Materialien 1968
Ratschlag an einen jungen Freund
Rauche nur ruhig Deinen Joint,
junger Freund,
und achte nicht ihre Gesetze.
Denke daran,
dass die herrschenden Gesetze
nur die Gesetze
der Herrschenden sind.
Und sollte dich
dennoch Skrupel plagen,
so denke daran,
dass auch der Mord
nach ihren Gesetzen
verboten ist, sie aber
Hunderttausende
zum Morden erziehen.
Rauche nur ruhig Deinen Joint,
junger Freund,
und meide ihre Gesellschaft,
denn diese Gesellschaft
ist die beste nicht.
Siehst Du nicht zum Beispiel
wie sie den Alkoholkonsum
verherrlichen,
wie ihre Steuersäckel
sich füllen
von jedem Tropfen Bier,
den der Arbeiter säuft,
wie sie vom Whisky
und Sekt profitieren,
den der Bürger schlürft.
Sieh in ihre Zeitungen,
blick auf ihre Bildschirme,
wie sie lächelnd zum
Alkoholkonsum animieren.
Glaub mir, sie wissen, warum.
Schon immer gab man
dem Söldner zu saufen,
damit er besser morden kann …
Von Dir aber wissen sie,
dass Du nicht töten willst,
dass Dich Haschisch friedlich stimmt,
dass Du nicht willig
nach ihren Gewehren greifst.
Deshalb, mein Freund,
verfolgen sie Dich
und wollen Dir Deinen
Joint verbieten.
Rauche also ruhig,
suche Vergessen und Frieden
und achte nicht auf ihr Geschrei.
Sie brauchen Mörder,
aber keine Menschen.
peter schult1
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1 Peter Schult – Jahrgang 1928, Berliner, kann man als den Vater des Schwabinger Undergrounds bezeichnen. Aggressiv geht er gegen die heutige Gesellschaft vor. Wo immer sich Leute zusammenfinden, um sich für freie Menschenrechte einzusetzen, ist er dabei. Doch nicht immer geht er auf die Straße, um zu demonstrieren. Zu Hause, in seiner Schwabinger „Bude“, arbeitet er an Gedichten und schreibt Bücher. Sein bisheriges Leben verlief ziemlich bewegt: Volkschule, Oberschule, HJ-Führer, Kriegseinsatz, Totengräber, Pferdeknecht, Hilfspolizist, zwischendurch Abitur. Wegen verschiedener Delikte Aufenthalte in Jugendgefängnissen. Gammler. Später Jugendwart, Heimleiter, Mitarbeiter an einigen Jugendzeitschriften. Dann einige Jahre Fremdenlegion, vorher Affäre mit einem Jungen. Rückkehr nach Schwabing. Hilfsdrucker, Bauhilfsarbeiter. Zuletzt Chemiewerker. Dazwischen immer wieder Aufenthalte in Strafanstalten wegen Homosexualität. Ab und zu ein Gedicht veröffentlicht; bezeichnet sich als engagierter Anarchist, Haschraucher, Päderast. Sein letzter Richter sagte zu ihm: „Herr Schult, bei Ihrem Intelligenzgrad haben Sie es nicht nötig, immer Ihren Trieben freien Lauf zu lassen. Denken Sie immer, wenn es Sie packt, an Literatur, denn da stecken Ihre Qualitäten.“ – lu
huma, Dezember 1968, hektografiert und unpag.