Materialien 1960

Parolen

„Achtung! Ich melde Herrn Oberst a.D.: Acht Schriftleiter des Titan-Verlages zur Besprechung angetreten! Ein Mann, Stabsredakteur Kürst, auf Sonderurlaub! Roman ,Hexenküche der Sanitätsgefreiten’ zu Ende schreiben.“

„Danke, meine Herren, setzen! Hab’ Sie kommen lassen, um neue Marschroute für unser
Verlagsprogramm zu besprechen.

Die Lage: Es ist unseren Gegnern gelungen, gegen unsere Serie ,So war der Krieg’ eine
einstweilige Verfügung zu erwirken! Argument: Jugendgefährdung, da, ich zitiere, der Krieg in direkt oder indirekt lobender Tendenz verherrlicht wird. Sind völlig uninformiert, die Knaben, von Verlagsethik natürlich nicht den blassesten Dunst. Schweinerei, haben wohl vergessen, dass unser verlegerisches Anliegen einem echten Volksbedürfnis abhilft, ist ja Quatsch von wegen Massierungseffekt, Ästhetik, äh, Kommando zurück, Ethik des Krieges. War’n doch dabei, sind doch keine Philosophen …

Weiter zur Lage: a) Aktive Unterstützung durch unsere Leserschaft, hab’ ja gewusst, b) ich gebe deshalb folgenden Entschluss bekannt: Parole: Weitermachen! Wir begegnen diesem neuen Dolchstoß in den Rücken deutschen Soldatentums zunächst mit hinhaltendem Widerstand und werden aus einer Auffangstellung zum massiven Gegenschlag ausholen. Zu diesem Zweck gebe ich folgende Anweisungen:

Ab sofort, Krause, übernehmen Sie in jedes Heft Vorwort mit Inhalt wie folgt: Wir leben in Demokratie, natürlich gut, Krieg schlecht, wir zeigen nur wie schlecht. Nicht schlecht der Plan, was? Weiter: Rote Gefahr, gelbe auch usw.

Dr. Wegner, Manuskripte überarbeiten, betrifft Drittes Reich! Klar, Hitler kein militärischer Könner. Sie wissen ja, Doktor, neulich drüber gesprochen. – Was ist denn mit Ihnen, Echmann? Ach so, ja, es kann geraucht werden.

Weiter: Richter, stilistisch alles ausrotten, wie Ami – angstverzerrte Fresse, Hosen voll, Itaker – Makkaronifresser, Tangoarmee. Kurz nebenbei: Kennen noch nicht den Witz? Ein Schritt vor und zwei Schritt zurück. Kolossal, was? Also: Was in NATO ist, kann ja schließlich auch was. Na, ich könnte Bände erzählen, damals Ardennenoffensive, aber wir haben ja eine Verantwortung gegenüber dem Volk. Nicht vergessen Bolschewismus, Terror, GPU, Katyn!

Hübner, darauf achten, in jedem Heft nur dreimal deutlich beschreiben, wie einer draufgeht. Klar, ein Deutscher, zwei andere, und außerdem besaufen sich die Deutschen nicht immer und brüllen nicht herum, verstanden? Liebe und so was Fehlanzeige, sonst kommen die uns etwa noch mal mit Jugendgefährdung, Ich weiß, Hübner, Sie sind nicht ohne, muss aber auch mal ohne Frauen gehen. Wär’ ja gelacht, haben ja auch in der Gefangenschaft ohne Weiber gelebt.

Echmann, setzen Sie sich vernünftig hin, wenn ich mit Ihnen spreche! Auftrag für Sie: In den Heften keine Waffen-SS mehr, bisschen für 20. Juli. Vielleicht noch jedes mal ein Offizier als nicht erkannter Jude, Ritterkreuz, prima Kerl. Aber glaubhaft … übrigens, Echmann, bei Gelegenheit nehmen Sie mal Ihren Schnurrbart ab, und Haare aus dem Gesicht kämmen! So wie jetzt können Sie in Argentinien herumlaufen.

Bremer, alles etwas politisch auffrisieren! Beispiel: Wehrmachtspfarrer schneidige Kerle und paar ansprechende Feldwebeltypen als verkappte Sozialdemokraten. Aber ganz demokratisch! – So, und jetzt letzter Punkt: Reserveübung bei der … na, wie heißt denn noch die neue Wehrmacht? Also, ist nicht drin! Kein Sonderurlaub, sind Ihre Privatinteressen! Wir setzen ja hier dem deutschen Soldaten ein großes Denkmal, und Sie kämpfen hier gegen den Bolschewismus als echte deutsche Männer. Brauchen keine ,innere Führung’ und so was.

Noch Fragen? Ja? Kommen Sie später! Also alles klar. Haben uns doch ganz gut in die Demokratie eingelebt. Bitte, bleiben Sie sitzen, weitermachen!“

Harro Bierzunski
___

Simplicissimus 43 vom 22. Oktober 1960, 685.

Überraschung

Jahr: 1960
Bereich: Nazis