Materialien 2009
Entscheidend sind die „domestizierten“ Werktätigen ...
die nichts zu sagen haben. Die politische Elite tritt nun auch in der Gegenwart um so frecher hervor, es ist „ihre“ Demokratie. Hierin liegen wohl auch Ursachen für die „Reformpartei“ SPD (Bebel und Wilhelm Liebknecht — Sozialistengesetz und die Ausschöpfung legaler Mittel).
Dies dürfte wohl einer der wesentlichen Ausgangspunkte für Proteste sein: Es wird verordnet, was wir zu wollen haben, an den Bedürfnissen vorbei. Die Bedürfnisse werden vorgegeben — verkauft, kapitalistisch verwertet, „vermarktet“ — Politik wird verkauft — „Das kannst Du doch so nicht verkaufen“ — ist ein oft gehörter detektivischer, verräterischer Satz.
Was passiert mit dem Protest? Zunächst wird er ignoriert. Dann wird er heruntergespielt.
Bei weiteren anhaltenden ausgedehnteren Protesten wird dem Hund – dem Volk oder der protestierenden Gruppe – ein Knochen hingeworfen, es wird beschäftigt, es wird ein Ge-
setzesentwurf vorgelegt, in dem Teilforderungen des Protestes aufgenommen werden oder, wie schon das verräterische Wort sagt, ein „Zugeständnis“ gemacht. Es setzt ein entpolitisierender Moment ein: „Sie“ sind einige Zeit beschäftigt und geben sich mit den vom Tisch des Kapitals herabfallenden Bröseln zufrieden. — Fazit: Protest kann bestenfalls nur der Anfang einer Veränderung sein.
An diesem Punkt scheiden sich auch die Geister: Ist Politik und Protest gerade mal soviel, dass
von einer herrschenden Elite gerade soviel gegeben wird, als der „Masse“ zum Leben noch oder vermeintlich ausreicht (Wer bestimmt das?), insbesondere unter den kapitalistischen Verwer-
tungsmöglichkeiten. Beispielhaft hierfür ist auch der Streik, die Tränen der Unternehmer, die eigentlich Freudentränen sind, nicht noch mehr zu bezahlen.
Die Fortsetzung ist dann: Was passiert, wenn der Protest voll befriedigt wird? Ist dann Politik nicht mehr notwendig? — zumindest bezogen auf den Einzelfall? Bedürfnisse und Konflikte gibt es dann weiterhin.
Die Anti-AKW-Proteste haben beispielsweise nur Teilerfolge erbracht. Proteste tragen vielfach zur Perfektionierung des Protestgegenstandes bei und wenn sie noch so falsch sind. Siehe gegenwärtig das AKW Krümmel. Der Baustopp des AKW-Baus im Bayerischen Wald wurde von „einem“ Wirtschaftsinteressenten bewirkt — Startbahn West ist ein weiteres Beispiel. Wir werden weiterhin „ausgemerkelt“, ausgelacht, die Interessen des Kapitals gehen ein weiteres Mal auch über Leichen — wenn das AKW Krümmel explodiert …
Eine weitere Frage zum Thema Proteste ist: Proteste sind vielfältig. lassen sie sich doch typisieren? Braucht dann die öffentliche Gewalt nur noch die Schublade Nr. so-und-so zu Gegenmaßnahmen (auch Gewalt) zu ziehen? – Beispiele: ritualisierte Aufmärsche – Ostermarsch, 1. Mai, Gedenk-
stättenveranstaltungen ehemaliger KZ, Groß-Demonstrationen — es ist hier auch die plakative Wirkung zu sehen, während hinter den Kulissen und je nach Frechheit der Herrschenden, auch davor, genau das Gegenteil passiert …
Wolf-Dieter Krämer am 8. Juli 2009
(Krämer arbeitete bei der städtischen Straßenbeleuchtung, ist Gewerkschaftsmitglied, Vorstandsmitglied im Archiv der Münchner Arbeiterbewegung und heute pensioniert.)