Flusslandschaft 1966
SPD
Am 30. November demonstrieren Studenten gegen die „Große Koalition“ aus CDU/CSU und SPD unter Kurt Georg Kiesinger in Bonn.1 Auch in anderen Großstädten demonstrieren SPD-Mitglie-
der, Gewerkschafter und Studenten gegen die Beteiligung der SPD an der Regierungskoalition. Rolf Pohle: … Ich war damals in München in einer Studentengruppe, die schon seit Ende der fünf-
ziger Jahre praktisch SPD war, von der auch die Miete für unser Büro bezahlt wurde, und wir hat-
ten die Vorstellung gehabt, junge demokratische Gewerkschaftler oder SPD-Leute gegen die rech-
ten SPD- und Gewerkschaftsführungen zu unterstützen. Für uns ging das in Richtung Demokrati-
sierung der Gesellschaft. Und dieser Traum, der war für uns dann 1966 aus. Da habe ich in Mün-
chen auch diese Demonstration gegen die <Große Koalition> organisiert, wo dann nur zweihun-
dert Leute gekommen sind, weil da eh schon alles klar war. Es war schon im Fernsehen gekom-
men, dass alles perfekt ist, dass die Parteien eine Übereinkunft getroffen haben. Dann haben sie aber trotzdem in den Zeitungen diese Demonstration groß herausgebracht. Das war also eine mei-
ner ersten Erfahrungen, wie die Zeitungen manipulieren. Obwohl das eine ganz kleine Demonstra-
tion war am Riesen-Königsplatz, haben sie Fotos in die Zeitungen gesetzt, dass die Leser gedacht haben, wer weiß, was für eine große Demonstration das war! Der Grund für diese völlig aufgeblase-
ne Darstellung? Zunächst hatten ja auch einige Zeitungen die Kritik gegen die <Große Koalition> gestützt, aber seit 1969 bis heute wird sie ja nur noch heimlich und nicht offen weitergeführt …“2
1 Vgl. Süddeutsche Zeitung 286/1966.
2 Rolf Pohle, Mein Name ist Mensch. Das Interview, Berlin 2002, 28 f.