Materialien 1980

antrag auf einstellung des verfahrens bezüglich des fernmeldeanlagengesetzes

gestellt am 1. prozesstag am 8. oktober 1980

die anwälte hatten zuvor einen ablehnungsantrag wegen befangenheit und einen auf haftentlassung gestellt

ich schließe mich den anträgen meiner verteidiger an und erweitere sie: ich beantrage die einstellung des verfahrens bezüglich des FAG.

1. weil das problem mit den politischen piratensendern, worum es hier ja geht, mit dem FAG nicht gelöst werden kann, bzw. das interesse der staatsanwaltschaft hier einen exemplarischen schlag gegen linke sender durchzuführen – was das einzige ziel der staatsanwaltschaft von anfang an war – mit dem FAG nicht eingelöst werden kann

– der ablauf des verfahren bis zum prozess hat gezeigt: die staatsanwaltschaft versucht hier einen sonderfall zu konstruieren, um so die untersuchungshaft, die bereits teil des geplanten „präventiven urteils“ ist, und den prozess als politischen prozess gegen politische sender möglich zu machen.

– die staatsanwaltschaft tritt hier nicht auf, um die rundfunkhoheit zu verteidigen, sondern vertritt hier ganz konkrete politische ziele, die mit den anklagepunkten hier nur nebensächlich etwas zu tun haben, dh. die anklagepunkte nur die mittel für die politik sind, um sie so im prozess zu verschleiern.

– dass es der staatsanwaltschaft hier nicht um das FAG geht, kann man auch an den von ihr verbreiteten „presseinformationen“ und der anklageschrift ablesen.

2. in jedem haftfortdauerbeschluss hat das gericht die durchsichtigen vorwürfe der staatsanwaltschaft („bezüge zum terroristischen umfeld“!) als hauptgründe für die weitere u-haft übernommen, mit dem wissen davon, was die staatsanwaltschaft hier im prozess vorhat.

– das kann ich nur so verstehen, dass das gericht das präventive urteil gegen politische sender als prozessziel übernommen hat.

– mit der u-haft ist dieses ziel – egal wie dieser prozess hier ausgeht – bereits abgesichert.

– das bedeutet, dass der prozess hier grundlegend von den anklagepunkten (dem gesetzlichen ‚sinn’ der ganzen sache) entfremdet ist.

3.meine arbeiten, die hier zur debatte stehen, sind im zusammenhang aller autonomen sender in westeuropa zu sehen und ich schließe mich den forderungen der westeuropäischen union der freien radios an, die 62 westeuropäische radiostationen vertritt und im herbst 1979 folgende forderungen aufstellte:

– die möglichkeit für alle bürger oder gruppen von bürgern, freie radiosendungen über probleme und auseinandersetzungen, die sie betreffen, zu realisieren, und zwar ohne bewilligung, zensur oder kontrolle des staates.

– die verwaltung dieser freien radios durch die gesamtheit der aktiven hörer.

– die straffreiheit der freien radios, amnestie für die bereits verurteilten und einstellung der anhängigen strafverfahren!!!!!

der antrag wurde abgelehnt.

Jan van de Loo


Prozess gegen Piratensender – Info, München 1980, 12 f.

Überraschung

Jahr: 1980
Bereich: Medien