Materialien 1964

Braune Universität

Professor Dr. Ludwig Marcuse, der im Dritten Reich als Jude emigrieren und sich seit seiner Rückkehr nach neuen betrüblichen Erfahrungen an alte Erfahrungen erinnern musste, stellte die Frage: „Wie weit ähneln die Universitäten heute jenen Weimaranern, deren Mentalität erst in den Dreissigern ganz offenbar wurde?“1 Tatsächlich liegt das Dilemma unserer Universitäten, Hoch-
schulen und Akademien, die nach dem Sieg der Alliierten wieder eröffnet und in eine neue Freiheit entlassen wurden, darin, dass statt einer Neubesinnung eine Rückbesinnung und Rückwertung eingetreten ist. Die nazistische Entgleisung des akademischen Lebens glaubte man beheben zu können, indem man das Hochschul-Vehikel auf jenes traditionelle Geleise zurückstellte, das auf direktem Weg vom idealistischen Bildungsideal des 19. Jahrhunderts in die Katastrophe geführt hatte. Eine reaktionäre Weltsicht, die Anno dazumal den Geist Kants und Hegels im Namen des deutschen Vaterlandes mit Phrasen erstickte, herrscht auch heute noch auf vielen Wissensgebieten vor. Die nach 1945 erhoffte Hochschul-Revolution fand nicht statt.

Kein Wunder also, dass die Frage nach dem Einfluss der deutschen Universitäten auf die Mei-
nungsbildung und nach dem Einfluss der deutschen Methode der Wissenschaftslehre auf die Denkfähigkeit ihrer Zöglinge kaum gestellt geschweige denn beantwortet wurde: Die begeisterte Akklamation, die die deutsche Intelligenz Hitler und dem Nationalsozialismus bereitete, erklärt sich nicht zuletzt aus einer akademisch gepflegten Geisteshaltung, die Realitäten von Mensch und Geschichte einer irrationalen Willkür ausgeliefert hat und heute noch ausliefert. Sehen wir uns um: Eine Diskussion über den damaligen Wandel zur „Braunen Universität“ ist bisher ängstlich ver-
mieden worden. Eine Reform von Lehre, Studium und Hochschulpolitik ist den traditionellen Vorurteilen derjenigen, die zur pfleglichen Bewahrung des Hergebrachten tendieren, geopfert worden. Eine Berufung von jüngeren emigrierten Wissenschaftlern, die frischen Wind in die un-
gelüfteten Hörsäle bringen könnten, ist versäumt, wenn nicht hintertrieben worden, während man es mit honoriger Zurückhaltung zuließ, dass belastete Hochschullehrer ihre Lehrtätigkeit erneut ausüben durften.

Heute sagt man, dass die anfänglich strengen Grundsätze der Entnazifizierung wegen der unter-
schiedlichen Praxis in den verschiedenen Besatzungszonen nicht aufrechterhalten werden konn-
ten, zumal nach einem Erlass des Bundesgesetzes zu Artikel 131 GG vom 13.Mai 1951 etlichen früheren Hochschullehrern Rechtsansprüche auf Wiederverwendung zugestanden wurden, wäh-
rend bei anderen die Kultusministerien der Länder eine Wiederverwendung oder Emeritierung mit Rücksicht auf die finanziellen Ausgleichsansprüche des genannten Gesetzes nahegelegt hatten. Na-
türlich mochte es schwierig sein, die verbohrten Verfechter des nationalsozialistischen Unrechts-
staates von den harmloseren „Mitläufern“ zu unterscheiden, und es sei zugegeben, dass im akade-
mischen Leben die rabiaten Hitlerianer ebenso selten waren wie die mutigen Widerstandsdenker und -kämpfer vom Format eines Professor Kurt Huber, der seine Gesinnung mit dem Leben bezahlen musste.

