Materialien 1965

Man trägt wieder Big Stick

Die Kolonialherren von gestern wurden aus den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas hinausgeworfen. Aber mit neuen Methoden wird die alte Ausbeutung aufrecht erhalten und mit allen Mitteln gesichert. Die Angriffe auf Kuba, Kongo, Vietnam und Santo Domingo sind der Be-
weis. Der Weltöffentlichkeit erzählt man, dass alle militärischen Interventionen dem Schutz der Freiheit dienen. In der Tat, Bombenangriffe und Ledernackeninvasionen dienen der Freiheit, wenn darunter die Freiheit der ungehinderten Ausbeutung verstanden wird.

Kennedy hat gesagt, dass die amerikanische Wirtschaft auf billige Rohstoffimporte und teure Fer-
tigwarenexporte angewiesen ist. Er hat nicht gesagt, warum die Rohstoffe so billig sind. Die Mas-
sen Afrikas, Südasiens und Lateinamerikas müssen für einen Hungerlohn arbeiten. Gleichzeitig wird durch amerikanische und europäische Investitionen in diesen Ländern ein Höchstmaß an Profiten aus der billigen Arbeitskraft herausgewirtschaftet. Eine selbständige, den Bedürfnissen dieser Länder entsprechende Industrie wird dadurch verhindert, um einen konkurrenzlosen Ab-
satzmarkt für Fertigwaren zu schaffen. Um für die westliche «Überschuss»-Produktion die fehlen-
de Kaufkraft aufzupäppeln, wird ein Bruchteil der herausgepumpten Profite der Oberschicht der ausgebeuteten Länder hingeworfen. Das ist die sogenannte Entwicklungshilfe.

Jedes unterdrückte Volk, das für seine Selbständigkeit kämpft und sich gegen Abhängigkeit und Ausbeutung zur Wehr setzt, bekommt sofort den Großen Knüppel der Imperialisten zu spüren. So demonstriert das Kapital die Unantastbarkeit seiner Interessen. Mit jeder militärischen Interventi-
on wird eine vom Kapitalismus dringend benötigte Nachfrage geschaffen: nach Bomben, Raketen und Düsenjägern. Das macht deutlich, wie sehr die überholten Produktionsverhältnisse des Kapi-
talismus auf den Profit und wie wenig sie auf die Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet sind. Dieses Prinzip ist unseren Interessen ebenso feindlich wie denen der unterdrückten Völker. Wenn wir den Kapitalismus hier schwächen, unterstützen wir den Kampf der unterdrückten Völker. Je-
der Sieg der unterdrückten Völker über den Kapitalismus ist ein Teil unserer eigenen Befreiung.

München, den 25. Mai 1965

Aktion für internationale Solidarität1


Albrecht Goeschel (Hg.), Richtlinien und Anschläge. Materialien zur Kritik der repressiven Gesell-
schaft, München 1968, 95 f.

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1 „Das gleiche Flugblatt wurde einen Tag später während einer Demonstration der Kampagne für Abrüstung gegen die Kriegführung der Amerikaner in Vietnam verteilt. Im Verlaufe dieser Demonstration, die die Münchner Ordnungsbehörden mit allen Mitteln zu verhindern suchten, kam es zu harten Auseinandersetzungen mit der Polizei. Vgl. hierzu «Vorgänge», München Februar 1966, S. 54 ff. und Sieghart Ott «Das Recht auf freie Demonstration», Berlin und Neuwied 1967, S. 39. Die einzige bislang veröffentlichte ausführlichere Darstellung über die Aktionen der Aktion für internationale Solidarität bzw. der Aktion der Rätesozialisten erschien in der Münchner Studentenzeitschrift «Profil», September 1965.“

Überraschung

Jahr: 1965
Bereich: Internationales