Materialien 2010
Rhön Klinikum AG – Amper Kliniken AG – und die Beschäftigten
Bis zum Jahr 2030 soll sich, nach einem Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 23.11., die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in der BRD um 50% steigern (Bayern 54,7%). Die Gewerkschaft ver.di errechnete im Oktober, dass durch die mit der Gesundheitsreform verbundenen Einsparungen 50.000 Stellen im Gesundheitsbereich abgebaut werden. Die durch die Finanzkrise bereits geschwächten Kommunen könnten dadurch noch weiter in die Enge getrieben werden – sollten sie überhaupt noch Träger ihrer Krankenhäuser sein. Diesen Umstand machen sich Klinik-Konzerne wie Rhön, Asklepios, Sana etc. zum Vorteil, indem sie durch die finanzielle Fähigkeit zur Übernahme ihren Einfluss weiter und weiter ausbauen.
RHÖN KLINIKUM AG
Die Rhön AG übernahm 2005 die Kliniken Dachau und Markt Indersdorf. Mittlerweile hält sie einem Anteil von 95% (die restlichen 5% verblieben beim Landkreis). 2009 erwirtschaftete sie konzernweit einen Gewinn von 131,7 Millionen Euro. Im ersten Halbjahr 2010 waren es 71 Mio., für das gesamte Jahr wird eine Steigerung auf 145 Mio. Euro erwartet. Auch wenn diese Zahlen die Vorstellungskraft eines Menschen mit „normalem“ Einkommen strapazieren, lässt sich bereits erahnen, dass finanzielle Schwäche hier nicht das Thema zu sein scheint – im Gegenteil.
Die Rhön AG verfährt nach dem sog. „Flussprinzip“, d.h. sie organisiert die Stationen ihrer Kliniken nach dem Grad des Aufwandes der zu Versorgenden. So sollen Bereiche mit vermeintlich weniger Aufwand auch mit weniger (qualifiziertem) Personal auskommen. Der ärztliche Sektor ist ausreichend bis gut besetzt, die restlichen Berufsgruppen mit einer Fachausbildung, hier v.a. die Pflege als größte Gruppe, werden auf ein Minimum reduziert und mit angelernten Hilfsberufen kompensiert.
AMPER KLINIKEN AG
Die Dachauer Kliniken nehmen in zweierlei Hinsicht eine besondere Stellung ein. An Hand der Bettenzahl gehören sie zu den 10 größten konzerneigenen Kliniken. Zum einen hat die Klinikleitung bei der Gründung der damals landkreiseigenen AG begonnen, Unter-GmbHs zu errichten, um Gruppen von Beschäftigten zu deren Nachteil auszugliedern: KDI Service GmbH, Amper Medico GmbH, MiCura Pflegedienst. Zum anderen wurde mit explizit repressivem Habitus jeglicher Versuch, dies theoretisch wie praktisch zu kritisieren, unterbunden.
Waren 2001 noch 1.100 Menschen bei der AG beschäftigt, sind es heute knapp 780. Zwischen 2004 und 2006 wurden v.a. Stellen in der Pflege abgebaut. Die Folgen waren massive Arbeitsverdichtung, hohe Überstunden und krankheitsbedingte Ausfälle, was uns und unsere KollegInnen körperlich wie mental langfristig zermürbt hat. Und als ob das alles nicht genug wäre, zog ein 2006 in Kraft tretender „Haustarifvertrag“ zusätzlich noch Lohnkürzungen nach sich. Eine Differenz zum Tarifvertrag im öffentlichen Dienst kann sich monatlich, je nach Eingruppierung, bei 200 Euro Netto belaufen. 2007 wurde mit dem „Patienten Service“ eine weitere Berufsgruppe geschaffen, die wiederum durch Stellenstreichungen in der Pflege finanziert wurde. Die über 50 KollegInnen des Service sind bei KDI GmbH angestellt, erhalten nur Teilzeitverträge (max. 75%), haben keinen Tarifvertrag, bekommen keine Zuschläge für Arbeiten am Wochenende oder an Feiertagen und auch hier wird Widerspenstigkeit mit Druck von oben begegnet. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie man zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt: KollegInnen nachhaltig voneinander spalten und durch Lohndumping noch Geld zu sparen.
Aktuell ist fast jede Station unterbesetzt, auf mehreren wird mit LeiharbeiterInnen gearbeitet. Da die schlechten Arbeitsbedingungen mittlerweile kein Geheimnis mehr sind, ist es auch schwierig geworden, neues Personal zu bekommen und auch zu halten. Zwar werden zur Zeit wieder unbefristete Verträge ausgestellt, aber die Fluktuation, v.a. junger KollegInnen, ist nach wie vor hoch (auch wenn dies von der Klinikleitung vehement bestritten wird). Das Haus platzt von der Bettenbelegung aus allen Nähen und erwirtschaftet jährlich mehr Gewinn. Diese Situation ist nicht neu, aber wir werden sie auch weiter nicht akzeptieren. Traditionelle Stellvertretungspolitik lehnen wir ab. Wir sprechen für uns selbst und handeln unmittelbar.
Wir wehren uns.
Dachauer Klinikbeschäftigte
November 2010