Materialien 1984
Super, diese Märkte
Heute im Sonderangebot: Der Münchner Norden
SUMA, HUMA, Wertkauf-Center. Der Münchner Norden ist ein Einkaufsparadies. Familienväter fahren mit Frau, Kind und Kegel vor und packen ein, fürs Wochenende, die kommende Woche, und einen Vorrat Tiefgefrorenes für den Rest des Monats. Weils grad heute so billig ist: Sonderangebote, kaufen, kaufen, kaufen.
Das Paradies ist ausbaufähig. Ein neuer Super-Großmarkt ist geplant, größer als alles, was Bayern von dieser Art je gesehen hat. 42.900 Quadratmeter maximale Geschossfläche sind im Bebauungsplan Nr. 1404 a (Bundesbahnausbesserungswerk Freimann) einkalkuliert, 29.300 Quadratmeter davon als reine Verkaufsfläche. „Dreimal so groß wie der Oberföhringer Kaufmarkt“ hat die Bürgerinitiative S.U.M.A. („Stoppt unnötigen Märkteausbau“) aus Freimann ausgerechnet. Ihr Gegner ist SUMA („Supermagazin“) beziehungsweise dessen Chef Jost Hurler und die Jost Hurler GmbH & Co OHG.
Der Supermarktketten-König und Strauß-Freund Hurler scheint dicke Trümpfe in der Hand zu haben. Wie sonst sind die offenen Türen zu verstehen, auf die Jost Hurler mit seinen Super-Plänen unterm Arm bei der Stadt München offensichtlich trifft? Ein viermal kleineres Projekt der „co-op“-Einzelhandelskette mit rund 9.000 Quadratmetern Geschossfläche wurde von der Stadt abgelehnt.
Jost Hurlers beste Karte im Poker um den Supermarkt-Bau in Freimann ist wohl die Baugenehmigung, die er für eine Vergrößerung seines „IKS“-Großmarktes an der Leopoldstraße hatte. Statt der billigen Einkaufsmöglichkeit für Wiederverkäufer sollte dort ein neuer SUMA-Großmarkt für Jedermann entstehen. Mitten in Schwabing und in unmittelbarer Nachbarschaft des neuen Wohnviertels an der Berliner Straße. Das wäre doch nicht so ganz das Wahre gewesen. Eine Erkenntnis, die irgendwann irgendwem bei der Stadt auch gekommen sein muss. Das Problem war dann nur: wie locken wir den Hurler aus Schwabing weg?
Am besten, indem man ihm entgegenkommt. Das Großmarkt-Projekt auf dem Gelände des ehemaligen Bundesbahnausbesserungswerkes in Freimann ist ganz auf die Bedürfnisse Herrn Hurlers zugeschnitten. Im Planungsreferat der Stadt will (und darf) das so natürlich niemand gesagt haben: gentlemen’s agreement. Kurz bevor sich der Stadtrat 1981 für SUMA in Freimann entschied, verzichtete Hurler auf sein Baurecht an der Leopoldstraße.
Das Wohl der Schwabinger liegt den Freimannern allerdings nur sehr wenig am Herzen. Vier Großmärkte, außer der Autobahn, den Müllalpen, den Kasernen und all dem anderen Kram seien genug, meinen sie: „Freimann den Freimannern.“ Befürchtet wird ein weiteres Einzelhandelsladen-Sterben, wenn SUMA kommt. Das steigert den Wohnwert in der Bundesbahnsiedlung Freimann kaum, wo besonders viele ältere Menschen auf den kleinen Laden um die Ecke angewiesen sind. Und der teilweise Ausbau der Heidemannstraße auf acht Spuren, womit die von den ,Experten errechnete Mehrbelastung von 1.700 Autos pro Stunde „Supermarkt- Verkehr“ aufgefangen werden soll, macht den Freimannern SUMA auch nicht gerade schmackhafter. Die Folge: erstmal hagelte es Einsprüche der Anwohner gegen das SUMA-Projekt.
Die Gegner des Märkteausbaus spielen auf Zeit. Auf einem Fest gegen den Ausbau erzählen sie, dass Jost Hurler ganz gern schon am 1. Oktober 1985 eröffnet hätte, um voll beim Weihnachtsgeschäft dabei zu sein. Er hätte dann schon längst zu bauen beginnen müssen.
Schon einmal hatten die Freimanner mit dieser Strategie Erfolg. BMW wollte neben SUMA zwei Verpackungshallen stellen lassen, verlor aber schon sehr bald die Lust am Bau und sah sich nach besseren Standorten um. Ihre Begründung: Umwelt- und Stadtviertelschützer hätten den Baubeginn zu sehr verzögert.
Michael Linkersdörfer/Wolfgang Vichtl, Das Münchner Stadt-Zeitungs-Buch, München 1984, 228 f.