Materialien 2010

Erst gewählt, dann gekündigt

HANDEL / Wie die Geschäftsleitung bei Media Markt gegen Betriebsratswahlen vorgeht

„Wir sind doch nicht blöd.“ Deswegen haben die Beschäftigten im Media Markt im Euro-Industriepark am 7. September 2010 einen Betriebsrat gewählt. Diese Wahl war alles andere als einfach. Mit heftigsten Widerständen hatte die Geschäftsführung versucht, sie zu verhindern. Die Bandbreite reichte von der massiven Störung der Wahlversammlung über Drohungen bis hin zu Kündigungen einzelner Beschäftigter.

Trotzdem gibt es nun nach Rosenheim den zweiten Betriebsrat bei Media Markt. Die Auseinandersetzungen sind damit aber nicht beendet. Mehr als 100 Einzelhandelsbetriebsräte haben sich mittlerweile an die Unternehmenszentrale gewandt und unter anderem die Rücknahme der Kündigungen gefordert.

Einer der Initiatoren der Wahl bei Media Markt im Euro-Industriepark war Oseir Rauf, nun gekündigtes Betriebsratsmitglied. Auf die Frage, warum er – als anerkannt guter Verkäufer – vom Unternehmen die Kündigung bekommen habe, meint Rauf: ‚Weil ich nicht gegen die eingeleitete Betriebsratswahl Stimmung machen wollte. Ich habe dem Geschäftsführer mitteilen lassen, dass ich auf keinen Fall gegen Gesetze verstoßen werde.“ Dies habe bereits gereicht. ‚Ich glaube, dass mit der Kündigung der Belegschaft gegenüber Macht demonstriert und sie eingeschüchtert werden sollte. Nach dem Motto: Schaut genau hin! Das passiert Euch, wenn ihr weiter den Betriebsrat unterstützt! Ziemlich primitiv, das Ganze.“

Obwohl seine Zukunft derzeit ungewiss ist, ist Rauf zuversichtlich. ‚Aber meine Kollegen“, sagt er, ‚haben jetzt einiges auszuhalten. Die werden schikaniert – von Bereichsleitern, zum Teil auch von anderen Kollegen.“ So würden sie zum Beispiel oft wie Luft behandelt. ‚Man spricht nicht mit ihnen. Und die Arbeitszeiten, vor allem Spätschichten, werden noch ungerechter als vorher eingeteilt. Unglaublich, dass man so mit Menschen umgehen kann, die sich nur für ihre Rechte eingesetzt haben.“

Oseir Rauf vermutet: ‚Solange der jetzige Geschäftsführer das Sagen hat, wird es wohl eher schlimmer als besser. Es hat den Anschein, dass er sich durch die Betriebsratswahl persönlich angegriffen fühlt. Ich glaube, wir brauchen einen Neuanfang, damit wir uns wieder aufs Wesentliche konzentrieren können. Was da im Moment passiert, schadet uns allen, besonders dem Media Markt selbst in der Öffentlichkeit.“

Dirk Nagel


ver.di publik 11 vom November 2010, 7.