Materialien 1954

Willi Cronauer

Seine humanistische Gesinnung ließ Willi Cronauer angesichts der faschistischen Verbrechen nicht untätig bleiben. Er leistete Widerstand und wurde deshalb viermal inhaftiert.

Seinem Einsatz ist es zu verdanken, dass die bayerischen Orte Dachau, Gründig und Mitterndorf sowie das KZ Dachau nicht noch wenige Tage vor der Befreiung dem Erdboden gleichgemacht wurden. In Verhandlungen mit dem Kommandanten einer Großkampfbatterie der Wehrmacht hatte er die Verschonung der Orte erreicht.

Nach der Befreiung gehörte Willi Cronauer als Vertreter der SPD der verfassunggebenden Landes-
versammlung Bayerns an und war viele Jahre als Oberregierungsrat im bayerischen Kultusmini-
sterium tätig. Wegen seiner politischen Anschauungen mit seinem Ressortchef Dr. Alois Hund-
hammer in Konflikt geraten, schied er dann aus dem Staatsdienst aus.

Über die Grenzen seiner Heimat hinaus wurde Willi Cronauer durch seinen Film „Fronleichnam 1945“ bekannt, den er in den Trümmern des kriegszerstörten München drehte.

„Willi Cronauer“, erinnert sich unser bayerischer Landesvorsitzender Oskar Neumann, „das war der Diskussionspartner, als wir 1945 überlegten, was von Seiten antifaschistischer Intellektueller zu leisten war, um geistige Grundlagen zu schaffen für einen Neubau auf konsequent demokra-
tischen Fundamenten. Aber er redete nicht nur, Als ob er Brechts Sorge vorweggenommen hätte, war er unterwegs in den Trümmern von München, um der Gefahr des allzu schnellen Vergessens von Krieg und Kriegsfolgen mit seinen Mitteln entgegenzutreten, mit der Kamera, mit dem Film-
dokument.

Dank ihm besitzt München von diesem Stück seiner Geschichte ein bleibendes Bild, das heute angesichts nicht weniger Versuche, die Ruinenstadt wie eine griechische Tempellandschaft zu mythisieren und erst recht solcher Bestrebungen, die alte ,Hauptstadt der Bewegung’ zum neuen Zentrum der Rechtswende und der Hochrüstung zu machen, um so wichtiger ist.“

„Ein Stück dieser Auseinandersetzung wurde schon um die Wende zu den 50er Jahren geführt, als ich in München Stadtrat und Koreferent für Wiederaufbau war“, so Oskar Neumann. „Sollte die Stadt den Film von Willi Cronauer kaufen? Wir waren dafür, die Reaktionäre dagegen; nicht anders als später bei der Auseinandersetzung um das Schicksal der Ausstellung ,Verfolgung und Widerstand in Bayern’. In beiden Fällen hat sich das progressive, antifaschistische, auf Frieden gerichtete Interesse durchgesetzt. Das ist die Seite gewesen, auf der Willi Cronauer stand, als Künstler, als Kulturpolitiker, als unser Kamerad.“

Von 1961 bis 1969 war Willi Cronauer einer der vier Präsidenten der VVN. Aus gesundheitlichen Gründen musste er das Amt aufgeben. Am 14. Oktober 1974 starb er.


antifaschistische rundschau. Mitgliederzeitschrift der VVN — Bund der Antifaschisten 7 vom Juli 1986, 19.

Überraschung

Jahr: 1954
Bereich: Gedenken