Materialien 1988

Keiner will den Schmelztiegel

Aluminium-Wiederaufbereitungsanlage vor den Toren Münchens geplant

Mit einem derart massiven Widerstand aus der Bevölkerung hatte die Firma SASAG nicht ge-
rechnet, als ihre Pläne, in Geiselbullach eine Aluminium-Wiederaufbereitungsanlage zu errich-
ten, publik wurden. Jetzt sieht es so aus, als müsste das von der Regierung von Oberbayern bereits positiv bewertete Raumordnungsverfahren erneut aufgerollt werden.

SASAG – in Worten „Süddeutsche Aluminium-Salzschlacke-Aufbereitungs-Gesellschaft mbH“ – ist das derzeitige Reizwort im Landkreis Dachau und in der Gemeinde Olching im Landkreis Fürsten-
feldbruck. Die Firma, die ihren Sitz in Emmering hat und zu einem Frankfurter Konzern gehört, hatte vor drei Jahren ein Grundstück bei Geiselbullach gekauft, um dort ihr 50-Millionen-Projekt zu errichten. – Eine Alu-WAA, die im Raumordnungsverfahren folgendermaßen beschrieben ist: „Die Recyclinganlage soll einen Gesamtdurchsatz von jährlich 116.000 Tonnen Material verwerten, darunter 80.000 Tonnen Aluminium-Salzschlacke, 17.500 Tonnen minderwertige Krätze und 18.500 Tonnen Krätzestaub. Aus den eingesetzten Stoffen werden jährlich 12.000 Tonnen Alumi-
niumgranulat, 56.000 Tonnen Salz und 48.000 Tonnen Tonerde (Trockensubstanz) produziert. Alle Produkte können in entsprechenden Industrien wiederverwendet werden.“

Mitteleuropäisches Alu-Zentrum?

Den Standort bei Geiselbullach betrachten die SASAG-Manager als ungemein günstig. Führt doch (Verkehrsanbindung) in unmittelbarer Nähe die Autobahn München-Stuttgart vorbei. Gibt es doch bereits eine Müllverbrennungsanlage, deren Abwärme bislang ungenutzt blieb: diese könnte nun billig zum Betrieb der Alu-WAA eingesetzt werden. Existiert doch – ebenfalls ganz nah, in Emme-
ring – schon eine Firma, die seit etlichen Jahren Aluminium einschmilzt. Und gibt es doch unweit davon – in Wiedenzhausen – und auch direkt an der Autobahn eine Deponie, in der diese Firma seit einiger Zeit Salzschlacke lagert.

Bestünde doch die Möglichkeit, im Dreieck Geiselbullach-Emmering-Wiedenzhausen ein Alumini-
um-Zentrum entstehen zu lassen, das Alu-Reste aus der Bundesrepublik, aus Österreich und der Schweiz aufnehmen und wieder aufbereiten könnte. Und denkbar wäre dann auch die Ansiedlung von Fabriken, die dieses Aluminium gleich neu verarbeiten könnten. Alles in allem Voraussetzun-
gen, die die SASAG-Vertreter nur frohgemut stimmen konnten.

Belastung ist zu hoch

Bis die Bürger im Landkreis Wind davon bekamen, was sich da über ihren Köpfen im wahrsten Sinne des Wortes zusammenbraut. Sogleich liefen sie Sturm gegen das Projekt: In wenigen Wo-
chen bildeten sich Aktionsgemeinschaften, Unterschriften wurden gesammelt, Informationsver-
anstaltungen durchgeführt. Landräte, Bürgermeister, der Bund Naturschutz, kirchliche Gruppie-
rungen und sämtliche Parteien ziehen an einem Strick. Ihr gemeinsames Ziel: Verhinderung des gesundheitlich nicht vertretbaren Unternehmens Alu-WAA m Geiselbullach.

Und sie haben auch schwerwiegende Gründe gegen das Projekt vorzubringen: Die Region um Geiselbullach ist heute schon übermäßig belastet durch die Müllverbrennungsanlage, die Abfall aus den Landkreisen Dachau, Fürstenfeldbruck und vielleicht bald auch Starnberg aufzunehmen hat. Auch ein Klärwerk ist dort bereits in Betrieb. Hinzu kommt der jetzt schon unerträgliche Schwer-
lastverkehr. Belastet ist auch der Landkreis Dachau ferner durch eine ganze Reihe von Schadstoff emittierenden Industrieanlagen. Die oft zu beobachtende Nebellage im Dachauer Moos und das Vorherrschen westlicher Luftströmungen verschärft diese Probleme noch. Reizungen der Atemwe-
ge und Hautkrankheiten nehmen schon unter den gegenwärtigen Bedingungen drastisch zu.

Tausende von Unterschriften

Im kleinen Ort Feldgeding haben jetzt fast alle Einwohner gegen das Vorhaben unterschrieben. Johann Mayr, Angestellter der Gemeindeverwaltung Bergkirchen, konnte bis Anfang Februar allein in seiner Gemeinde über 1.500 Unterschriften für die „Aktionsgemeinschaft Feldgedinger Bürger gegen die Alu-WAA Geiselbullach“ sammeln. Nicht anders im Landkreis Dachau, wo sich bis jetzt über ein Drittel aller Haushalte deutlich mit „Nein“ aussprach: die Aktion „Ärzte und Apotheker gegen das AWW“, der sich mehr als sechzig Standesvertreter angeschlossen haben, übergab Anfang Februar mehr als 12.000 Unterschriften an den Dachauer Landrat Hansjörg Christmann – zur Weiterleitung an die zuständigen Stellen in Regierung und Verwaltung.

Auch München betroffen

Aufgrund der überwiegend westlichen Luftströmungen wäre, wie bereits erwähnt, auch München von der Alu-WAA betroffen, insbesondere der Norden und Westen der Stadt. Deshalb raten die Initiatoren der verschiedenen Aktionen im Landkreis den Münchnern, ebenfalls „formlosen Rechtsbehelf“ mit Bezug auf den Raumordnungsbeschluss vom 24. August 1987 bei der Regierung von Oberbayern einzulegen und gegen den Bau der Alu-WAA zu protestieren.

Indes ist auch die Regierung selbst munter geworden. So hat sie Teile des Raumordnungsverfah-
rens zur Korrektur an die SASAG zurückgeschickt (die Teile, die das Nützen von Abwärme aus der Müllverbrennungsanlage betreffen – denn diese Energie ist inzwischen von den Landkreisen Dachau und Fürstenfeldbruck dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck angeboten worden). Und der Umweltausschuss des Bayerischen Landtags beschloss, das gesamte Projekt „landesplanerisch neu beurteilen“ zu lassen (eine Empfehlung, über die das Plenum im März zu entscheiden hat). Trübe Aussichten also im Moment für die SASAG-Manager: das Planfeststellungsverfahren ist wieder in die Ferne gerückt und ein Wiederaufrollen des Raumordnungsverfahrens ist nicht auszuschließen.

Helmar Klier


Münchner Freisinn. Kostenlose Monatszeitung für Politik und Kultur 3 vom März 1988, 6.

Überraschung

Jahr: 1988
Bereich: Umwelt