Die Frage ist aber doch, ob Akademiker, die über das braune Regime nicht ohne Makel hinwegka-
men und gegen politische Irrtümer nicht gefeit waren, auch heute noch als geistige Autoritäten und Lehrer unserer Jugend vertretbar sind. Zum Fall Martin Heidegger, der im November 1933 als Rektor der Universität Freiburg vor seinen Studenten erklärt hatte: „Nicht Lehrsätze und Ideen seien die Regeln eures Seins! Der Führer selbst und allein ist die heutige und künftige deutsche Wirklichkeit und ihr Gesetz …“ – bemerkte Ludwig Marcuse: „Mir – einem alten, nicht einzu-
schüchternden Bewunderer Heideggers — scheint: man dürfe ihn selbst dann nicht lehren lassen, wenn man die Garantie hätte, dass er nicht mehr einen einzigen Tropfen nazistischer Propaganda verspritzen würde. Er darf nicht lehren, weil er ein berüchtigtes, unvergessenes Exempel ist für die moralische Misere der deutschen Intellektuellen.“2

Während Heidegger 1952 emeritiert wurde und sich in seinen metaphysischen Elfenbeinturm zurückzog, finden wir an unseren Universitäten, Hochschulen und Akademien nicht nur vereinzelt, sondern recht zahlreich Professoren aller Wissensgebiete, die gestern mehr oder weniger laut die nationalsozialistische Trommel gerührt haben und heute so tun, als wäre nichts gewesen. Da die meisten von ihnen nicht den Mut aufbringen, sich von ihren demokratiefeindlichen Publikationen während der Nazizeit zu distanzieren und analytisch – wie es sich für einen Wissenschaftler ge-
hörte – zu klären, warum sie sich geirrt haben und was man daraus zu lernen hätte, wächst der Verdacht, dass sie ihre Vergangenheit keineswegs zu bewältigen wussten. Verschweigen, Verschlei-
ern der Tatbestände und krampfhafte Rechtfertigungsversuche sind dazu angetan, den allgemei-
nen Zynismus zu vermehren. Nur zwei Beispiele …

Anthropologen gestern und heute: Professor Karl Saller, der bekannte Münchner Anthropologe, schilderte in seinem Buch „Rassenlehre des Nationalsozialismus“ (1961), wie er darauf wartete, „dass vielleicht doch einer der Anthropologen des Dritten Reiches, die in wachsender Zahl in ihre Ämter zurückkehrten, den Weg zu einem Bekenntnis und zu einer Berichtigung in der Öffentlich-
keit finden würde.“ Saller wartete vergebens: „Ich bin heute leider der einzige Anthropologe auf einem deutschen Universitätslehrstuhl, der während der Herrschaft des Nationalsozialismus in Opposition stand und der aus dieser Opposition auch die Konsequenz zog.“ –

Rechtslehrer gestern und heute: Etliche von ihnen verstanden es, ihre faschistische Vergangenheit zu verschleiern, indem sie jene Streitereien zwischen verschiedenen Rechtsschulen, die es vor und um 1933 gab und die im Dritten Reich fortgesetzt wurden, zu einer grundsätzlichen Gegnerschaft zum Nationalsozialismus umdeuteten. In Wirklichkeit diente der Streit der Rechtsschulen nur dem Ziel, Mittel und Wege zur Festigung der NS-Herrschaft zu finden.

Es sind Beispiele von vielen, ebenso wie vorliegende Zusammenstellung belasteter Hochschulleh-
rer, die heute wieder wohlbestallte Professoren und Persönlichkeiten unseres geistigen Lebens sind, Beispiele von vielen enthält. Der ersten Zusammenstellung werden weitere folgen … Dabei ist es nicht das Ziel der Dokumentation, die als erschreckende Zitatensammlung die geistige Perver-
sion unter der braunen Diktatur offenbart, ein pauschales Verdammungsurteil zu fällen, sondern die in den letzten Monaten in Studentenkreisen (vor allem von den Studentenzeitungen „notizen“ in Tübingen und „5 vor 12“ in Marburg) provozierte Diskussion in die Öffentlichkeit zu tragen. In Marburg und Tübingen ist es den Studenten erstmals gelungen, eine Stellungnahme der Professo-
ren zum Thema „Braune Universität“ zu erzwingen: In Marburg fand in diesem Jahr eine Podiums-
diskussion zwischen Professoren der verschiedenen Fakultäten über das Verhalten der Universitä-
ten im Dritten Reich statt. Und in Tübingen schlossen sich unbelastete Mitglieder des Lehrkörpers zu einer Ringvorlesung zusammen, in der (Wintersemester 1964/65) die Rolle der Universität und der Universitätsdisziplin in der nationalsozialistischen Zeit wissenschaftlich behandelt wird. Ein hoffnungsvoller Anfang …

