Materialien 2009

Clowns


demonstration gegen die so genannte sicherheitskonferenz am 7. februar 2009, foto: franz gans

Das RebelClowning wurde erstmals anno 2003 anlässlich der Audienz von George W. Bush in UK (‚Nach 500 Jahren wird endlich wieder mal ein echter Narr zur Queen vorgelassen, der gleichzeitig der größte Kriegsheld unserer Tage ist …!’) von einer Gruppe linker, nicht-autoritärer AktivistInnen entwickelt. Sie prägte das Konzept der Clandestine Insurgent Rebel Clown Army kurz C.I.R.C.A. (www.clownarmy.org). Dieses Konzept verbindet die uralten Traditionen der Kunst, ein Clown zu sein („Clowning“), mit den Prinzipien der nicht gewalttätigen Direkten Aktion und richtet sich vornehmlich gegen die kapitalistisch geprägten, ungerechten und tödlichen Formen der so genannten Globalisierung, gegen Krieg, Atomkraft und Atom-Mächte, gegen Militarismus und Militarisierung, gegen soziale, ökologische, sexistische Ausbeutung oder Ausgrenzung und gegen alle Rassismen. Es reiht sich damit in die Vielfalt kreativen Straßenprotestes ebenso ein wie in die Fülle von emanzipatorischen Ausdrucksformen des “Theaters der Unterdrückten” nach Augusto Boal.

Auch wenn die bislang bestehenden ClownsEinheiten oder Batallione für sich einen je eigenwilligen und speziellen Ausdruck entwickelt haben, so bestehen doch für alle die „Basics“ – oder die Grundausbildung – nach dem Original-CIRCA-Rezept weiter fort – einerseits als Trainings-Einheiten, andererseits aber auch als Pool von Verabredungen für KlampfGenossinnen aus unterschiedlichen Gruppen oder Sprachräumen. Im Falle einer intraplanetarischen oder auch intergalaktischen Begegnung von RebelClowns im Einsatz sollten dann die diversen Grüße, Spiele, Marschformationen und (non-verbalen) Kommunikations-Codes geläufig und miteinander zu performen sein!

Deshalb liegt ein Schwerpunkt vieler Einheiten im Durchführen von Workshops und Trainings. Andere, meist schon sehr erfahrene und vertraute Gruppen konzentrieren sich auf gut vorbereitete, selbst entwickelte und spektakuläre bis kunstvolle Aktionen. Und es gibt Gruppen mit regelmäßigen Treffen, Plena und Trainings. Im Idealfall bilden jedoch alle ClownArmyUnits für sich Bezugsgruppen. Für die „Gaggles“, die kleinen EinsatzEinheiten von etwa 5 bis 8 RebelClowns, ist diese Form der Struktur allerdings unerlässlich – und sei es auch nur für eine spontane Aktion von wenigen Minuten!

Wie schon betont, ist es von besonderer Wichtigkeit, dass alle Clowns, die an einer Aktion teilnehmen wollen, ein möglichst gutes BasisTraining absolviert haben. Das schließt auch die Erfahrungen oder Kenntnisse ein, die für AktivistInnen allgemein bei Aktionen notwendig sind. Natürlich haben die RebelClowns ihre Sonderbedingungen – sie sollten z.B. nicht in „unauffälligen Klamotten“ zum Einsatz erscheinen – oder z.B. kann ihnen die hübsche Maske aus Fettfarben bei Tränen- oder Reizgas-Einsätzen zum Verhängnis werden, – aber auch die „water-based“ Schminke lässt ihn im Falle eines Wasserwerfer-Einsatzes oder Regenschauers gar schauerlich aussehen. Darum meiden auch viele Clowns allzu heiße Kessel, sie treten den Rückzug an und fühlen sich ganz elend, wenn der Spaß vorbei sein soll … Aber noch was: Da die ClownArmyRebels selbstverständlich nur die höchsten Dienstgrade und militärischen Ränge haben, machen extra gebastelte Clowns-Ausweise (neben der Mitführung von Zivil-Pässen!) bei jeder Kontrolle besonders viel Gaudi …

