Materialien 2011

Alles für alle

STADT FÜR ALLEALLES FÜR ALLE!

Am Abend des 30. Aprils wollen wir unter dem Motto „Stadt für Alle – Alles für Alle“ mit einer antikapitalistischen Demonstration durch München ziehen. Es geht uns dabei um eine kollektive (Wieder-)Aneignung des städtischen Raums, der in kapitalistischen Gesellschaften immer Men-
schen ausschließt, an den Rand drängt und unsichtbar macht. Mit der Wahl des Datums stellen wir uns bewusst in den Kontext der 1. Mai-Demonstrationen, wollen uns aber gleichzeitig dem dort zelebrierten Arbeitsethos entziehen und eine antikapitalistische Perspektive jenseits von Lohnar-
beit aufzeigen.

Wir wollen eine Stadt, in der öffentlicher Raum allen zugänglich ist, in der unsere Bewegungs- und Handlungsfreiheiten nicht eingeschränkt werden. Sei es durch institutionelle Kontrollmechanis-
men wie Kameraüberwachung, Bullen oder private Sicherheitsdienste; sei es durch strukturelle Mechanismen wie den gesellschaftlichen Ausschluss von Erwerbslosen und Obdachlosen; sei es durch sexualisierte Gewalt. Wir wollen eine Stadt, in der Zugang zu Wohnraum sich nicht nach Einkommen, Nachname, Gender oder Herkunft richtet, in der barrierefreie Architektur allen Menschen die Teilhabe am öffentlichen Leben ermöglicht und in der Menschen nicht durch Gentrification aus ihren Vierteln vertrieben werden.

Gerade für München ist es bezeichnend, dass einerseits zehntausende Quadratmeter an Büro- und Gewerbeflächen leerstehen, während andererseits jede_r weiß, wie lange die Wohnungssuche hier dauern kann. Ganz zu schweigen von all denjenigen, die sich die Mieten hier nicht leisten können und ins Umland oder in andere Städte abgedrängt werden.

Kein Mensch kann mit offenen Augen einen Tag durch München gehen, ohne Zeug_in oder Betrof-
fene_r rassistisch-motivierter Personenkontrollen zu werden. Dies ist nur ein Aspekt, wie Rassis-
men sich in und durch Städte äußern. „Geduldete“ Flüchtlinge sind durch rassistische Gesetze in Bayern dazu gezwungen in Lagern zu leben, die oft fernab von Städten und Verkehrsmitteln liegen, sowie katastrophale hygienische und wohnliche Bedingungen aufweisen. An Privatsphäre ist in Gruppenzimmern und mit einem Personal, das sich mit seinen Schlüsseln jederzeit Zutritt ver-
schaffen kann, nicht zu denken. Vielfach sind Bewohner_innen der Lager betroffen von sexuali-
sierter Gewalt von Seiten des Personals vor Ort, was allerdings meist nicht zur Anzeige gebracht wird.

Flüchtlingen ist schlichtweg untersagt, sich selbstständig eine Wohnung zu suchen und — durch die Residenzpflicht — sich frei zu bewegen. Städtische Räume sind also maßgeblich auch durch oft vergessene oder unsichtbar gemachte rassistische Ausschlussmechanismen geprägt.

Auch unkommerzielle Kunst und Kultur hat es in kapitalistischen Städten, allen voran in Mün-
chen, schwer. Dort, wo sie sich nicht in Verwertungs- und Nützlichkeitslogiken integrieren kann oder will, stößt sie auf Widerstand und Repression. Vormals antagonistische/widerständige Kultur und Praxen haben sich dem kapitalistischen Prozess angepasst: sei es durch Clubs, in denen „alter-
native“ Bands 15 Euro Eintritt und das Bier 4 Euro plus Pfand kosten, sei es durch hippe Musik-
szenen, die sich höchst profitabel vermarkten lassen, oder sei es durch Strategien, die StreetArt in einem kapitalistischen Kalkül nutzen wollen. Die Formen unkommerzieller Kunst und Kultur, die sich solch einer Vereinnahmung und Integration entziehen, bleiben als „Ruhestörung“ und „Van-
dalismus“ mit (staatlichen) Repressionsapparaten konfrontiert.

