Flusslandschaft 1968

Ressentiments

Beim Bummel durch den Münchner Montmartre werden Kommunarde Fritz Teufel und seine Freunde am 20. Juli 1968 aus den Kneipen Weinbauer in der Fendstraße, Drugstore und Seerose geworfen. Dem äußerst aggressiv vorgehenden Wirt der Seerose wirft Fritz in gerechtem Zorn eine Portion Leberkäs mit Ei und Spinat an den Kopf. Er wird deswegen von der Polizei zur erken-
nungsdienstlichen Behandlung in die Ettstraße gebracht und wegen Beleidigung, Sachbeschädi-
gung, Körperverletzung, Aufforderung zum Zechbetrug, Nötigung, Aufforderung zu einer strafba-
ren Handlung und Widerstand gegen die Staatsgewalt angezeigt. Gleichzeitig weigern sich die zu-
sehenden Polizeibeamten, Anzeigen gegen die Wirtshausschläger aufzunehmen und ihre Persona-
lien zu notieren.1

Der Lokalreporter der Süddeutschen Zeitung, Christian Ude, möchte die Behauptung überprüfen, dass in Schwabing Langhaarige und Bärtige nicht bedient und sogar hinausgeprügelt werden. Zu-
sammen mit Teufel und Freunden besucht er am Tag darauf noch einmal den Weinbauer. Die Be-
dienung kreischt, „Gammler und Verbrecher werden hier nicht bedient!“ und der Wirt hetzt, „Alle Leute mit langen Haaren sind Verbrecher“. Ein herbeigerufener Polizist fordert die Runde um Fritz Teufel auf, das Lokal zu verlassen. Nachdem diese der Aufforderung nicht gleich nachkommen, prügelt der Wirt zusammen mit einigen Stammgästen die unliebsamen Gäste hinaus. Der Beamte weigert sich, die Personalien der Schläger festzustellen mit der Begründung: „Ich habe für so etwas keine Zeit“.

Aus dem Beat-Lokal Blow-up am Elisabethplatz in Schwabing wird Fritz Teufel am 29. Juli hinaus-
geprügelt, nachdem er den Wirt und das Lokal beschimpft hatte. Er muss im Krankenhaus wegen einer Platzwunde an der Stirn behandelt werden.

Drei Mannschaftswagen und zehn Kriminalbeamte sind im Einsatz, um Fritz Teufel am 18. Sep-
tember um 9.45 Uhr vor dem Hertiehochhaus in der Leopoldstraße erneut zu verhaften. „Freiheit für Teufel! Freiheit für Teufel! Heute Abend, 18.9.68, 9.45 Uhr, in Schwabing vor dem Hertiehoch-
haus verhaftet! Schon wieder hat die Polizei in Gemeinschaft mit der deutschen faschistischen Ju-
stiz Fritz Teufel dingfest gemacht, dem es seit Jahren um gar nichts anderes geht, als die Hand-
lungsapparate der gesellschaftlichen Unterdrückung zu entlarven und ihre Zerschlagung vorzube-
reiten. Kein Wunder, dass es immer gerade er ist, der als erster von den Apparaten der Unterdrük-
ker gefasst wird. Fritz Teufel wurde aufgrund eines Haftbefehls gekidnappt, der nicht einmal den formalen Regeln des Rechtes genügt. Aber um die Pflege des demokratischen Rechtes geht es nicht mehr, sondern eindeutig um die Ausschaltung politischer Meinungen. Damit wird der Bevölkerung die Möglichkeit wirklicher demokratischer Information und freier Diskussion wieder einmal ge-
nommen. Es gibt aber noch genügend Fritz Teufel, die alle festgenommen werden wollen. Für Fritz Teufel mussten 3 Mannschaftswagen und 10 Kriminalbeamte aufgeboten werden. Für uns alle wird die vorhandene Polizei nicht reichen. Auf der Leopoldstraße wird die Diskussion nicht mehr ein-
schlafen. Es wird dabei auch um den Prozess REINHARD WETTERS gehen, der der Rechtlosigkeit der Justiz am 26.9. 9.30 im Justizpalast entgegentritt. Bekämpft die faschistische Justiz mit allen Mitteln! Eigendruck im Selbstverlag, Eugen Weber, Schleißheimerstr. 177“2

(zuletzt geändert am 5.2.2020)


1 Vgl. Marco Carini, Fritz Teufel. Wenn’s der Wahrheitsfindung dient, Hamburg 2003, 125 f.

2 Flugblattsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung