Materialien 2009

MUC: Attac-Veranstaltung mit SIKO-Chef gestört

Am heutigen Freitag, den 3.07. sollte im Münchner EINE-WELT-HAUS eine Veranstaltung von ATTAC München mit dem Ausrichter und Leiter der sog. „Nato-Sicherheitskonferenz“ (SIKO) Wolfgang Ischinger stattfinden. ATTAC, als Teil des großen Münchner Bündnisses gegen die SIKO, hatte u.a. Ischinger zu einem sog. „Streitgespräch“ geladen.

Autonome Gruppen und Einzelpersonen aus der Mobilisierung gegen die SIKO hatten daher dazu aufgerufen, dem Chef der „Sicherheitskonferenz“ kein Forum für seine Kriegspropaganda zu bieten, schon gar nicht in der linken Räumlichkeit, an dem sich auch das „Bündnis gegen die Nato-Sicherheitskonferenz“ trifft. In einem Flugblatt, das sowohl im Vorfeld, als auch vor Ort selbst verteilt wurde, hieß es:

„Am Freitag, den 3.7.09, soll im Eine-Welt-Haus in München eine von Attac organisierte Diskussionsveranstaltung mit dem Chef der sog. ‚Münchner Sicherheitskonferenz’ Wolfgang Ischinger stattfinden. Als Aktivist_innen aus der Mobilisierung gegen die Sicherheitskonferenz lehnen wir den Dialog mit einer Schlüsselfigur der deutschen Kriegspolitik ab und fordern die Veranstalter_innen auf; Ischinger auszuladen.

Wir stellen uns die Frage, wem die Veranstaltung in dieser Form was bringen soll? Eine Einladung an Ischinger ist aus inhaltlicher Sicht vollkommen überflüssig, da wir die ‚Argumente’ der Kriegstreiber jeden Tag in den bürgerlichen Medien vorgebetet bekommen – wir wissen, wie sie ihre Kriege begründen, und wir wissen auch, welche geostrategischen und ökonomischen Interessen tatsächlich im Hintergrund stehen. Ischinger wird uns nichts Neues sagen!

Der Gedanke, durch die Einladung an Ischinger positiven Einfluss auf die deutsche Außenpolitik nehmen zu können, ist so absurd, dass wir ihn auch den VeranstalterInnen von Attac nicht unterstellen wollen: Ischinger kannte, als er den ‚Job’ als Chef der Konferenz übernommen hat, unsere Kritik aus sieben Jahren Protest und Widerstand. Dass er die ‚Aufgabe’ trotzdem übernommen hat, macht seine Positionierung überdeutlich. Zu glauben, ihn mit guten Argumenten zum Pazifisten machen zu können, ist mehr als naiv.

Für Ischinger hingegen hat der Auftritt nur Vorteile. Ihm wird ein Forum geboten, seine Kriegspropaganda zu verbreiten, und selbst wenn niemand im Publikum seiner Heuchelei Glauben schenken wird, so hat der Auftritt dennoch eine Funktion: Der klare Widerspruch zwischen den Kriegstreibern der sog. ‚Sicherheitskonferenz’ und uns Gegnern soll verwischt werden. Während den deutschen Soldaten in Afghanistan jetzt auch ganz offiziell das ‚präventive’ Morden erlaubt wird, soll im Eine-Welt-Haus ein ‚konstruktiver Dialog’ mit einem zentralen Repräsentanten dieser Politik geführt werden.

Die Mobilisierung gegen die sog. ‚Münchner Sicherheitskonferenz’ zeichnet sich seit 2002 durch ihre inhaltliche Schärfe aus, die immer eine offensive Kritik an der Konferenz in den Vordergrund stellte und Formen des Dialoges mit den Verantwortlichen für die NATO-Kriegspolitik ablehnte. Daraus zieht das Bündnis gegen die Nato-Kriegskonferenz seine Stärke und Glaubwürdigkeit. Diese durch den Scheindialog mit Ischinger zu beschädigen, lehnen wir ab! Wir fordern alle Kriegsgegner_innen, die das genauso sehen, auf, Ischingers Präsenz nicht hinzunehmen.

Kein Friede mit den Kriegstreibern! Kein Rederecht für Ischinger!“
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Ca. 30 Leute standen rund eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn mit einem Transpi „Kein Dialog mit Kriegstreibern“ flyerverteilend am Eingang. Um 19 Uhr taucht Ischinger auf; dem der Zutritt durch eine friedliche Blockade verwehrt wird. Dabei werden Parolen gerufen. Von da an kommt es von Seiten der Veranstalter_innen von ATTAC und einiger Besucher_innnen zu Handgreiflichkeiten und wüsten Beschimpfungen gegen die Blockierenden. An dieser Stelle ist es wichtig, explizit darauf hinzuweisen, dass von den autonomen Blockierenden keinerlei Gewalt ausgegangen ist. Einige Veranstalter_innen und auch weitere Einzelpersonen aus Bündniskreisen fühlten sich allerdings bemüßigt, Ischinger gegen die eigenen Genoss_innen Zutritt zu verschaffen. Dabei kam es von Seiten derjenigen, die die Veranstaltung auf Biegen und Brechen durchziehen wollten, zu Geschubse und Rangeleien, vereinzelt auch zu Tritten und Schlägen. So wurde Ischinger nach etwa 20 Minuten über einen Nebeneingang in den Veranstaltungssaal geschleust, woraufhin sich die Eskalation im Saal fortsetzte. Autonome betraten das Podium und versuchten über Mikrophon den Flyertext zu verlesen, wurden aber auch daran von tobenden ATTAC-Vertreter_innen (erklärtermaßen Pazifist_innen) gewaltsam gehindert. Von autonomer Seite wurde erklärt, dass die Veranstaltung gerne ohne Ischinger stattfinden könne, dass dieser aber in einer linken Räumlichkeit nichts verloren habe. Nach einer Weile verlas ein Besucher den autonomen Flyer. Jetzt begann die Veranstaltung, wobei jeder Versuch Ischingers zu reden von autonomer Seite mit lautem Parolenrufen übertönt und somit unterbrochen wurde. Während der ganzen Zeit wurde die Geschäftführerin des EINE-WELT-HAUS mehrfach von ATTAC-Mitgliedern bedrängt, die Polizei zu rufen und die Autonomen aus dem „Saal räumen zulassen“ (Zitat ATTAC). Auf diese Forderung ging sie allerdings nicht ein und weigerte sich, die Polizei gegen Linke zu rufen.

Nach einer Stunde Verzögerung beschlossen die Veranstalter_innen, die Veranstaltung gänzlich abzubrechen.

Auch wenn es nie darum ging, diese Veranstaltung vollständig zu verhindern, ist es ein Erfolg, dass Ischinger nicht zu Wort kam. Das Verhalten einiger ATTAC-Vertreter_innen und Besucher_innen ist allerdings vollkommen unakzeptabel. Schon die Tatsache, dass ATTAC solch eine Schlüsselfigur der deutschen und internationalen Kriegslobby zum Dialog einlädt und damit seine Positionen legitimiert, ist ein Skandal; dass Einzelne auch noch körperlich gegen Aktivist_innen der ANTI-SIKO-Mobilisierung vorgehen, ist das Allerletzte!

ATTAC hat damit der Mobilisierung gegen die SIKO massiv geschadet!

www.de.indymedia.org/2009/07/2SS299.shtml
Autonome Antimilitarist_innen 4.07.2009 00:06.


Münchner Lokalberichte 14 vom 9. Juli 2009, 8 f.