Unser Widerstand richtet sich nicht nur gegen die (Um-)Strukturierungen von kapitalistischen Städten, sondern gegen den Kapitalismus als Ganzes, dem diese Prozesse zu Grunde liegen. Mit unseren vielfältigen Kämpfen für ein schönes, selbstbestimmtes Leben für Alle in der Stadt und überall streben wir eine Kompliz_innenschaft mit anderen, emanzipatorischen und sozialen Kämpfen gegen die kapitalistische, herrschaftsförmige Gesellschaft, in der wir leben, an.

Vielfältig! Kreativ! Bunt! Unkontrollierbar!

Kommt alle zur antikapitalistischen, linksradikalen Abenddemo am 30. April 2011 um 18 Uhr zum Weißenburger-Platz (U/S-Bahn Rosenheimerplatz) in München! Aufrufe, und weitere Infos: le-monde.tk.
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Love Hate City

Wenn wir uns als radikale, antikapitalistische Linke in unseren Kämpfen auf städtische Räume beziehen — sei es indem wir gegen Verdrängungen kämpfen, sei es indem wir uns die Stadt offensiv aneignen — dürfen wir nicht den Fehler machen, die „Stadt“ als Gegenstand unabhängig von historischen gesellschaftlichen Verhältnissen, Ökonomie, Geschlechterordnungen und Politik zu verstehen.

Es gibt nicht die „Stadt“, die jenseits ihrer geschichtlichen gesellschaftlichen Bedingungen vorge-
stellt und kritisiert werden könnte. Städte sind kein neutrales Gebilde, sondern heutzutage tief verflochten mit der kapitalistischen Gesellschaft. Das zeigt sich deutlich, wenn wir uns ihre Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte ansehen. Denn dass weite Teile der Bevölkerung in städtisch geprägten Räumen leben, ist nicht etwas Naturgegebenes, sondern fällt historisch und (wohl) auch kausal mit der Entwicklungsgeschichte des Kapitalismus zusammen.

The Big Bang

Während vorkapitalistische Gesellschaften ökonomisch vor allem durch agrarische Tätigkeiten dominiert wurden und sich die Produktion nicht primär nach dem Austausch von Waren auf dem Markt richtete, kam es mit der Durchsetzung kapitalistischer Produktionsweisen zu einer massiven „Verstädterung“.1 Dieser Prozess war und ist auch heute noch von der teilweise gewaltsamen Tren-
nung der Menschen von ihren (Re)produktionsmitteln — also beispielsweise der Vertreibung von ihren landwirtschaftlichen Nutzflächen und der Durchsetzung von Privateigentum an Grund und Boden — gekennzeichnet. Viele der ehemaligen Bäuer_innen wurden im Zuge dieses Prozesses in die wachsenden und entstehenden Großstädte verdrängt. Dort wurden sie meist unter massiver Gewalt der (staatlichen) Repressionsapparate wie Knäste, Arbeitshäuser, Verfolgung nomadisch-lebender Bevölkerungsgruppen und körperliche Züchtigungen unter das Diktat der entstehenden, modernen Lohnarbeit gezwungen.

Dieser Prozess der so genannten „ursprünglichen Akkumulation“ war auch einer der Ausgangs-
punkte in der Entstehung vieler Widerlichkeiten, die auch heutige, bürgerliche Gesellschaften prägen. Hierzu zählen ausgeklügelte Repressionsapparate wie Polizei, Knast, der moderne Begriff von „Arbeit“ oder die vielfältigen Ressentiments gegen Bevölkerungsgruppen, die sich vermeintlich dem Diktat von Sesshaftigkeit und Lohnarbeit entziehen würden. Letzteres kann mensch insbe-
sondere in antiziganistischen und antisemitischen Stereotypen finden, in denen „Zigeunern“ und „Juden“2 die Fähigkeit zu regelmäßiger, „ehrlicher“, körperlicher Arbeit und zu dauerhafter Sess-
haftigkeit abgesprochen wird. Die „Juden“ wurden dabei als vaterlandslose Kosmopolit_innen, denen die Liebe und Treue zur Heimat fehle, imaginiert. „Zigeuner“ gelten hingegen als Noma-
d_innen, die sich nicht niederlassen und sich der „ehrlichen“ Arbeit entziehen wollten und durch ihr Umherziehen obendrein das Konzept einheitlicher Nationalstaatlichkeit in Zweifel zögen.

