Flusslandschaft 1976

SchülerInnen

Es sind oft hehre Worte, die Politiker salbungsvoll im Munde führen, wenn sie betonen, welch emi-
nent wichtige Rolle Kunst und Kultur in den Lehrplänen zu spielen haben. Wer aber braucht in der heutigen Zeit noch Maler, Musiker oder Poeten!? „Seit 1960 wurden … in Bayern folgende Stun-
denkürzungen im Fach Kunsterziehung vorgenommen: 1. Wahl zwischen den Fächern Wirtschafts-
kunde und Kunsterziehung in den Klassen 8, 9 und 10 am mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasium und damit Wegfall von insgesamt sechs Wochenstunden für die Schüler, die Wirt-
schaftskunde wählen; 2. Seit 1961 Wahl zwischen Musik- und Kunsterziehung in den 12. und 13. Klassen der gymnasialen Oberstufe mit Ausnahme des musischen Gymnasiums, damit Wegfall von insgesamt vier Wochenstunden; 3. Seit dem Staatsbesuch de Gaulles 1964 Wegfall der zweiten Wo-
chenstunde in den Klassen 9, 10 und 11 des neusprachlichen Gymnasiums (zu Gunsten des Faches Französisch); 4. Seit 1974 Wegfall der dritten Kunsterziehungsstunde am mathematisch-naturwis-
senschaftlichen Gymnasium im Zusammenhang mit dem Schulversuch Orientierungsstufe; 5. Seit 1974 Wegfall einer halben Wochenstunde durch die Stundenkombination mit Musik in den 7. und 8. Klassen des Gymnasiums im Anschluss an den Schulversuch Orientierungsstufe; 6. Seit 1974 Wahl zwischen Handarbeit und Kunsterziehung am sozialwissenschaftlichen Gymnasium im An-
schluss an den Schulversuch Orientierungsstufe und damit Wegfall von insgesamt vier Wochen-
stunden für die Schülerinnen, die Handarbeit wählen.“1 Jetzt soll weiter gekürzt werden. Zum Schulbeginn im Herbst will Kultusminister Maier in allen Schultypen die Fächer Kunst, Werken und Musik reduzieren. In der 5. und 6. Klasse der Hauptschule wird „Werken“ zum „Technischen Werken“. In der 7. Klasse gab es bis jetzt pro Woche zwei Stunden Kunsterziehung und vier Stun-
den „Praktische Arbeitslehre“, jetzt entscheiden sich die SchülerInnen zwischen zwei Stunden Kunsterziehung, „Technisches Werken“ oder „Textiles Gestalten“. In der 8. bis 10. Klasse gab es bisher zwei Stunden Kunsterziehung und vier Stunden „Praktische Arbeitslehre“. Jetzt entscheiden die SchülerInnen über zwei mal zwei Stunden zwischen „Technisches Werken“, „Technisches Zeichnen“, Kunsterziehung, Haushaltswirtschaftskunde, „Textiles Gestalten“ und Maschinen-
schreiben. In der 7. Klasse der Realschule gab es bis jetzt zwei Stunden Kunsterziehung, für Mäd-
chen drei Stunden „Textiles Gestalten“ und für Knaben drei Stunden „Werken“. Jetzt gibt es nur noch wahlweise zwei Stunden Kunsterziehung oder „Technisches Werken“ oder „Textiles Gestal-
ten“. Ab der 8. Klasse fällt Kunsterziehung weg. Nur noch im Bereich G III kann sie aus zehn an-
gebotenen Fächern ausgewählt werden. Ab der 8. Klasse im Gymnasium teilen sich Kunsterzie-
hung und Musik drei Stunden (bisher vier). Es protestieren: die GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft LV Bayern), der BDK (Bund Deutscher Kunsterzieher LV Bayern), der Bayeri-
sche Lehrer- und Lehrerinnenverband
, die „Initiativgruppe Kunsterziehung in Volksschulen“, der Verband Bayerischer Schulmusikerzieher, das Seminar für Kunsterziehung Pasing, der Bundes-
verband der Fachlehrer
, die Bayerische Architektenkammer, der Senat der Akademie der bilden-
den Künste München und etliche Tausend Besucherinnen der Kandinsky-Ausstellung im Haus der Kunst, darunter Nina Kandinsky und Oberbürgermeister Kronawitter.2

Zensur und Untersagung des Vertriebs der Schülerzeitungen sind auf der Grundlage des § 67 der Allgemeinen Schulordnung (ASchO) und einschlägiger Bekanntmachungen (KMS3 vom 14. April 1975 und KMS vom 24. Juni 1976) in Bayern übliche Praxis und dem Schulleiter anheim gestellt. Auch das Öffnen von Briefen an die Redakteurinnen und Redakteure der Schülerzeitungen ist vom Ministerium zugelassen.

Schülerinnen und Schüler demonstrieren am 6. Dezember gegen die Reduzierung der Unterrichts-
stunden in den musischen Fächern.34

Siehe auch „Religion“.

(zuletzt geändert am 28.6.2020)


1 Kunst + Unterricht. Zeitschrift für alle Bereiche der ästhetischen erziehung 41 vom Februar 1977, Velber bei Hannover, 3.

2 Siehe auch: tendenzen. Zeitschrift für engagierte Kunst 112 vom März/April 1977, 57.

3 = Kultusministerielles Schreiben.

4 Vgl. Süddeutsche Zeitung 285/1976.

Überraschung

Jahr: 1976
Bereich: SchülerInnen