Materialien 2010
Zweiter Teil der Doku über „direkte Aktionen“ erschienen
von: luzi-m, mit Material von step_forward
Kürzer als Teil 1 präsentiert sich die Reihe illegaler Politaktionen erneut etwas apolitisch.
Dass „die Linke“ oder „die Linksradikale“ gut daran tut, ihre Geschichte selbst zu schreiben, da es sonst andere tun, ist banal und durch die zahllosen linken Medien belegt und eingelöst. Dass direkte, militante oder andere radikale Aktionen immer Teil linker Politik waren und sind, gehört ebenso zum Kanon linksradikaler Selbstdefinitionen. Es ist nach Meinung vieler Aktivist_innen gerade die Stärke linker Politikansätze, vielfältig in der Wahl der Mittel zu sein. Gerade angesichts der Gleichförmigkeit des alltäglichen Gehorsams muss es aus Sicht vieler Linksradikaler radikale Aktionen gegen die Normalität der „Friedhofsruhe“ geben.
Insofern mag eine Chronik militanter oder direkter Aktionen sinnvoll erscheinen. Im vergangenen Jahr veröffentlichten radikale Linke im Schweizer Ableger des Indymedia-Projektes eine Chronik „direkter Aktionen“ in München aus dem Zeitraum 2008 – 2009. Nun erschien der zweite Teil, der den Zeitraum Juni 2009 bis März 2010 umfasst.
Direkte Aktionen als Selbstzweck?
Losgelöst aus ihren jeweiligen politischen Kontexten jedoch liest sich eine solche Aneinanderreihung von Brand- und Farbbeutelanschlägen, entglasten Häusern, Graffitis und Kommunikationsguerilla-Aktionen leider nur allzu oft wie ein Abfeiern linker, illegaler Interventionen. Dabei scheint es manchmal mehr um die Selbstvergewisserung zu gehen, „ein* krasse* Linksradikale*“ zu sein, als um die Vermittlung der Notwendigkeit direkter politischer Aktionen.
Denn gerade die sich in der Vielfalt politischer Aktionsformen widerspiegelnde Stärke geht durch die Fixierung auf die Illegalität von Aktionen zu scheinbar beliebigen Themen wieder verloren. Mehr noch: es ließe sich – (zugegebener Maßen) mit etwas Boshaftigkeit – eine Haltung unterstellen, der es weniger um politische Inhalte, als um die Lust am Grenzen überschreiten geht, eine Haltung also, die nicht per se emanzipatorisch sein muss.
Daher haben wir bereits bei Teil I besagter Chronik Schwierigkeiten damit gehabt, jene Aneinanderreihung unkommentiert auf luzi-m.org wiederzugeben. Der zweite, nun vorliegende Teil jener Dokumentation entspricht in den genannten Punkten dem Vorgänger. Auffällig ist, dass die Bekenner_innen-Schreiben zu den jeweiligen Aktionen (zumindest innerhalb der Dokumentation) deutlich kürzer geraten sind. Da auch dieser Teil auf den Schweizer Indymedia-Seiten zu finden ist, verzichten wir hier auf eine ausführliche Darstellung und belassen es stattdessen bei einer Zusammenfassung.
Farbbeutel, Parties, Eierwürfe, Brandanschläge
Aufgeführt werden also Aktionen aus dem Zeitraum Juni 2009 bis März 2010, beginnend mit der Intervention gegen das von attac München organisierte Treffen mit dem Leiter der Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger. Diese führte nicht nur zu Hausdurchsuchungen und Anzeigen, sondern auch zu heftigen Debatten im bis dahin gemeinsamen Bündnis gegen die Konferenz.
Angesichts der Sicherheitskonferenz, des Bundeswehr-Gelöbnisses auf dem Marienplatz und einer bundesweiten Kampagne gegen den Logistikkonzern DHL („Deutsche HeeresLogistik“) stellte der Antimilitarismus einen Schwerpunkt der erwähnten Aktionen dar. Die Dokumentation erwähnt hierzu einen Brand- und zwei Farbanschläge auf den Logistikkonzern DHL, ein (vermutlich) in Brand gesetztes Bundeswehrfahrzeug und „mehr als hundert Plakatwände“, die mit Parolen gegen das Gelöbnis besprüht werden.
Dass zu der im großen und ganzen recht erfolgreichen Kampagne gegen das Gelöbnis mindestens ebenso zahlreiche „weniger krasse“ Aktionen, Bündnispolitik, Pressemitteilungen etc. beigetragen haben, bleibt unerwähnt. Generell fehlt der Dokumentation eine Auswertung sowohl der aufgeführten Aktionen als auch der begleiteten Kampagnen.
Stattdessen werden chronologisch die eingeworfenen Scheiben beim „Sudetendeutschen Haus“ und beim so genannten „Mutterhaus“ der Lebensschützer_innen und das Vorgehen gegen den „Heldengedenkmarsch“ von Neonazis aufgeführt. Waren dies an sich schon völlig unterschiedliche Aktionen, folgt schon kurz darauf die Räumung der besetzten LMU durch die Polizei mit dem Hinweis „Immerhin: Viele der gesprühten Parolen außerhalb der Uni gibt es bis heute.“
Da wundert es nicht, wenn auch zum Ende hin ein Brandanschlag „AUF EIN IN DER LÖWENGRUBE GEPARKTES POLIZEIFAHRZEUG“, die Randaleaktion im Gärtnerplatzviertel Anfang Januar, die U-Bahnparty Ende des gleichen Monats und schließlich die Aktion von Tierrechtler_innen den Abschluß bilden.
Ein inhaltlicher Zusammenhang ist – abgesehen davon, dass alle Ereignisse irgendwie mit der Polizei zu tun haben – nicht feststellbar.
Der inhaltlich-thematische Kontext der einzelnen Aktionen erschließt sich in dieser Reihung allenfalls durch die zu jedem Ereignis angegeben Quellen und Links. Dieses Wegzeigen aber verstärkt den Eindruck einer rein aktionismusfixierten Darstellung noch mehr.