Materialien 1976

Massenentlassungen bei Krauss-Maffei - DKP wirbt für Mitbestimmung!

München, 29.3. (Korrespondentenbericht): Während die Kollegen in einigen Abteilungen 60 und mehr Stunden schuften, arbeiten andere schon seit Anfang des Jahres nur noch drei Tage die Woche. Ab 1977 läuft bei Krauss-Maffei die Produktion des Kampfpanzer ,Leopard II’ an, und dafür wird der Betrieb jetzt ,umstrukturiert’! Bis Ende des Jahres werden zu den über 500 bereits entlassenen Kollegen weitere 800 auf die Straße fliegen, und zwar in erster Linie die ganz Jungen (von 55 ausgelernten Lehrlingen flogen 35!!) und die ganz Alten, die teilweise mehr als 25 Jahre ihre Arbeitskraft an die Kapitalisten von KM verkauft haben (mit 59 Jahren werden sie entlassen, müssen dann ein Jahr stempeln gehen, dann ,vorzeitig’ in Rente, mit entsprechender Rentenminderung – das ist die bewährte Methode der Kapitalisten!). Die verbleibenden Kollegen müssen dann umso mehr und schneller schaffen, um den Bossen des Flickkonzerns die bis 1978 erwartete Umsatzsteigerung um das 1½fache herauszuarbeiten!

In dieser Situation zeigte die DKP-Betriebsgruppe von KM den Film „Grüße aus Neckarsulm“ (siehe ROTE FAHNE 5/76!). Die Veranstalter wollten den Kollegen von KM (die leider nicht da waren, wir waren nämlich die einzigen Gäste!) zeigen, dass es notwendig und möglich ist, gegen die ,Unternehmerwillkür’, die bei Audi wie bei KM zu den Massenentlassungen geführt haben soll, zu kämpfen.

„Der Kampf ist das einzige Mittel, um sich gegen die Bosse zu wehren.“ — Das fanden wir auch richtig, dass man die Kollegen zum Kampf erziehen muss — aber, als es dann um die Klärung der Frage ging, wofür man kämpfen solle, also um das Kampfziel, waren wir doch einigermaßen verblüfft!!! Nicht eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich und ein Überstundenstopp wurde als Kampfziel gegen Kurzarbeit und Entlassungen propagiert, sondern — mehr Mitbestimmung! (d.h. die paritätische!).

Mit Hilfe der Mitbestimmung, so argumentierten die DKPler, hätte man erreichen können, dass statt der Panzer neue Schnellverkehrssysteme gebaut werden (also Projekte, die der Bund schon seit Jahren abgeblasen hatte, weil sie erstens zu teuer und zweitens eine unliebsame Konkurrenz zu dem Profitinteresse der Autoindustrie darstellen!!!). Sie gingen sogar soweit, die Eroberung des Aufsichtsratsvorstandes zu propagieren; damit man über ein solchermaßen abgesichertes Mehrheitsvotum im Aufsichtsrat die Arbeitsplätze sicherer machen könne! Wir trauten unseren Ohren kaum!

Als wir ihnen dann widersprachen und ihnen klar zu machen versuchten, dass im Kapitalismus nach dem Gesetz der Konkurrenz produziert wird, und dass von daher auch ein mitbestimmter Aufsichtsrat diesem Gesetz unterläge, und die Kollegen mehr und schneller schaffen lassen müsse, wurden sie schon etwas nervös. Sie beeilten sich, uns zu versichern, dass sie ja nur da reingingen, um Informationen rauszuholen, weil man dadurch eine bessere Kampfposition hätte, dass das Entscheidende ja schon der Kampf der Arbeiterklasse sei; aber heute sei eben das Bewusstsein der Kollegen noch nicht soweit entwickelt, und man müsse deshalb in die Institutionen gehen, an die die Arbeiter glaubten, nämlich Mitbestimmung und Parlament …!

Kurz: sie verstrickten sich immer mehr in den Opportunismus, wanden sich wie die Aale und drückten sich immer mehr vor einer klaren Aussage. Wir wussten, dass sie keine von den oberen Funktionären der DKP waren, die hier sicher massiver in die Diskussion gehämmert hätten, aber wir wussten auch, dass diese Leute nicht die Kommunisten sind, die prinzipienfest und nur das Klasseninteresse der Arbeiter im Auge, zukünftigen Kämpfen der Arbeiterklasse die Richtung weisen werden …


Rote Fahne. Zentralorgan des Kommunistischen Arbeiterbundes Deutschlands — KABD 8 vom 15. April 1976, 5.

Überraschung

Jahr: 1976
Bereich: Gewerkschaften