Prinzipiell sind die Vorbereitungen und konkreten Verabredungen für ein Gaggle sehr bedeutsam: Handzeichen nochmal durchgehen; immer wachsam bleiben und auf die Ansagen oder Vorschläge, auf die Gesamtsituation und auf die anderen Clowns in der Bezugsgruppe achten; möglichst zusammen bleiben; vorher klären, wer sich wie viel zutraut, falls nicht bekannt; bei Einzelaktionen oder gar zu verführerischen Ideen und Spielzeugen: dem Body oder den Bodies, also den vorher geklärten „Bodyguards“ unbedingt Bescheid geben und Treffpunkt oder Telefonat zu einer bestimmten Zeit vereinbaren; wenn es mehrere Gaggles gibt: geeignete Bezugsgruppen-Namen wählen, prüfen (Laute und Weite des Rufes) und im Chor üben; eventuelle Planungen einhalten – oder notfalls durch Zeichen und Ansagen zusammenkommen und je nach Lage der Situation gemeinsam neu entscheiden … Das Auswerten der Aktion – das Aufrechnen von Verlusten und Zugewinnen eines hoffentlich erfolgreichen RebelClown-Einsatzes – bietet sich eher für ein nächstes Wiedersehen der Clowns an, die nämlich erst mal wieder in ihre zivilen Identitäten, Klamotten und geistigen Zustände zurückfinden müssen: Das RebelClowning ist eine höchst emotionale und energie-geladene Angelegenheit! Bei Stress hat sich nach bisherigen Erfahrungen bewährt: Hilfe ringsum holen, Sprechchöre starten, möglichst Film- oder Fotoaufnahmen machen (lassen), Herausgabe oder Freilassung des Clowns fordern, unter schlimmsten Umständen EA benachrichtigen, auf die Freilassung warten – abholen, abschminken, umziehen, runterholen, zurückholen … Klar: Einzelfestnahmen von Clowns sollten unbedingt vermieden werden!!!

Und daran knüpft auch die Erwähnung der Schwierigkeiten von RebelClownArmyUnits als Bezugsgruppen an: Clowns machen, was ihnen gerade in den Sinn oder in die Sinne kommt – eine Idee oder ein Spiel ist für sie sofort umzusetzen – ein lustiger Appetit wird zum unstillbaren Hunger nach Erlebnis – ihre Herzen wollen alles und schenken pausenlos Liebe … Das bedeutet: Es passiert bei Einsätzen häufiger, dass sie sich verspielen, an Inspirativem hängenbleiben, im tanzenden Taumel verlustig gehen oder sich im leidenschaftlichen Getümmel selbst vergessen. Sie sind aber dadurch glücklicherweise weder berechenbar, noch diktierbar, noch können sie zur strategischen oder ideologischen Manövriermasse werden.

Trotzdem: Im Unterschied zu länger bestehenden, stabilen, verbindlichen und „eingespielten“ Einheiten ist die Gefahr der Hierarchiebildung, aber auch die der Stagnation innerhalb offener und fluktuierender Gruppen relativ groß: durch unterschiedliche Levels von Trainiertheit, Erfahrenheit und Klampferprobung im Einsatz; durch Vor-Bildung im (Schau-)Spiel und Clowning; durch unterschiedliches Engagiert- und Involviertsein in der politische Szene oder durch verschiedene Zugänge zu (Insider-) Informationen; außerdem schlichtweg durch die ungleiche Verteilung der Ressourcen Zeit, Energie, Kreativität, Begeisterungsfähigkeit; durch den nie gleichen Anteil an Luxusgütern wie Empathie, Hypersensibilität, Vertrauen und Offenheit; dann noch durch die ungleichen Grade an Organisiertheit, Disziplin und Verantwortungsbewusstsein, aber auch an Operbereitschaft, Muuuhhht, Tupferkeit und anderer solidatischer Untugenden …

Vor allem ist das ganze Unternehmen jedoch abhängig von abgrundtiefem HUMOR, gnadenloser ALBERNHEIT und absolut unverständlicher VERWIRRUNGSTAKTIK!

FÜR FRIEDEN, FREIHEIT und CLOWNESKEN WIDERSTAND!

RUN AWAY FROM THE CIRCUSJOIN THE REBEL CLOWN ARMY!


Zusammen mehr erreichen. Kleiner Ratgeber für Bezugsgruppen, o.O. (um 2009), 19 ff. – copy@left, bezugsgruppenreader@web.de.