Materialien 2010

Stören ohne Ende

MEDIA-MARKTEin Zeuge sagt aus:
Spitzenmanager konspiriert gegen Betriebsratswahlen

Mit Blödelwerbung kriegt die Eletronikkette Media-Markt Aufmerksamkeit. Doch wenn Beschäftigte einen Betriebsrat wählen wollen, läuft ein anderes Programm. „Führungskräfte des Marktes sprengen die Versammlung“, heißt es in einem Gewerkschaftsprotokoll aus Heidelberg, zehn Jahre alt und trotzdem aktuell: Ende Juni 2010 scheiterte in der Filiale im Münchener Euro-Industriepark die Wahl eines Wahlvorstands, weil Vorgesetzte Stimmung machten. „Das sind keine Einzelfälle“, sagen die ver.di-Handelsexperten Dirk Nagel und Orhan Akman. In Deutschland existieren rund 240 Media-Märkte. Nur der in Rosenheim hat seit vier Jahren einen Betriebsrat. Bundesweit scheitern bei der Tochter des Metro-Konzerns die Wahlversammlungen immer wieder nach dem selben Muster. Am Münchener Beispiel lässt sich zum ersten Mal mit der Zeugenaussage eines Insiders nachweisen, dass die Verantwortlichen in der Zentrale der Media-Saturn-Holding sitzen.

Das konspirative Treffen

Die Spur führt zu Bruno Herter, der im Ingolstädter Hauptquartier als Regionalmanager für Bayern und das angrenzende Süddeutschland zuständig ist. Am 25. Juni nahm Herter an einem konspirativen Treffen mit Führungskräften und einigen Mitarbeitern aus der Filiale im Euro-Industriepark teil. In einem Lokal in Unterföhring gab ein bislang noch unbekannter Spezialist – vermutlich Rechtsanwalt – Handlungsanweisungen, wie sich Betriebsratswahlen verhindern lassen.

„Es sollte versucht werden, dass es erst gar nicht zur Wahl kommt“, sagt der Insider, der den Vorgang in einer eidesstattlichen Versicherung schildert. Die Taktik: Stören ohne Ende. „Wir sollten auch Ängste schüren, vor Jobverlust und der Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld.“ Schließlich wurden die Rollen verteilt: „Ich sollte pöbeln, stören und Fragen stellen.“ Auch Herter, der Mann aus der Zentrale, habe die Teilnehmer des Treffens eingeschworen: „Wir sind eine Familie, wir kämpfen dafür, dass es zu keinem Betriebsrat kommt. Der Betriebsrat will sich doch nur einmischen, den Betrieb kaputt machen, mitsprechen.“

Nachdem das verabredete Szenario am 30. Juni umgesetzt wurde, hat ver.di gegen Herter und andere Strafanzeige wegen der Behinderung von Betriebsratswahlen erstattet. „Was in fast allen Unternehmen des Metro-Konzerns demokratischer Alltag ist, muss auch bei Media-Markt Standard werden“, sagt Nagel. Das sieht auch der Konzernbetriebsrat so. Für den Media-Markt im Münchener Euro-Industriepark hat er einen Wahlvorstand eingesetzt. Noch im September soll gewählt werden.

Andreas Hamann


ver.di publik 8 – 9 vom August/September 2010, 4.