Materialien 2010

Tadel

Die Bayerische CSU/FDP-Regierung blockiert Hotel BISS

Dass CSU und FDP im Haushaltsausschuss des Bayerischen Landtags am 6. Mai die Genehmigung für das Hotel BISS verweigerten – schlimm genug. Aber warum auch noch diese Heuchelei? Man wolle keinen Präzedenzfall schaffen, hieß es als Begründung: Wenn man nun das ehemalige Frau-
engefängnis Am Neudeck ohne öffentliche Ausschreibung an BISS vergäbe, könnten andere Initia-
tiven künftig eine ähnliche Vorzugsbehandlung fordern. Warum spricht niemand aus dem Regie-
rungslager die Wahrheit aus, die lautet: „Wir haben uns finanziell verhoben, Stichwort Bayerische Landesbank. Darum brauchen wir jetzt jeden Cent. Also wird Neudeck an den Investor vergeben, der im Finanzministerium am meisten Geld auf den Tisch legt.“ In einem Bieterverfahren wird ein soziales Projekt wie das Hotel BISS zwangsläufig den Kürzeren ziehen, sobald sich ein finanzstar-
ker, womöglich international vernetzter Investor beteiligt. Das Votum von CSU und FDP lässt nur den Schluss zu, dass die Regierungsparteien das Hotel BISS nicht wollen. Sie wollen kein 4-Sterne-Hotel, das junge Menschen aus sozialen Randgruppen zu Köchen, Portiers oder Zimmermädchen ausbildet, unter tatkräftiger Mithilfe von Senioren, die in altersgerechten Wohnungen nebenan leben. Sie wollen kein Hotel, das aufgrund seiner Einzigartigkeit Gäste aus aller Welt anlockt und ohne öffentliche Zuschüsse auskommt. Kein Wiedereingliederungsprojekt hinter hundert Jahre alten Gefängnismauern. Immerhin haben die Haushaltsexperten von CSU und FDP erkannt, dass es sich um ein bisher nie da gewesenes Projekt handelt, um einen Präzedenzfall eben. Was sie nicht verstanden haben: In Zeiten leerer öffentlicher Kassen und überforderter Sozialsysteme kann es gar nicht genug solcher Präzedenzfälle geben.

Rainer Stadler


Biss. Bürger in sozialen Schwierigkeiten vom Juni 2010, 6.

Überraschung

Jahr: 2010
Bereich: Armut

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