Der Prozess, der zur Entstehung und Entwicklung von (modernen) Städten geführt hat, ist nicht einfach zufällig, sondern er weist vielfältige Verbindungslinien und Überkreuzungen zu anderen gesellschaftlichen Vorgängen auf. Nicht nur die Tatsache, dass Menschen in Städte gezogen sind und es immer noch tun, sondern auch die Frage, wie sie diese Städte gestalten, kann nicht unab-
hängig von anderen gesellschaftlichen, sich wechselseitig beeinflussenden und verstärkenden Tendenzen bestimmt werden.

Die gesellschaftlichen Bedingungen zementieren sich in Städten selbst, in ihren Hauptverkehrs-
adern, ihren Gewerbe-, Industrie- und Wohngebieten, in ihrer Architektur. Sie zeigen sich auch
in der Art und Weise, wie Anliegen und Vorstellungen sich durchsetzen können und wer von der sozialen und politischen Teilhabe ausgeschlossen wird, welche Gruppen an den Rand gedrängt, unsichtbar gemacht oder vertrieben werden.

Luxus, aber nicht für alle!

Gerade in München aber auch in anderen Großstädten haben sich Verwertungslogiken und Lei-
stungsimperative in Form von neoliberaler Stadtpolitik festgesetzt, die Menschen nach Nützlich-
keitskalkülen sortiert und dies dann auch gnadenlos durchsetzt. Sei es durch die Privatisierung von Strom- und Wasserversorgung oder den Ausbau von Überwachungsmechanismen – wie die U-
Bahn-Streifen oder die komplette Kameraüberwachung des Innenstadtbereichs. Überall wird versucht die Effizienz zu steigern und „für Sauberkeit, Ordnung und Sicherheit“ zu sorgen. In München führte diese Stadtpolitik zu paradoxen Situationen: Obwohl es bereits einen riesigen Überschuss an Büro-, Gewerbe- und Loftflächen gibt, werden weiterhin Prestigeobjekte wie die Luxuswohnungen im „The Seven“, das „Karolinencarée“ und das „NY-Living“ gebaut, während es für immer mehr Menschen unmöglich wird, einen nur ansatzweise bezahlbaren Wohnraum zu finden.

Die grundsätzliche Vorrangigkeit der Verwertung gegenüber der Verwendung durch ihre Nut-
zer_innen zeigt sich auch in der Umstrukturierung innerstädtischer Viertel durch Gentrification. Diese Aufwertung von Vierteln mit einem günstigerem Mietniveau läuft – anders als so manche Versprechungen glaubhaft machen wollen – nicht darauf hinaus, dass die getätigten Investitionen und die Renovierungen von Wohnraum, Infrastruktur und Gewerbeflächen langfristig den Lebens-
standard der dort lebenden Bevölkerungsgruppen verbessern würde. Diese Prozesse geschehen nicht auf Grund der Wohlgesonnenheit von Immobilieneigentümer_innen oder Stadtregierungen, sondern passieren in Verhältnissen, in denen Immobilien als Privateigentum vorliegen und deren Besitzer_innen durch Konkurrenz nach größtmöglichem Profit streben. Auf der ökonomischen Ebene bedeutet Gentrification, dass Wohnungen und Gewerbeflächen dadurch effizienter ver-
marktet werden können. Dies geht zwangsläufig damit einher, dass sich ärmere Bevölkerungsgrup-
pen das Leben im Viertel über kurz oder lang nicht mehr leisten können und dadurch strukturell zu Gunsten einer zahlungskräftigeren Klientel vertrieben werden.

Dieser Prozess ist allerdings kein reiner Automatismus des Marktes, sondern wird oftmals auch bewusst von verschiedenen sozialen Akteur_innen angestoßen und gesteuert. Gerade die oben erwähnten neoliberalen Stadtpolitiken spielen hier mit ihren Instrumentarien wie der Ausweisung als Sanierungsgebiet oder Quartiersmanagements, aber auch durch sicherheitspolitische Maßnah-
men eine wichtige Rolle. Hinzu kommen oftmals mediale oder (sub-)kulturelle Betätigungen, die durch Trendsetting und veränderte kulturelle Nutzung zur symbolischen Aufwertung beitragen.