Doch ist die Forderung, dass sich die deutschen Hochschulen den Zweifeln an ihrem Verhalten im Dritten Reich nicht verschließen und in kritischer Selbstbetrachtung Maßstäbe suchen, die Ver-
ständnis und Überwindung ihres damaligen Versagens ermöglichen, keine Privatsache der Akade-
miker. Es geht uns alle an. So sollte an die Hochschulorgane, Universitätssenate, an den Wissen-
schaftsrat und an die Kultusministerien der Länder mit Nachdruck die Frage gerichtet werden: Wann wird endlich die demokratische Konsequenz gezogen und den belasteten Hochschullehrern nur die Pension, nicht aber der Auftrag gegeben, wieder und immer noch zu lehren? Wann wird endlich begriffen, dass hauptschuldig an den bis in unsere Gegenwart nachwirkenden Verirrungen der Nazizeit nicht so sehr die Verüber der Untaten selbst, sondern diejenigen sind, welche die gei-
stige Grundlage und Rechtfertigung geliefert haben?

Rolf Seeliger
München, November 1964

Professor Dr. jur. Friedrich Berber, München

FACHGEBIET: Öffentliches Recht, insbesondere Völkerrecht und Rechtsphilosophie.

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Ordentlicher Professor der Juristischen Fakultät und Vorstand des Instituts für Völkerrecht, Rechts- und Staatsphilosophie an der Ludwig -Maximilians-Universität München, Mitglied der Senatskommission für das Auslandsstudium und Ausländerstudenten. Außerdem Mitglied des Senats der Hochschule für Politische Wissenschaften in München, die neben ihren Vorlesungen Fortbildungslehrgänge für Sozialkundelehrer und Arbeitsgemeinschaften mit Schülern der höheren Schulen, Vorträge vor Bundeswehroffizieren, am Studienkolleg für Ausländer sowie am Berufspädagogischen Institut wahrzunehmen hat.

DAMALS

gehörte er zum Kreis der engeren Mitarbeiter des Reichsaußenministers Ribbentrop und veröf-
fentlichte 1940 in den national-sozialistischen „Monatsheften für auswärtige Politik“, deren Mit-
herausgeber er war, einen Aufsatz mit dem Titel „Der Sieg in Frankreich“, in dem es heißt: „… Nun hat Frankreich geerntet, was es gesät hat. Seine Unfähigkeit, die nationale Wiedergeburt Deutsch-
lands zu verstehen oder auch nur verstehen zu wollen, haben als Folge dieser Verblendung zur mi-
litärischen Niederlage geschichtlich unerhörten Ausmaßes geführt … Das Deutsche Reich ist fest entschlossen, das deutsch-französische Verhältnis auf eine dauernde und endgültige Basis zu stel-
len. Nie wieder soll eine Situation entstehen, in der Frankreich den Frieden Europas stören und Deutschland in den Rücken fallen kann …“

In der Publikation „England 1933 bis 1939 — die Dokumente des deutschen Friedenswillens“ (1940) apologisierte er die nationalsozialistische Außenpolitik: „… Der Nationalsozialismus ergriff in Deutschland die Macht. Zugleich aber — und darin lag das Wunder — stellte diese zur Macht gekommene Regierung ein Programm der friedlichen Revision, des peaceful change auf, statt, was nicht verwunderlich, sondern natürlich gewesen wäre, eines Programms des Hasses, der Gewalt, der Revanche.“

In einem Beitrag „Das Jahr 1940 in der Weltpolitik“ verkündete er Englands Kriegsschuld und stellte dar, „wie England den Krieg mit Deutschland bewusst wollte, ja geradezu suchte“: „… Die englische Regierung hat demgegenüber den Krieg mit Deutschland direkt gesucht, hat ihre Bin-
dung mit Polen absichtlich so gestaltet, dass sie verpflichtet war, in den Krieg gegen Deutsch-
land einzutreten … Dass es ihr auf den Krieg gegen Deutschland und nicht Ruf die Beistandslei-
stung an Polen ankam, zeigte sich ja gerade darin, dass sie den Krieg nicht aufgab, als die Unmög-
lichkeit einer Hilfeleistung an das gar nicht mehr existierende Polen deutlich wurde.“

