Materialien 1958

Im Namen der vergasten Kinder!

Ich beschuldige den Oberlandesgerichtsrat MUHS in Hamm/Westfalen der Beihilfe zum Totschlag an zwei polnischen Staatsbürgern und der Beihilfe zum Mord an drei deutschen Kindern.

Ich fordere den Oberlandesgerichtsrat Muhs hiermit öffentlich auf, Rechenschaft abzulegen über seine im Namen des deutschen Volkes verübten Verbrechen.

Muhs hat in seiner Eigenschaft als Richter in Radom am 25. Juni 1943 den Badeanstaltsbesitzer Bazyl Antoniak zum Tode verurteilt, weil dieser aus Menschlichkeit zwei Kinder versteckte, die im Ghetto Glinice zur Vergasung bestimmt waren. Muhs hat in seiner Eigenschaft als Richter in Radom am 4. April 1944 den Schlosser Wladyslaw Tycznski zum Tode verurteilt, weil er aus Menschlichkeit ein deutsches Kind versteckte, das im Ghetto Glinice zur Vergasung ausgewählt worden war. Die Gerichte der Bundesrepublik sind im Besitz der Beweise.

Ich beschuldige Muhs, den beiden polnischen Staatsbürgern, aller Auffassung von Menschlichkeit und Humanität zum Hohn, im Prozess die Hilfe des Gerichts verweigert zu haben. Muhs hat das Gesetz zu Lasten der Opfer ausgelegt. Muhs hat jede Gnade ohne Grund verweigert. Ich beschuldige Muhs, drei Kinder den Gaskammern ausgeliefert zu haben und fordere Gerechtigkeit und Sühne für drei Kinder, die verbrannt wurden. Ich klage Muhs an, der die Robe eines Richters der Bundesrepublik trägt. Ich verweigere Muhs, sich zur Entschuldigung seiner Blutschuld auf Gesetz und Zwang zu berufen. Im Namen aller, die sich nicht diesem Zwang gebeugt haben.

Ein Muhs fällt heute wieder Urteile im Namen des deutschen Volkes. Das Gesetz ist erniedrigt, das Recht gebeugt und die Gerechtigkeit besudelt.

Ich fordere Muhs auf, sich zu verantworten.

Gert Ledig


Die Kultur, München, vom 15. März 1958, zit. in Widerstandskämpfer klagen an. Denkschrift zum Antrag der Bundesregierung gegen die Vereinigungen der Verfolgten des Naziregimes (VVN) beim Bundesverwaltungsgericht, Frankfurt am Main o.J. (1960), 23.