Diese zynischen Elemente zeigen sich auch in der Sprache der Gentrification. In diesem Kontext verwendete Begrifflichkeiten wie „städtische Renaissance“, „städtische Wiedergeburt“ oder „urbane Wiederbelebung“ beinhalten die Vorstellung, dass die Räume, in denen Gentrification stattfindet, vor ihrer Aufwertung eben nicht belebt und bewohnt, also quasi „tote“ Räume gewesen wären. Durch diese Bildersprache wird die Existenz ärmerer Bevölkerungsgruppen, die in den Vierteln leben, arbeiten und ihre kulturellen Spuren hinterlassen, komplett geleugnet. In dieser bürgerlichen Sichtweise zieht „das Leben“ erst mit Menschen aus der Mittelklasse in die betrof-
fenen Viertel ein, was die damit einhergehende Verdrängung zusätzlich legitimieren soll.

Der Gegenentwurf einer kritischen Linken hierzu kann allerdings nicht darin bestehen, Armut zu romantisieren oder beschissenen Wohnverhältnisse erhalten zu wollen. Die Auswahl kann eben nicht nur darin bestehen, sich zwischen Verdrängung oder Wohnungen mit undichten Fenstern, Klos auf dem Gang oder Schimmel im Bad zu entscheiden. Vielmehr sollte es uns darum gehen, nicht nur gute Lebensverhältnisse, sondern das schöne Leben für ausnahmslos Alle einzufordern und die Mechanismen, die Gentrification verursachen und ermöglichen, zu kritisieren und dagegen anzukämpfen.

Hermann und das „Dschungelcamp“

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass sich – ganz im Sinne kapitalistischer Verwertungs- und Nützlichkeitslogiken – die meisten Flüchtlingslager nicht in den Großstädten, sondern weit davon entfernt befinden. Ein exemplarisches Beispiel hierfür ist das Flüchtlingslager im bayerischen Böbrach.

Böbrach liegt inmitten des „Naturpark Bayerischer Wald“, also mitten im Nichts. Noch weiter im Nichts, verborgen im tiefen Wald, befindet sich das Lager, zynisch oft auch als „Dschungelcamp“ bezeichnet. In dieser tristen Einöde ist nicht nur der direkte Kontakt zu Menschen außerhalb des Lagers nahezu unmöglich; Telefonanschlüsse existieren dort nicht, der Handyempfang ist schlecht und in dem 1.700 Einwohner_innen-Ort Böbrach finden sich weder Callshops noch Internetcafes.

Durch diese absichtliche Trennung vom sozialen Raum werden den Flüchtlingen sämtliche Mög-
lichkeiten an einer gesellschaftlichen und politischen Teilhabe genommen und sollen, wie der jetzige Bayerische Innenminister Hermann einst bemerkte, „die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern“. Weitere Werkzeuge „zur Förderung der Bereitschaft“ und Verstärkung dieser Isolation sind rassistische Gesetze wie die Residenzpflicht und Arbeitsverbote.

Aber nicht nur in bayerischen Lagern, sondern auch in unserem großstädtischem Alltag werden Menschen, die nicht „typisch deutsch“ aussehen, regelmäßig zum Ziel intensiver Personenkon-
trollen durch die Polizei. Nicht selten werden diese rassistischen und willkürlichen Kontrollen durch die Prävention von „Kriminalität“ und „Terror“ gerechtfertigt. Gerade, aber nicht nur zu Zeiten des Münchner Oktoberfestes, ist es vielen Personen nicht mehr möglich, ihre alltäglichen Wege durch die Innenstadt zu erledigen, ohne dabei intensiv von den Bullen kontrolliert und durchsucht zu werden.

Auch bei der Wohnungssuche werden Migrant_innen kategorisch benachteiligt. So werden Wohnungen oft nicht an Migrant_innen abgegeben, weil die Vermieter_innen rassistische Ressentiments haben. So reichen meist Nachname, Herkunft oder sozialer Status um die Vermietung zu verweigern.

Le monde est à nous!

