. Sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, Handlanger dieser schmutzigen Politik zu sein.
Wir verurteilen das Vorgehen der Behörden und fordern die Freilassung aller Festgenommenen und ein Ende der Verfolgungspraxis.
AZADI – Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V.
YEK-KOM – Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland e.V.
5. Juli 2007