Materialien 1987

Auf die Straße!

Ich möchte etwas dazu sagen, was sich im Vorfeld der Bundestagswahlen nicht nur in Bayern, aber insbesondere in Bayern gerade abspielt und was in zweierlei Hinsicht für uns wichtig ist.

Vor 2 Wochen hat an der Fachhochschule München der erste Polizeieinsatz seit 10 Jahren stattgefunden. Wie Ihr vielleicht wisst, hatte bis zum Sommersemester dieses Jahres dort ein gewisser Freundl einen Lehrauftrag, den er dazu nutzte, um GEGEN das südafrikanische Volk, FÜR das Rassistenregime Propaganda zu treiben. Die FH-Studenten führten einen Kampf dagegen — und zwar erfolgreich: Dr. Freundl mußte gehen!

Im Wintersemester hat nun der Dekan des betreffenden Fachbereichs — dem diese Niederlage offenbar fürchterlich gestunken hat — versucht, den Rassismus durch die Hintertür wieder einzuführen. Er setzte an den Vortrag eines Herrn Festl über Südafrika mit dem Thema: „UNPOLITISCHE BETRACHTUNGEN ÜBER EIN WUNDERSCHÖNES LAND!“

Nun, die Studenten gingen hin und brachten zum Ausdruck, das sie selbstverständlich auch das nicht hinnehmen, dass an einer demokratischen Hochschule nur eines Platz haben darf: Aufklärung über die Verbrechen des Rassismus und Organisierung der Solidarität mit seinen Opfern. Unter der Fahne der „akademischen Freiheit“ hat der Dekan die Polizei geholt und ihr den Auftrag gegeben, alle Apartheidsgegner gewaltsam zu entfernen.

Über das Verbot des Anti-WAA-Kongresses in Regensburg habt Ihr sicher alle in der Zeitung gelesen oder es selber miterlebt. Die Rechtsbrüche, die dabei während der nachfolgenden Verbote und dem regelrechten Belagerungszustand, der über die Stadt verhängt wurde, insbesondere von der Polizei begangen worden sind, gehen ins tausendfache. Nur eins sei dazu noch erwähnt: dass ältere Regensburger Bürger angesichts diese Zustands z.B. auf dem dortigen Weihnachtsmarkt zueinander sagten: „Das ist ja wie Weihnachten 1933.“

Der eine oder andere von Euch war wahrscheinlich dabei, als die Münchner Polizei — völlig rechtswidrig — am 16. November auf dem Königsplatz und am 30. Nov. auf der Theresienwiese auf Brecht’s Legende vom toten Soldaten losgingen — auf ein Stück, das darstellt, wie ein drittes Mal auf deutschem Boden der Krieg vorbereitet wird.

Kommilitonen, das sind nur 3 vom insgesamt 17 polizeilichen Übergriffen und staatlichen Willkürmaßnahmen in letzten 8 Wochen alleine in München. Sie zeigen, in welchem Ausmaß und mit welchem Tempo uns gerade die elementarsten demokratischen Rechte zertrampelt werden. Mit welcher Entschlossenheit dieser Staat und seine Anhängsel gegen alles Fortschrittliche, alles Demokratische, gegen alles, was ihren Plänen irgendwie im Weg stehen könnte, zu Felde zieht. Und das alarmierendste ist, mit welcher Offenheit die staatlichen Organe sich dabei einen Dreck scheren um bestehende Gesetze, wie sie Schritt für Schritt auf einen Zustand hinarbeiten, in dem selbst der Rest der bürgerlich-demokratischen Rechte außer Kraft gesetzt ist. Das eben ist insbesondere in Bayern der Fall und das ist das Programm, mit dem Strauß und seine CSU nach Bonn wollen.

Kommilitonen, ich habe am Anfang gesagt, dass ich diese Dinge in zweierlei Hinsicht wichtig für uns halte:

1. Wir brauchen die demokratischen Rechte wie die Luft zum Atmen. Wenn wir diese Rechte nicht verteidigen und erweitern, dann wird es immer schwieriger, werden die Bedingungen immer schlechter, unter denen wir für ein besseres Leben kämpfen müssen.

2. Diese Regierung muss weg! Das will wohl jeder hier. Nur — darüber, wie sich das Kräfteverhältnis in diesem Land in Wählerstimmen ausdrücken wird, darüber wird nicht am 25. Januar entschieden, sondern vorher. Das hängt davon ab, wie weit wir, wieweit die demokratische Bewegung noch Stärke zeigen kann. Im Moment ist uns die Reaktion ein ganzes Stück voraus und steht als der Stärkere da. Angst und Stillhalten vor diesen Angriffen schützen uns überhaupt nicht. Wir haben erfahren, dass das einzige, was uns helfen kann, das organisierte Handeln ist: die Studenten an der Fachhochschule haben es geschafft, dass der Polizeieinsatz abgebrochen werden musste und die Polizisten wieder fortgeschickt worden sind — vom Vizepräsidenten. Und weil sie den Zusammenschluss der demokratischen Kräfte an dieser Frage organisiert haben, musste die Hochschulleitung die Anzeigen wegen Hausfriedensbruch, die sie gegen einen Teil der Kommilitonen erstattet hatte, zurückziehen.

Auch Bertolt Brechts „Legende vom toten Soldaten“ konnte in München überhaupt nur deshalb stattfinden, weil ein wochenlanger hartnäckiger Kampf gegen die verschiedenen Verbote geführt wurde und weil die Darsteller und Requisiten dieses Stücks von den Zuschauern so entschlossen vor der Polizei geschützt wurden, dass diese schließlich aufgeben und abziehen musste.

Kommilitonen, am 24. Januar, einen Tag vor der Bundestagswahl, wird in München eine Demonstration stattfinden. Dort müssen alle fortschrittlichen Menschen gemeinsam dem Abbau der Demokratie entgegentreten.

Kommilitonen, die französischen Studenten haben gezeigt, dass sie geeint eine Kraft sind, sie haben der Rechtsregierung einen Sieg abgerungen.

ICH STELLE DEN ANTRAG, dass das höchste beschlussfassende Gremium, die Vollversammlung beschließen möge, dass der Allgemeine Studentenausschuss alles in seiner Kraft stehende unternehmen soll, dieser Demonstration am 24. Januar 1987, einen Tag vor der Wahl, zum vollen Erfolg zu verhelfen.

Wer mithelfen möchte, die Demonstration zu organisieren, Der Brennpunkt Links trifft sich jeden Mittwoch um 19 Uhr, Studentenwerk-Haus, Leopoldstr.15.


Flugblattsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung.

Überraschung

Jahr: 1987
Bereich: StudentInnen