Materialien 1966
Umschulung
Am Schreibtisch (Aktenberg) sitzt ein Bearbeiter von Anträgen auf Umschulung für Arbeitslose. Hinzu tritt ein Antragsteller mit Zettel in der Hand.
A(ntragsteller) reicht den Zettel über den Schreibtisch
A: Tschuldigens, i soll – i bin – i hab –
B(earbeiter) legt ein Schriftstück zurecht
B: Is schon gut, Sie sind also der Rainer Zwing?
A: Jaja, wanns erlaubn – gfälligst –
B: Sie warn auch bei der Firma Werkl und Co?
A: Jaja, 18 Jahre lang – und …
B: Als was?
A: Als Sozialpartner …
B: Wia meinens das? Als was?
A: Na ja, wie ma halt so sagt, als Sozialpartner …
B: Ich mein, was Sie glernt haben.
A: Nichts.
B: Ach so … In welcher Gewerkschaft san Sie dann?
A: Ich? Ich war noch nie in a Gewerkschaft – na, na, dös hats net braucht.
B: Soso, und jetzt?
A: Ja mei – wia i ganga bin von meim Chef, da hod er mia no d’Hand gebn, und i hob no mit eam gred –
B: Aha und …
A: Ja des war so. I ois einfache Huifskraft und ein Mann aus dem Volk, wia i geh und steh, wia i gwerklt hab an da Maschin, d’Hosn voller Z’riß, d’Händ voller Schmier, s Gsicht voller Ruaß, Angst um mei Arwat im Hirn, da hots mi dawischt: Zwing zum Chef! – Und i ois einfache Huifskraft, ois Mann aus dem Volk, wia i geh und steh, wia i gwerklt hab an da Maschin, d’Händ voller Z’riß, d’Hosn voller Angst um mei Arwat, s Gsicht voller Schmier, so bin i hinganga zur Hauptverwaltung. Der Portier in da Uniform hat mi gfragt, wer i bin. Und i hab gsagt, i bin a einfache Huifskraft und Mann aus dem Volk, wia i geh und steh, wia i gwerklt hab an da Maschin, und i hob was z’redn mit’m Herrn Direktor. Da hat er nauftelefoniert, und i hab gwart, ois einfache Huifskraft und Mann aus dem Volk, wia i geh und steh, wia i gwerklt hab an da Maschin, d’Hosn voller Schmier, s Gesicht voller Z’riß, s Hirn voller Ruaß. Und dann hat er mi nauf lassn. Grad blitzt hats und glänzt die Treppen. Drobn bin i von ana Sekretärin in Empfang gnomma wordn, i, a einfaches Werkl aus’m Betrieb, wia i geh und steh, a Huifskraft aus’m Volk, wia i einfach gruaßt hab an da Maschin, d’Hosn voller Schweiß, d’Händ voller Angst, as Gsicht voller Schmier, as Hirn voller Z’riß. Sie hat mi a glei wart’n lass’n auf’n Chef, auf’n Herrn Direktor. Und nacha bin i vor eam gstandn, bis zu die Knöchl im Teppich, i, a einfache Maschin aus’m Volk, wia i geh und steh, ois Mann aus’m Betrieb, wia i gschwitzt hab da in Angst, d’Hosn volla Ruaß, d’Händ voller Sorg, s Gesicht voller Schmier. Und, und dann hod ma da Chef no d’Hand geb’n, aber i habs eam scho gsagt. I zu eam, sog i: O mei, was sei muss, muss sei.
D’Sekretärin hat mir na no meine Babiere geb’n – ja, mei, was sei muss, muss sei. –
B: Jetzt glaub ich schon, dass Sie sich umschulen lassen müssen, vom Sozialpartner zum Arbeiter!
August Kühn, Manuskript. Für: Sati(e)r-Schutz-Verein, mit freier Bearbeitung von Marietta de Monacos berühmtem Ganghofer-Monolog, 1966 und: August Kühns Münchner Geschichten, Frankfurt am Main 1977, 96 f.