Wir sind der Meinung, dass sich die Missstände und sozialen Widersprüche, die sich in Städten finden, nicht losgelöst von ihren breiteren, sozialen, politischen und ökonomischen Kontext kri-
tisieren lassen. Wohnungsnot, Vertreibung unerwünschter Gruppen oder rassistische Ausgren-
zungen passieren nicht zufällig. Als Standorte im wortwörtlichen Sinn müssen sich Städte an ökonomischen Dynamiken und Prinzipien orientieren. Solange Wohn- und Lebensraum waren-
förmig organisiert sind, finden die Spielregeln kapitalistischer Konkurrenz auch hier ihren Aus-
druck. Allerdings gibt es sehr reale, auch qualitative Unterschiede von Stadt zu Stadt, die sich nicht einzig aus deren Position innerhalb des Weltmarktes erklären lassen. Rein idealtypisch die ‚Stadt im Kapitalismus‘ auszumachen und kritisieren zu wollen, endet auf kurz oder lang im Nirvana abstrakter Theorien. Es macht einen großen Unterschied, ob wir als Linke in München, New York City oder Lagos kämpfen. Bei der Suche nach der Antwort auf die Frage, wem die Stadt gehört, ist es notwendig, sie auch als einen Ausdruck der jeweiligen historischen, politischen und sozialen Kräfteverhältnisse zu begreifen.

Linksradikale Kritik muss weiter gehen als eine Kritik an verfehlter oder unzulänglicher Stadtpolitik. Sie muss in der Lage sein, Städte als gesellschaftlich gewachsen und geformt
zu begreifen, anzugehen und dabei auf mehreren Ebenen gleichzeitig anzusetzen.

Deshalb versuchen wir mit dieser Demonstration, anderen Aktionen und Veranstaltungen Impulse zu setzen, die soziale Kämpfe und Praxen unterstützen und ausbauen. Wir wählen für unsere poli-
tische Intervention das Terrain „Stadt“, da sich die wirtschaftliche und politische Bedeutung von Städten nicht nur an der Bedeutung des Immobilienmarktes für das Funktionieren des Weltmark-
tes zeigt, die im Zuge der Krise mehr als offen zur Schau getreten ist. Als Zentren von Machtaus-
übung und Verwaltung, Produktionsstandorte und Knotenpunkte der Infrastruktur sind Städte zusammen mit dem allgemeinen Konzept der „Urbanisierung der Gesellschaft“ unabdingbar mit dem reibungslosen Funktionieren des Kapitalismus verbunden und müssen deshalb auch als Orte von Widerstand, Abweichung und nicht normativen Verhaltens- und Lebensweisen verstanden und somit als wichtiges Betätigungsfeld linksradikaler Politik genutzt werden.

In diesem Sinne: Kommt alle zur antikapitalistischen Demonstration am 30. April 2011 um
18.00 Uhr nach München.
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1 Um Missverständnissen vorzubeugen: Keineswegs wollen wir behaupten, alle Arten gesellschaftlicher Widersprüche, Ungleichheitsideologien oder Herrschaftspraxen ließen sich kausal aus der Ökonomie herleiten. Die Komplexität gesellschaftlicher Phänomene erfordert stattdessen ein vielschichtigeres Denken, das unterschiedliche Ebenen und Herangehensweisen von Kritik versucht zu verbinden und nicht einem Zugang die letztendliche Alleinerklärungskraft zubilligt.

2 Diese in Anführungszeichen stehenden Begriffe beschreiben rassistische Projektionen der Mehrheitsgesellschaft, nicht reale Personen. Daher benutzen wir hier auch keine gegenderte Sprache.
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Tanzt, tanzt … (asab_m)

Du läufst die Straße entlang, und die Blicke, die dich treffen, packen dich in Schubladen. Du bist „Frau“, du bist „Mann“, du bist „Deutsch“, du bist „Ausländer“, du bist „schwul“, du bist „lesbisch“, du bist „heterosexuell“, du bist „normal“.

Diese Kategorisierungen erfolgen bei zwischenmenschlichen Interaktionen bewusst und unbewusst. Damit einher gehen Erwartungen an und Vorstellungen von den Rollen, die dir zugewiesen werden.

Die Reaktionen auf eine entsprechende Einordnung können eine ganze Bandbreite abdecken, von freundlichem Verhalten, über Ignorieren, bis hin zu Beschimpfungen, zu An- und Übergriffen.

Aus diesen Einordnungen folgen immer auch Macht- und Hierarchieverhältnisse. Dabei genießen diejenigen, die dem Bild der heterosexuellen, weißen Männlichkeit entsprechen, weitgehende Privilegien. Diese Verhältnisse produzieren Benachteiligungen und massive Ausschlüsse von allen, die nicht in dieses Bild passen.