FRIEDRICH BERBER, 1898 in Marburg/Lahn geboren, 1930 Dozent an der Hochschule für Poli-
tik, 1934 Abteilungsleiter am Kaiser-Wilhelm-Institut für Ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Landgerichtsrat am Landgericht Berlin, Lehrbeauftragter an der Universität Ham-
burg, 1935 Leiter der Forschungsabteilung der Deutschen Hochschule für Politik, 1935 bis 1944 stellvertretender Direktor des Hamburger Instituts für Auswärtige Politik, 1936 außerordentlicher Professor an der Universität Hamburg, 1937 Eintritt in die NSDAP, außerordentlicher Professor und 1940 ordentlicher Professor an der Universität Berlin. Seit 1954 ordentlicher Professor an der Universität München – siehe oben. Mehrere Jahre völkerrechtlicher Berater der indischen Regie-
rung.

VERÖFFENTLICHUNGEN unter anderem: „England 1933 bis 1939 – die Dokumente des deut-
schen Friedenswillens“ (Essen 1940), „Der Sieg über Frankreich“ (in „Monatshefte für auswärtige Politik“, Berlin, Juli 1940), „Des Jahr 1940 in der Weltpolitik“ (in „Jahrbuch für auswärtige Poli-
tik“, 1941), Herausgeber des „Jahrbuches für politische Forschung“, des „Jahrbuches für auswär-
tige Politik“ (seit 1941) und der Hamburger „Monatshefte für auswärtige Politik“ (1936 bis 1944). „Lehrbuch des Völkerrechts“ (1960, Band I: „Allgemeines Friedensrecht“ – 1962, Band II: „Kriegs-
recht“, Verlag C.H. Beck, München und Berlin).

Professor Hermann Kaspar, München

FACHGEBIET: Bildende Kunst, Maler und Entwurfzeichner für Mosaik, Wandgemälde und Texti-
lien.

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Vizepräsident der Münchener Akademie der Bildenden Künste, wo er als Professor lehrt, außer-
dem Abteilungsdirektor an der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und Vorstandsmitglied des „Berufsverbandes Bildender Künstler“ in München.

DAMALS

war er zusammen mit Richard Knecht „Gesamtgestalter“ der kitschigen Propagandaumzüge, die sich 1937 und 1938 zum „Tag der deutschen Kunst“ durch Münchens Straßen bewegten, und nahm auf der Ehrentribüne neben Hitler und Goebbels den Vorbeimarsch ab. Kaspar entwarf 1938 bis 1939 die nazistischen Intarsien und Mosaike für die „Neue Reichskanzlei“ in Berlin, sieben allein am Schreibtisch und an der Kommode für das Arbeitszimmer Hitlers. Auch die Rangabzeichen der nationalsozialistischen Organisation Todt stammen von ihm.

HERMANN KASPAR, 1904 geboren, seit 1939 Professor an der Akademie der Bildenden Künste in München, nach dem Krieg Vizepräsident — siehe oben.

Professor Dr. jur. Theodor Maunz, München

FACHGEBIET: Öffentliches Recht, Bayerisches Staats- und Verwaltungsrecht.

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Ordentlicher Professor und Vorstand des Instituts für Politik und Öffentliches Recht an der Lud-
wig-Maximilians-Universität München, Studienleiter der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien Augsburg und München. Seit 1957 Staatsminister für Unterricht und Kultur in Bayern (CSU), der wegen seinen Beiträgen zur staatsrechtlichen Legalisierung nationalsozialistischer Untaten 1964 zum Rücktritt gezwungen wurde.

1952 huldigte er in einem Beitrag, der in dem im Lissabonner Regierungsverlag erschienenen Buch „Salazar et son Oeuvre“ veröffentlicht wurde, dem klerikal-faschistischen Diktator anlässlich des 20. Jahrestages seiner Machtergreifung: „Salazar hat die Weite des Blickes sowohl für den Raum, in dem sich die moderne Staatsgewalt bewegt, wie auch für die Zeit, die vor seinem Volke liegt … Er denkt für sein eigenes Volk, für das christliche Abendland und für die Staatenwelt der Gegenwart über Raum und Zeit hinaus.“

