Materialien 1986
Mütter gegen Atomkraft
— eine spontan entstandene Organisation nach Tschernobyl
Wie war das in der ersten Woche nach dem Unfall von Tschernobyl? Unsicherheit, Verwirrung, Wut und die nackte Angst packte uns alle, nachdem wir von radioaktivem Regen und verstrahltem Boden hörten. An den Eingangstüren der Häuser richtete man Schleusen ein, die Kinder bekamen Gartenverbot. Wir fühlten uns ohnmächtig und begriffen zum erstenmal die unmittelbaren Folgen eines „GAU’s“.
Lassen Sie uns diese Angst nie vergessen! Es war die notwendige Warnung, um aus dem Wahn mit der Kernenergie wieder herauszukommen. So, wie die Angst uns aufgerüttelt hat, wollen wir jetzt alle verantwortungsbewussten Menschen aufrütteln. Wir bitten alle mitzuhelfen, unseren Folgege-
nerationen eine lebenswerte Erde ohne Bedrohung durch Kernenergie zu erhalten. Naiv wäre es, sich darauf zu verlassen, dass vielleicht die nächste oder übernächste Generation Möglichkeiten erfinden könnte, den radioaktiven Stoffen Herr zu werden. Zumindest dürfen wir ihnen den Müll nicht einfach achselzuckend hinterlassen, ohne sie gefragt zu haben.
Ein kleines Rechenbeispiel:
Alle, auch die Befürworter der Kernenergie sprechen davon, dass wir mit der Kernkraft eine „Ener-
gielücke“ von wenigen Jahrzehnten schließen. Mit unserer „Energielücke“ werden – in Folge der Halbwertszeit von Plutonium – noch mindestens 7.000 (siebentausend) Generationen zu tun ha-
ben. Seit Jesus von Nazareth sind etwa 80 Generationen vergangen, die Elektrizität nutzen wir seit 3 (drei) Generationen. Wenn die Steinzeitmenschen Plutonium produziert hätten, wären immerhin schon 400 der 7.000 Generationen vergangen …
Wir entflohen am Muttertag der Ohnmacht, indem wir uns mit 1.000 anderen Betroffenen auf dem Münchener Marienplatz trafen und dort unsere verseuchten Blumensträuße auf dem Pflaster zum Strahlenzeichen auslegten. Die Aktion kam Dank großer Resonanz im gesamten Bundesgebiet ins Rollen. Es ist wie eine Lawine, die jeden erfasst.
Wir möchten möglichst viele aktivieren und haben deshalb den Verein „Mütter gegen Atomkraft“ gegründet, der zum Ziel hat, den Ausstieg aus der Atomenergie-Nutzung zu erreichen. Wir wollen erreichen, dass weitere Kernkraftwerke und Wiederaufbereitungsanlagen weder geplant noch (fertig-)gebaut werden und die bestehenden Kernkraftwerke so schnell wie möglich abgeschaltet werden.
Zusammen geben wir unserer Betroffenheit mehr Ausdruck, und damit mehr Gewicht und Wir-
kung. Die Verantwortlichen müssen merken, dass weite Kreise der Bevölkerung nicht bereit sind, die Risiken der Kernenergie in Kauf zu nehmen. Deshalb sammeln wir überall Unterschriften ge-
gen weitere Kernkraftplanungen und für einen schnellen Ausstieg. Wir organisieren gemeinsam Aktionen, die wir mit entsprechenden Aktionen bei uns und im Ausland koordinieren.
Wir informieren über
☼ die Folgen des Tschernobyl-Unfalls. Dazu geben wir praktische Hilfen, z.B. für die Versorgung mit strahlungsfreien Lebensmitteln, Statistiken, etc.
☼ die Sicherheitsrisiken bestehender und geplanter Kernkraftwerke und Wiederaufbereitungsan-
lagen, die Probleme der Entsorgung.
☼ Energieeinsparungen im Alltag
☼ Möglichkeiten alternativer Energieversorgung.
ES GIBT VIEL ZU TUN!
HELFEN SIE MIT!
Mütter gegen Atomkraft e.V.
Postfach 22
8021 Icking
Spendenkonto: Nr. 734707, BLZ 700 540 80, Kreissparkasse Starnberg, c/o M. Voss
verantwortlich: Gaby Rebling Tel. 08151/13842, ab 1.7.: 089/348232
Material Cornelia Blomeyer