Wir sind alle mit diesen Verhältnissen wie Sexismen und Rassismen tagtäglich konfrontiert und reproduzieren diese auch selbst. Sie sind Teil unserer Persönlichkeiten geworden, so dass wir uns selbst und andere kategorisieren und uns dementsprechend verhalten. Der Bruch mit der zuge-
schriebenen Rolle bedeutet viel zu oft, dass wir Angriffen und Gefahren ausgesetzt sind. Um uns „sicherer zu fühlen“ gehen wir dann zum Beispiel mit Kleidungsstück B anstatt Kleidungsstück A aus dem Haus und planen den längeren Heimweg, um bestimmte Orte umgehen zu können. Wir überlegen dreimal, ob es jetzt „sicher“ ist, die Hand eines geliebten Menschen zu halten.

Dies alles sind Prozesse, die unseren Alltag mal mehr mal weniger bewusst strukturieren.

Wir haben diese Verhältnisse satt, wollen aus ihnen ausbrechen, sie überwinden.

Lasst uns aus der Reihe tanzen und Räume und Möglichkeiten jenseits dieser Verhältnisse schaffen.

Mit der antikapitalistischen Abenddemo am 30.4. nehmen wir uns den Raum dazu.

Bildet Banden! Tanzt aus der Reihe!
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Tanzt, tanz … (aka_muc)

Nach außen gibt sich München als „Weltstadt mit Herz“. Die Fußgängerzone und der Marienplatz als Aushängeschilder präsentieren sich als Shoppingparadies, in dem niemand Angst um seine Handtasche haben muss und in der sich um Ordnung und Sauberkeit stets bemüht wird. Selbst die Straßenmusiker_innen werden gecastet und den Latte Macchiato für 5 Euro in den Cafés scheint sich hier jede_r leisten zu können.

„Weltstadt mit Herz?“ — „Revolution heißt manchmal, Herzen brechen zu müssen!“

Um an diesem Schauspiel teilnehmen zu können, müssen wir unsere Arbeitskraft täglich verkaufen und uns der kapitalistischen Verwertungslogik unterwerfen.

Wieviel unsere Arbeitskraft wert ist, entscheidet auch unser Pass, unser Geschlecht und rassisti-
sche Zuschreibungen. Leben im Kapitalismus bedeutet für jeden Menschen, dass die eigene Exi-
stenz von Arbeit bestimmt ist, das gilt sowohl für die Manager_in als auch für Straßenkehrer_in.

Lebensqualität bedeutet im Kapitalismus über ausreichend Wohlstand zu verfügen, um die jewei-
ligen Bedürfnisse befriedigen zu können. Für die, die es sich leisten können und sich an die Regeln halten, wird die Stadt zum Abenteuerspielplatz, wo nur die Dinge Platz finden, die sich verwerten lassen, und zahlungsunfähiges Publikum nicht willkommen ist.

Durch Sicherheitsdienste, Alkoholverbote in der Öffentlichkeit, Musik in den U-Bahnhöfen3, Überwachungskameras an allen Ecken und rassistische Kontrollen wird die Sauberkeit, die Ordnung und der reibungslose Ablauf des normierten Alltags geschützt. Alles was nicht in das (ästhetische) Bild einer wohlhabenden, sauberen Weltstadt passt oder nicht passen will, wird verdrängt.

Für viele Menschen ist die Stadt Schauplatz des täglichen Kampfes um die eigene Existenz. Auch
in München sind Menschen von Obdachlosigkeit und Armut betroffen. Der Ausschluss von Uner-
wünschten verschärft sich bei prestigeträchtigen Großprojekten wie beispielsweise Olympia 2018. Selbstbestimmte Kunst und Kultur haben es schwer, sich gegen diese Logik zu behaupten und haben die Wahl, sich einzuordnen oder abdrängen zu lassen.

Tanzt, tanzt, vor allem aus der Reihe!

Wir haben keine Lust zu feiern, dass wir Jahrzehnte unseres Lebens unter mehr oder weniger schlechten Bedingungen schuften müssen und gezwungen werden, uns von klein auf in diese Verwertungslogik einzugliedern. Wir tanzen trotzdem aus der Reihe, wo wir nur können. Sei es beim Schwarzfahren in der U-Bahn, beim Blaumachen in Arbeit und Schule, beim Containern und Klauen, bei der Verteidigung selbstverwalteter Freiräume und Kultur. Wir wollen uns von nieman-
dem und nirgendwo in Spaliere, Normen und Hufeisen4 pressen lassen. Wir tanzen aus der Reihe, bis alle tanzen!!!

