Materialien 2009
Disharmonie im EineWeltHaus
… Ischinger wurde von erheblichen Teilen des Publikums (vielleicht zwanzig Prozent) so nachhaltig ausgepfiffen, dass die Veranstaltung abgebrochen wurde. Die Veranstalter sowie viele Stimmen aus der politischen Linken sehen in der Störung einen Angriff auf die allgemeine Rede- und Versammlungsfreiheit. Das ist wahrscheinlich ungenau. Ischinger ist nicht wegen Attac gekommen, sondern wegen der breiten und öffentlichkeitswirksamen Aktionen gegen die Sicherheitskonferenz. Attac war für Herrn Ischinger nicht als Organisation von Belang, sondern als Repräsentant einer Bewegung, die ihm als Aktionseinheit gegen die Nato-Sicherheitskonferenz zu schaffen macht. Attac hat diesen Zusammenhang durch die Wahl des Veranstaltungsortes unterstrichen.
Die Beziehung zwischen Repräsentanten und Repräsentierten ist unter keinen Umständen idyllisch, was vorliegt, ist Herrschaft der Repräsentierenden, Unterordnung der Repräsentierten. Die einen setzen Zeichen, die anderen werden bezeichnet, die einen handeln, die anderen sind Verhandlungsmasse. Herr Ischinger wird aus München die Botschaft mitnehmen, dass Attac nicht für die Aktionseinheit gegen die Nato-Sicherheitskonferenz verhandeln kann. Dass dies versucht wurde, zeigt sich am Text der Einladung. Durch das „?“ im Titel „Friedensrisiko Nato?“ wird ein Urteil in ein Problem verwandelt. Wenn fraglich ist, ob die Nato ein Friedenrisiko ist, dann wird die Legitimation vieler Aussagen, Aufrufe und Aktionen erschüttert, Widerstand, auch in Formen des bloßen zivilen Ungehorsams, ist dann nämlich nicht mehr zu rechtfertigen. Attac München plant die Wiederholung des Events. Vielleicht geht es ja an einem anderen Ort, an dem der Kontrast zwischen dem EineWelt-Gedanken und der Nato-Sicherheitsdenke nicht handgreiflich wird.
Martin Fochler
Münchner Lokalberichte 14 vom 9. Juli 2009, 8.