DAMALS

war er Referent für „Judentum in der Rechtswissenschaft“ bei der Reichsgruppe Hochschullehrer des Nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes (NSRB). In seiner Schrift „Der deutsche Hoch-
schullehrer und die Rechtserneuerung“ (1936) verkündete er, dass „alle Zukunftsaufgaben das gleiche Ziel vor Augen haben: die Bezogenheit der Rechtswissenschaft und der Rechtserneuerung auf die nationalsozialistische Weltanschauung. Diesem Ziel müssen alle Kräfte des deutschen Hochschullehrers gelten. Mit ihnen erfüllt er seine Aufgabe als Rechtswahrer der Wissenschaft.“

In seinem Buch „Grundfragen der Rechtsauffassung“ (1938) führte er aus: „Im deutschen Recht der Nachkriegszeit tauchten allerdings bereits interessante und verdienstvolle Versuche auf, diesen überkommenen Staat oder seine juristische Form beiseitezuschieben und das Volk als rassische Gegebenheit und natürliche Einheit an die erste Stelle zu setzen. Vollen Erfolg konnte aber diese völkische Bewegung erst durch den Sieg des Nationalsozialismus haben. Dadurch wurde sie aus traumhafter Schau in die Klarheit der Lebenswirklichkeit gerückt. Durch ihn wird auch der Zwie-
spalt von natürlichem und politischem Volk, ein künstlicher Dualismus der liberalen Theorie, be-
seitigt.“ Und in demselben Buch versuchte er die Diskriminierung „artfremder“ Gemeindemitglie-
der (Juden) zu legalisieren: „Das deutsche Recht hat einen auf rassischer Grundlage aufgebauten Gleichheitsgrundsatz, während sich die Gleichheit anderer Völker und Staaten vielfach ungeglie-
dert auf den Menschen überhaupt bezieht. Im deutschen Recht gilt die Gleichheit aller artgleichen Volksgenossen – der Ausschluss Artfremder von der unterschiedslosen Benützung von Einrich-
tungen in der Hand des Staates oder der Gemeinden, etwa gemeindlicher Badeunternehmungen, ist ihm also keine Verletzung, sondern eine Erfüllung seines Gleichheitssatzes. Im Rechte anderer Staaten wird dagegen nicht vom Volksgenossen ausgegangen, sondern vom staatsangehörigen Bürger.“

Unter der Kapitelüberschrift „Polizei – SS – Wehrmacht“ entwickelte er in seiner Schrift „Gestalt und Recht der Polizei“ (1943) die „Lehre von der Verklammerung der Polizei des Staates mit der Schutzstaffel des Führers“ und forderte: „Die Mannschaften von SS und Polizei sollen eine UN-
TRENNBARE GEMEINSCHAFT bilden.“ An anderer Stelle verteidigte er als geltendes Staatsrecht, dass der Führerbefehl aus sich selbst heraus das für die befohlene Maßnahme erforderliche Gesetz schaffe. Der Befehl des Führers – um was für eine verbrecherische Anordnung es sich auch immer handeln mochte – wurde wie folgt legalisiert: „Was … der Führer und die von ihm besonders bezeichneten Personen in Form von Rechtsgeboten der Polizei an Aufgaben zuweisen, bildet die Rechtsgrundlage für das Wirken der Polizei … Dieses System hat notwendigerweise und folgerich-
tig den alten Gesetzmäßigkeitsgrundsatz ersetzt, seitdem an die Stelle des alten Gesetzes der Wille des Führers getreten ist … Der Auftrag des Führers ist schlechthin das Kernstück des geltenden Rechtssystems und seinem innersten Wesen verbunden. Daher wird sich an dem Zusammenklang des Führerauftrags mit der gesamten rechtlichen Ordnung der Gegenwart keine Auseinanderset-
zung mehr knüpfen können. Die Vereinbarung steht vielmehr für das heutige Recht außer Zweifel.“

THEODOR MAUNZ, 1901 in Dachau geboren, 1933 SA-Mann, 1935 außerordentlicher und 1937 bis 1945 ordentlicher Professor an der Universität Freiburg. Seit 1952 ordentlicher Professor an der Universität München. Weiteres — siehe oben.

