Flusslandschaft 1985

Zensur

„Fr., 14.6.85, 19.30 Uhr Theater in der Kreide – Am Pfingstfreitag besuchen wir das Theater in
der Kreide
(TIK), Thomas-Dehler-Straße 12 im PEP, Neuperlach, günstig zu erreichen mit der U8. Gespielt wird das aktuelle Stück „Rampe – Farce des Widerstands“ von Gert Heidenreich. Es geht dabei um Zensur und Selbstzensur, auch „Schere im Kopf“ genannt. Probleme des Alt- und Neona-
zismus spielen mit und wie über die Vergangenheit geschwiegen wird, statt sie aufzuarbeiten. Das Ganze wird an einer Premierenfeier dargestellt. Nach der Vorstellung diskutieren wir mit den Leu-
ten vom Theater. Wir treffen uns um 19.30 Uhr am Theatereingang. Zwecks Kartenbestellung für die Gruppe bitten wir um telefonische Anmeldung in der Zeit vom 8. – 12. 6. bei Michael Lazarus unter 77 48 63.“1

„Endart, Berliner Künstlergruppe, brachte Münchener Bürger in Rage. Auf zwei von der Galerie ,artinizing‘ gemieteten Plakattafeln schlugen die End-Artisten Großfotos an, auf denen sie bekann-
te Werke der Kunstgeschichte drastisch verfremdeten: Eine Studie nach einem Akt von Cezanne war mit Pickelhaube und Massagestab ausgestattet, Carl Spitzwegs ,armer Poet‘ aufs Klo plaziert. Zunächst beschädigte ein empörter Passant das Werk, dann überklebte eine Plakatfirma die Fotos. Zwar konnten Gruppen-Mitglieder die noch feuchten Deck-Blätter rechtzeitig wieder abziehen, dann jedoch schnitten Polizisten die anstößigen Stellen mit Messern heraus. Die Galerie stellte Strafantrag wegen Sachbeschädigung.“2

Der Nürnberger Grafiker Michael Mathias Prechtl gestaltet das Plakat zur Ausstellung „175 Jahre Oktoberfest“ im Münchner Stadtmuseum. Zu sehen sind u.a. Lenin, Eva Braun und der auf Auge, Haarsträhne und erhobenen Arm reduzierte Hitler. Darüber tanzt Oskar Maria Graf in Lederhosen mit einer nackten Dirne, die von einer weißblauen Schlange umringte wird als eine Art Parodie auf Franz von Stucks Allegorie der „Sünde“. Es hagelt Proteste. „Aufgeregt hatte sich die CSU bereits wegen der Unterzeile zum ‚Oktoberfest’-Plakat: Statt ‚175 Jahre bayerischer National-Rausch’ hätte sie lieber das ‚bayerische Glücksgefühl’ gefeiert gesehen.“3


1 Deutscher Freidenkerverband e.V. Ortsgruppe München, Veranstaltungs-Programm 1985, München 1984, 96.

2 art. Das Kunstmagazin 1 vom Januar 1986, Hamburg, 17.

3 Der Spiegel 31 vom 29. Juli 1985, 123.

Überraschung

Jahr: 1985
Bereich: Zensur