Materialien 1968
Mein Mann liebt die Wirtschaft ...
Stehausschank und dergleichen, das ist eigentlich der Hauptgrund, warum ich mir sag: »Das seh ich nicht ein, dass ich in die Arbeit geh, und der macht sich Vergnügen.« Ich meine, das kostet ja auch Geld, so was, und dann ist es so, ein Mann ist nicht immer schön, wenn er so heimkommt, ne, und wenn man das mal 1 Jahre mitmacht, dann ist es einfach eines Tages aus. Ich war dann auf Funktionärsversammlungen, bin manchmal doch 2 Abende in der Woche weggewesen, und dann hat es immer geheißen: »Ja, du gehst weg!« Dann hab ich gesagt: ,>Das ist doch zu mindestens was andres, als wenn du in die Wirtschaft …« »Ja, wenn du weggehst, kann ich auch weggehn!« Er war dagegen, dass ich wegging. Mein Mann ist gute 10 Jahre älter, war vielleicht die Eifersucht dabei, ich meine, man kommt ja mit sehr vielen Männern zusammen, und ich bin an sich ein lustiger Kerl und mache gern Spaß und kann mich unterhalten und alles, und das hat vielleicht schon ein bißl was ausgemacht, das Ganze.
Und dann hab ich natürlich auch gesagt: »Wer A sagt, muss B sagen, ich muss mich informieren!« Dann hab ich Kurse nebenbei gemacht, also Zeitstudien. Wenn die Refa-Männer ihre Zeitaufnahme machen, und man weiß da nicht Bescheid, man kann ja das gar nicht ablesen, man muss das glauben. Dagegen, wenn man selber mal eine gemacht hat oder einen Einblick hat, dann kann man nachrechnen oder sagen: »Moment mal, geben Sie mir mal so eine Zeitaufnahme, ich schau mal nach.« Oder mit den Leistungsgraden, also Leistungsgrad ist die Bemessung, wie der Mensch arbeitet, schnell arbeitet oder langsam arbeitet. Und es ist ja meistens so, dass die Herren die Leistungsgrade so einsetzen, dass sie auf ihre Zeit hinkommen, die vorkalkuliert ist. Und wenn man das abzuschätzen weiß, sagt man: »Das ist doch 120 und nicht 110.« Wie gesagt, da bin ich ein halbes Jahr dann weggewesen, einmal in der Woche, immer donnerstags. Manchmal hat mein Mann schon gesagt: »Ja, heirat doch deine Gewerkschaft!« Ich meine, das ist schlimm, aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran, und man weiß ja, was man antworten soll.
Wenn Diskussionen waren, und wenn ich mehr gewusst hab, ich meine, das ist natürlich schlecht für einen Mann. Aber wenn er auch schon über 40 ist, deswegen ist er doch nicht so verkalkt, dass er sagt: »Ja, ich interessier mich nicht.« Aber da ist einfach nix zu machen gewesen. Und ich finde, in 10 Jahren wird das noch viel schlimmer. Er muss auch wissen, wenn man eine Frau hat, die ist nicht bloß zum Arbeiten da und abends zum, zum.. ., nein, ich find das nicht richtig. Man kann nicht eine Frau heiraten und dann einfach sagen: »Gut, ich geh meine Wege und fertig, aus.« Ich hab wirklich versucht, hab gedacht: Na, jetzt wenn du 4 Wochen weg bist, wird das wieder besser. Aber, sagenhaft, die Schwiegermutter hat mir sogar die Erholung vorgeworfen! »Ja, also, welche Frau kann sich schon leisten, dass sie 4 Wochen auf Erholung fahren kann!« Sag ich: »So, und wer wirft mir vor, dass ich 14 Jahr ins Kamera-Werk gegangen bin?« Ich hab an sich mit dem Herz ein bißl Schwierigkeiten und nervöse Kreislaufstörungen und so. Und dann haben die mir die Mandeln raus genommen und Blinddarm und alles mögliche. Der Arzt sagt: »Das ist natürlich auch seelisch bedingt durch die ganzen Spannungen.« Man ist halt immer unruhig, man weiß ja nicht, kommt er heim, kommt er nicht heim? Und dann hat mein Mann immer so richtig hysterische Anfälle gehabt, da hat er zu schreien angefangen und ist dann auch tätlich geworden, und das war mir natürlich zuviel. Dann bin ich zum Rechtsanwalt. Und am gleichen Tag abends hat mein Mann sich so aufgeführt und hat mich raus geworfen aus der Wohnung, ich musste die Funkstreife holen und so alles. Und dann war natürlich für mich das der Rest, dann war ich blau gehaun und weiß Gott alles, bin dann zum Arzt, hab mir gleich ein Attest schreiben lassen. Wir haben 4 Termine jetzt gehabt, weil er sich natürlich wehrt, er will sich vor allem nicht schuldig scheiden lassen. Ich hab gesagt: »Gut, machen wir halbhalb.« Dann hat aber der Anwalt gesagt: »Seien Sie vorsichtig, erstens mit dem Sorgerecht fürs Kind, dann mit der Wohnung und mit allem. Und so wie die Dinge liegen, laufen Sie nicht schlecht, wenn Sie eben keine Schuld auf sich nehmen.« »Gut.« Und das war der Anwalt, wo ich das 1. Mal schon war. Hat er gesagt: »Wir haben den ersten geschafft, da schaffen wir auch den zweiten.« Das ist ein ganz gewandter Mann.
… Ich finde, dass unser Staat da dermaßen rückständig ist, also das ist ja unwahrscheinlich. Um die Grundzüge ist es bei uns so schlecht bestellt, ob das Horte sind oder Kindergärten. Und ich hab mich da vor Jahren mal so aufgeregt über die Festansprache von, von unserm Herrn Lübke da. Hat er gesagt über die Jugendkriminalität, es wäre halt besser, wenn die Frauen zu Hause blieben …, also ich bin aufgestanden, hab den Fernseher ausgemacht, weil, ich hätte sonst … Mein Mann hat gesagt: »Reg dich doch net so auf.« Sag ich: »überleg doch nur, Heinz, was der gesagt hat: Wir sollen zu Hause bleiben, damit angeblich die Jugend besser erzogen wird! Auf der andern Seite stecken sie jahrelang von uns Steuern, alles, ein, und wer profitiert denn davon?« Man kann eigentlich sehr wenig darüber reden über solche Probleme mit den Frauen. So durch die »Bildzeitung«, man urteilt zu schnell, sagt: »Mein Gott, die hat jetzt das Kind umgebracht, oder der Mann hat das Kind so geschlagen, und die Eltern haben sich gegenseitig verprügelt oder so«, aber was wirklich dahintersteht, dass die jahrelang bloß ein Zimmer haben, dass keiner für sich mal eine Stunde allein ist, das muss man sich mal vorstellen!
Ich hab an sich immer mit der SPD sympathisiert, aber die sind alle zu nachgiebig. Ich meine, sicher die SPD ist Arbeiterpartei, sagt man, aber inzwischen haben sich die ja wirklich so geändert, dass man da nimmer allzuviel erwarten kann. Grad die sozialen Probleme, auch mit den Schulbüchern und so. Da sagt man jetzt, wenn man nur ein Kind hat, muss man die Schulbücher selber kaufen. Das finde ich nicht richtig, ich meine, die Schule ist doch so wichtig für den ganzen Staat. Die Bücher, das muss doch vom Staat gestellt werden, aber der Staat will ja ich Grund genommen dumme Menschen, weil ers dann leichter hat, er hat doch leichteres Machen. Das hat man ja bei der Notstandsgesetzgebung jetzt gesehn. Also, das ist mir auch zum Vorwurf gemacht worden von meinem Mann, dass ich da am Karlsplatz demonstriert hab, anstatt mich um die Kinder zu kümmern …
Brigitte L.
Erika Runge, Frauen. Versuche zur Emanzipation, Frankfurt am Main 1972, 78 ff.