Materialien 2010

Bankenblockade abgesagt: Mobilisierungsfragen und sozialer Protest

28.09.2010 | 19:08

Die für den 18. Oktober angekündigte Bankenproteste in Frankfurt sind abgesagt worden. Der Koordinierungskreis „Aktion Georg Büchner“ teilte mit, man habe sich nach mehrstündiger Debatte dazu durchgerungen – Hauptgrund waren demnach Zweifel, „ob der derzeitige Mobilisierungsstand ausreichend ist“. Die Organisatoren der Aktion waren ursprünglich davon ausgegangen, „dass es uns trotz drängender Zeit gelingen könnte (…) Tausende von Menschen zu einer Aktion des zivilen Ungehorsams zusammenzubringen“. Gewissermaßen in Fortsetzung der erfolgreichen Naziblockaden vom Februar in Dresden wollte man versuchen, die „Idee von ‚Masse und Entschiedenheit’ (…) auf die soziale Frage zu übertragen“. Dem „Verarmungsprogramm“ der schwarz-gelben Regierung sollte „mehr als Klagen, Kundgebungen und Demonstrationen“ entgegengesetzt werden.

Dass dies auch mit der für mediale Wirkung nötigen Beteiligung gelingen könnte, darüber gingen die Meinungen im Koordinierungskreis nun auseinander. „In einigen Regionen lief die Mobilisierung gut, in anderen nur schleppend“, heißt es. Der Fall der abgesagten Bankenblockade verweist auf einige generelle Probleme des sozialpolitischen Protests: Für bestimmte, noch unerprobte Aktionsformen gebe es hierzulande eine „deutliche Diskrepanz zwischen ideeller Zustimmung und physischer Mobilisierbarkeit“, meinen die Organisatoren. Und es habe einen für kritische Bewegung hinderlichen Stimmungswandel gegeben – vom „Wir zahlen nicht für eure Krise“ zum „Die Krise ist vorbei“. Man wird die Lage etwas besser beurteilen können, wenn andere geplante Aktionen vorbei sind (siehe die Liste unten).

Den Vergleich mit den „Bürgeraufständen“ beziehungsweise der „neuen bürgerlichen Bewegung“ (Tageszeitung), von denen angesichts von Bildungsvolksbegehren, Anti-Atom-Demo und Widerstand gegen Stuttgart 21 nun gern die Rede ist, werden die Kommentatoren ziehen. Dann wird man sehen, wie tief die „Klassenspaltung im Protestverhalten“ inzwischen schon ist, von der unter anderem Wolfgang Kraushaar spricht: „Während die Exponenten der Mittelschichten ihre Anliegen immer effektiver einbringen, misslingt das den Unterschichten. Die Wurzel davon ist Resignation. Armut führt zu Vereinzelung und Resignation.“ Große Erwartungen in einen „Aufstand des Bürgertums“ werden die Deklassierten nicht setzen – zu Recht: Das letzte Mal, dass einer ausgerufen wurde, auch daran hat Kraushaar erinnert, stand Arnulf Baring in der ersten Reihe und es ging gegen Rot-Grün.

Es wird viel eher davon abhängen, wie weit die Gewerkschaften bereit sind, über partikulare Beschäftigteninteressen hinauszublicken. Wenn aber eine Gewerkschaft wie die IG BCE den eigentlich gegen die mit der Krisenreparatur zusammenhängenden Sparmaßnahmen gerichteten Europäischen Aktionstag am Mittwoch kurzerhand zu einem Kohle-Aktionstag umetikettieren, dann denkt man nicht zuerst an einen Solidaritätsbeitrag der Stärkeren weil Beschäftigten mit den Schwächeren weil Langzeiterwerbslosen. Sondern eher ein Zeichen der Blockade von Diskussionen über eine sozial-ökologische Wende, die andere unter dem Dach des DGB durchaus entfachen wollen.

„Dass wir uns dieses Mal noch nicht durchringen konnten, den Schritt in die Aktion zu wagen, ist nicht das Ende des Versuchs, zivilen Ungehorsam im Bereich der sozialen Kämpfe zu organisieren“, haben die Organisatoren der abgesagten Bankenblockade erklärt. Man habe „verabredet, das gemeinsame Vertrauen und die entstandenen Verbindungen zu nutzen, an unserer Idee eines ›gesellschaftlichen Streiks‹ festzuhalten, sie zur Diskussion zu stellen, in der Hoffnung, dass unsere jetzige Entscheidung nicht das letzte Wort bleibt.“


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