Stadt für alle!! Alles für alle!!
Le monde est a nous!!
aka_muc
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3 ständige klassische Musik, die dafür sorgen soll, dass Menschen sich nicht länger als bis zur Ankunft der nächsten U-Bahn am Bahnsteig aufhalten oder dort schlafen

4 Extremismustheorie, die linke Inhalte mit rechter Ideologie gleichsetzt
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Aufruf zum „Rote Flora bleibt!“ — Soliblock

In einer Epoche, die nichts mehr ist als eine vulgäre Maskerade mit einem Parfum von Illusionen, schaffen wir uns Nischen in der tristen, grauen, trostlosen Routine unter industriegrauem Himmel. In einer Gegenwart von Zynismus und Verachtung. Gegen den Raub unseres Lebens, zwischen Stress am Morgen und Angst am Abend, schaffen wir uns diese Orte durch Aneignung von leer-
stehenden, brachliegenden Gebäuden und Plätzen. Als Angriff auf diese traurige, immer wieder-
kehrende Normalität von Banken, Shoppingmeilen, Werbeplakaten, Luxus-Lofts, Polizeigebäuden, Bullen, Grenzen …

Die Rote Flora ist solch ein Raum … zur Flucht aus der Einöde, um uns selbst auszuprobieren, zu tanzen, zu lieben, zu lachen und zur Begegnung.

Diese Freiräume bedeuten eine Gefahr für eine Gesellschaft, die sich ein Leben abseits von Herr-
schaft und Arbeit nicht vorstellen kann und möchte. Wir brauchen diese Räume zur Neuordnung und Selbstorganisierung unserer Kräfte, im Kampf gegen die staatliche Repression, damit niemand alleine bleibt.

Wir sind nicht mehr bereit die Normalität zu akzeptieren. Ein Leuchten im Herzen – eine Träne im Auge. Nicht die Häuser sind es an denen wir hängen, sondern es sind die Ideen und Träume , die uns Kraft zur Rebellion geben.

Die Räumung der Liebigstrasse im Februar zeigte, welche Kraft frei wird, wenn Herz, Gedanken und Tag im Einklang sind. Wenn wir unseren Träumen, Wünschen, Hoffnungen nach etwas, dass jenseits der Erziehung, die uns lehrt die Oberflächlichkeit abzufeiern, Ausdruck verleihen. Jenseits der Erfüllung von zugeschriebenen Rollen. Jenseits von Konsum. Jenseits von Langeweile und jenseits der scheinbaren Freiheit, die uns nur die Wahl zwischen verschiedenen Cafes mit 32 verschiedenen Latte-Macchiato-Sorten lässt.

Dieses Jenseits nehmen und erkämpfen wir uns. Egal wieviele Räume uns genommen werden, wir werden uns immer wieder neue holen. Die verlogene Freiheit, die uns geboten wird, werden wir niemals akzeptieren.

Es ist schon längst Zeit die Kraft der Revolte zu entfesseln. Es ist schon längst Zeit, anzufangen, im Kommunismus zu leben. Es ist schon längst Zeit, anzufangen, in der Anarchie zu leben.

Es ist der Traum, der erwacht, wenn der vorhergehende Alptraum endet.

Rote-Flora-Bleibt-Soliblock auf der „Stadt für Alle — Alles für Alle“ Demo am 30. April in München um 18 Uhr am Weißenburger Platz.

Rote Flora bleibt
Für die Wiederaneignung unseres Lebens
Le monde est à nous
Squat the World
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Der Demo fährt ein Polizeiwagen voran. Auf seinem Display steht „Veran-“,
„staltung“, „Veran-“, „staltung“, „Veran-“…


Die Polizeieskorte schaut gelangweilt, mißtrauisch, verbissen, genervt,
sauer, argwöhnisch, allzeit bereit …


Der Konvoi der Fahrzeuge im Anschluss an die Demo unterstreicht die
Gefährlichkeit der etwa zweihundertfünfzig Demonstrantinnen und Demonstranten.


Auf dem Gärtnerplatz, Ziel der Demo, sitzen und tanzen wir, auch hier aufs
Genaueste beobachtet, behütet, bewacht …
Fotos: Franz Gans.


Foto: Andrea-Naica-Loebell.

Überraschung

Jahr: 2011
Bereich: Alternative Szene