VERÖFFENTLICHUNGEN unter anderem: „Neue Grundlagen des Verwaltungsrechts“ (1934), „Der Reichsarbeitsdienst“ (in „Deutsche Verwaltungsblätter“, 1935), „Der deutsche Hochschul-
lehrer und die Rechtserneuerung“ (in „Deutsches Recht“, Organ des Nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes, Berlin 1936), „Die Enteignung im Wandel der Staatsauffassung“ (in „Frei-
burger Universitätsreden“, Heft 21, 1936), „Judentum in der Verwaltungsrechtsforschung“ (Deutscher Rechtsverlag 1936), „Verwaltung“ (Hamburg 1937), „Grundfragen der Rechtsauffas-
sung“(Duncker & Humbolt, München 1938), „Geltung und Neubildung des modernen Kriegsvöl-
kerrechts (Freiburg 1939), „Eigentum im Dienste der Volks- und Wehrgemeinschaft“ (1939), „Ver-
fassung und Organisation im Großraum“ (in „Deutsche Verwaltung“, Berlin 1941), „Die Polizei im Reichsgefüge“ (in „Deutsche Verwaltung“, Berlin 1941), „Gestalt und Recht der Polizei“ (Hamburg 1943), „Ein Verklammerungs-Phänomen“ (in „Idee und Ordnung des Reiches“, herausgegeben von Ernst Rudolf Huber – siehe dort – Band II, Hanseatische Verlagsanstalt, Hamburg 1943). „Salazar und die portugiesische Verfassung“ (in dem Buch „Salazar et son Oeuvre“, Lisabon 1952), „Deut-
sches Staatsrecht – ein Studienbuch“ (12. Auflage, Verlag C.H. Beck, München und Berlin 1963), Herausgeber (zusammen mit von der Heydte – siehe dort) der „Münchener öffentlich-rechtlichen Abhandlungen“.

Professor Dr. med. Max Mikorey, München

FACHGEBIET: Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie.

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Außerplanmäßiger Professor der Medizinischen Fakultät an der Ludwig-Maximilians-Universität München, außerdem Leiter der Prosektur an den Rot-Kreuz-Krankenanstalten und leitender Arzt an der Universitäts-Nervenklinik in München.

DAMALS

verfasste er eine im Rahmen des Werkes „Judentum und Verbrechen“ 1936 erschienene Schrift „Das Judentum in der Rechtswissenschaft“, in der es heißt : „Die Kriminalpsychologie war und ist eine hervorragende Waffe im Kampf des emanzipierten Judentums um die politische Macht und im Streben nach der durch alte Prophezeiungen verheißenen Weltherrschaft über die Völker dieser Erde. Die Geschichte der jüdischen Kriminalpsychologie ist ein einziges meisterhaft durchgeführ-
tes Spiel auf dem Schachbrett der Weltpolitik gegen die Grundlagen jeder nicht jüdischen völki-
schen Lebensordnung …“

In seiner Schrift „Das Judentum in der Kriminalpsychologie“ (1936) titulierte er die Angehörigen des jüdischen Volkes als „lebende Leichname“ und sprach von einem „parasitären Lebenspro-
gramm jüdischer Weltpolitik“ und einem „jüdisch-bolschewistischen Weltherrschaftsstreben“. Weiter heißt es: „Die politische Geschichte der jüdischen Kriminalpsychologie ist nur ein Aus-
schnitt aus dem großen welthistorischen Drama der Auseinandersetzung zwischen faschistisch-nationalsozialistischen und jüdisch-bolschewistischen Mächtegruppen, welche unserem Jahr-
hundert die Prägung gibt.“

MAX MIKOREY, 1899 in München geboren, 1928 Psychiater an der Universitätsklinik München, dort 1934 Oberarzt, ordentliches Mitglied der Akademie für Deutsches Recht, 1942 bis 1945 und 1949 wieder Dozent für Psychiatrie an der Universität München, seit 1952 außerordentlicher Professor für Psychiatrie, Neurologie und medizinische Psychologie an der Universität München, 1958 Oberarzt der Universitäts-Nervenklinik, heute außerplanmäßiger Professor an der Universität München.

VERÖFFENTLICHUNGEN unter anderem: „Das Judentum in der Rechtswissenschaft“ (in „Juden-
tum und Verbrechen“, Heft 3, Berlin 1936), „Das Judentum in der Kriminalpsychologie“ (Berlin 1936). „Freiheitsentziehung bei Geisteskranken“ (zusammen mit Curschmann und Härger, Mün-
chen 1950), „Phantome und Doppelgänger“ (München 1952).

Professor Dr. theol. Michael Schmaus, München

FACHGEBIET: Dogmatik.

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Ordentlicher Professor und Dekan der Theologischen Fakultät, Vorstand des Seminars für Dogma-
tik und des Grabmann-Instituts zur Erforschung der mittelalterlichen Theologie und Philosophie, außerdem Mitglied des Akademischen Senates an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er ist Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Generalsekretär des Internationalen Instituts der „Görres-Gesellschaft für Begegnung von Glaube und Theologie“, Mitglied der Päpstli-
chen Theologischen Akademie, päpstlicher Hausprälat, Träger des von Franco verliehenen Kom-
tur-Kreuzes des spanischen Ordens „Al merito civil“, des griechischen Königlichen Phönixordens und des Bayerischen Verdienstordens. Schmaus fühlt sich eng verbunden mit den katholischen Studentenkorporationen, die er zur öffentlichen Aktivität und zu einem extremen Korpsgeist er-
muntert: „Treibt noch viel mehr Protektion!“ Von sechzehn katholischen Verbindungen wurde er zum „Ehrenphilister“ erwählt.

DAMALS

leitete er sein in der nationalsozialistischen Schriftenreihe „Reich und Kirche“ erschienenes Buch „Begegnungen zwischen katholischem Christentum und Nationalsozialistischer Weltanschauung“ (1933) mit der programmatischen Feststellung ein: „Reich und Kirche ist eine Schriftenreihe, die dem Aufbau des Dritten Reiches aus den geeinten Kräften des nationalsozialistischen Staates und des katholischen Christentums dienen soll …“

In dem Buch führte er aus: „Der Nationalsozialismus stellt die Idee des aus Blut und Boden, Schicksal und Aufgabe gewachsenen Volkes in den Mittelpunkt seiner Weltanschauung. Die Volkswerdung der Deutschen ist das wesentliche Ziel der nationalsozialistischen Bewegung … Ein Deutscher ist ein voller Mensch, indem er ein voller Deutscher ist … Es gibt in diesem Raume keine politische Gleichberechtigung aller … Nichts ist unkatholischer als eine extrem demokratische Wertung des Seins … Der Nationalsozialismus ist kein erdachtes System, keine ausgeklügelte Weltanschauung, sondern eine aus den Gründen des Lebens heraufgestiegene Bewegung, etwas aus den Urtrieben kommendes. Deshalb ist es berechtigt, wenn der Nationalsozialismus behauptet: Nationalsozialistische Haltung lasse sich nicht erlesen, erdenken, sondern nur erleben …“ Und weiter heißt es: „Je tiefer alle Männer und Frauen des deutschen Volkes zu den Schächten des Volkstums und des Glaubens vorstoßen, umso zuversichtlicher können wir in die Dämmerung der Zukunft blicken, umso zuversichtlicher können wir vertrauen, dass der Bau des Reiches gelingt, der in Angriff genommen ist …“

MICHAEL SCHMAUS, 1897 in Oberbaar/Bayern geboren, 1929 bis 1933 außerordentlicher Profes-
sor an der Deutschen Universität Prag, 1933 bis 1945 ordentlicher Professor an der Universität Münster. Seit 1946 ordentlicher Professor an der Universität München, 1951 bis 1952 Rektor daselbst, Mitbegründer des radikal antikommunistischen „Deutschen Kreises 1958“ und 1960 Mitglied der Theologischen Kommission in Vorbereitung des zweiten Vatikanischen Kirchenkon-
zils 1962/1963 in Rom.

VERÖFFENTLICHUNGEN unter anderem: „Begegnungen zwischen katholischem Christentum und Nationalsozialistischer Weltanschauung“ (Aschendorf’sche Verlagsbuchhandlung, München 1933), Hauptwerk: „Katholische Dogmatik“ (8 Bände). „Pro mundi vita – Für das Leben der Welt“ (zum Eucharistischen Weltkongress, München 1960), Herausgeber des „Handbuchs der Dogmen-
geschichte“, der „Münchener Theologischen Zeitschrift“ und der „Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters“.

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1 Ludwig Marcuse, Offener Brief an den Westberliner Senator für Kunst und Wissenschaft, 1963.

2 erschienen im „Aufbau“, New York, 11. November 1949.


Braune Universität. Deutsche Hochschullehrer gestern und heute. Eine Dokumentation zusammengestellt und eingeleitet von Rolf Seeliger, Heft 1, München 1964, 5 ff.

Überraschung

Jahr: 1964
Bereich: Nazis