Materialien 1988

Noh samma wer!

(frei nach GEORG QUERI)

Müaß ma enk doh amal in’s Haberfeld treibn,
im ganzen Isarwinkl hamma’s ausgschickt, unser Ladungsschreibn.
Und werd heunt alles augmährig gmacht von enk Politika-Gselln,
und mir wolln enk enkere Schandtatn schoh kloaweis verzähln
und werds schoh hörn, was für a Grawell aufgeht,
bal ih frag: Is ’s wahr oder net!

Äs in Brüssl, z’ Bonn und in Minka
verzählts uns ganze Büacha
mit Richtlinien und genormta Socka,
und teats ’s ganz Jahr in der Stubn drinna hocka
und verfreßts ganze Zentn Tintn und Papier
und schreibts über d’ Bauernleut und sagts, dees san mir
und net anders.
Bal ma aber net genau a so san, gaabs koa Subvention
und ohne de versoachte Subvention
gaabs koan Bauern net!
Is ’s wahr oder net?

Ja, wahr is’ s!

In d’ vollklimatisierte Mähdrescherkabine habt’s
uns nei gsetzt – uns hat weiters net graust!
Alles hygienisch und sauber, sogar d’ Weiberleut warn
ganz narrisch auf uns feschn Bauernbuam in blauer Uniform.
Dee Sans hamma nimma in’d Prazn gnomma, dee hängt heunt zur Zier
an der Stubnwand – Giftbüchserl san im Schrankerl, so vui wia noh nia,
alls für d’ Natur, auf dass der Woazn schö blüah.
So hamma auf eanka Gheiß nur mehr auf’d Renditn gstiert,
dass dabei der Boden draufgeht und unseroaner net vui später krepiert,
des habts ös uns eibrockt –
Is ’s wahr oder net?

Ja, wahr is ’s!

Dass mir a Schneid ham
und dass ma gstandene Leut san,
habts allaweil in d’ Welt gschrien
und mia Deppn samma eank auf’n Leim
krocha, quasi wia’d Fliagn!
Dee vieln Jahr her hat uns d’ EG z’ Brüssl regiert,
hat an uns rumdoktert und rumprobiert,
unsere Interessen vertretn tean Raiffeisen,
BayWa, d’ Partein, d’ Kircha aa noh, bloß dee werdn
dabei fetta und wir kriagn’s Sterbn –
Is ’s wahr oder net?

Ja, wahr is ’s!

Aber auf unsere Ehr und Seligkeit –
koan Deifi und koan Kiechle hamma noh nia
net gscheucht; und mir san net so lahmarschert als wia
d’ Politiker-Gselln.
Wann’s net ganz schnell anders wurad, na
müaßt ma enker auf ewih in’s Haberfeld treibn!1

Anton Kammerl


Münchner Freisinn. Kostenlose Monatszeitung für Politik und Kultur 9 vom September 1988, 4.

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1 Noch sind wir wer! // Jetzt müssen wir euch doch einmal ins Haberfeld treiben, / im gesamten Isarwinkel haben wir unser Einladungsschreiben verschickt. / Und ihr sauberen Politiker macht ja heutzutage alles richtig öffentlich, / und wir beabsichtigen euch eure Schandtaten schon einzeln aufzuzählen / und ihr werdet es schon hören, was da für ein Krawall entsteht, / wenn ich frage: Ist es wahr oder nicht! // Ihr in Brüssel, Bonn und München / erzählt uns ganze Bücher / mit Richtlinien und genormten Socken, / und dabei sitzt ihr das ganze Jahr in eurer Amtsstube / und verfresst einen ganzen Zentner Tinte und Papier / und ihr schreibt über die Bauern und sagt, dass wir so seien / und nicht anders. / Wenn wir aber nicht genauso sind, gäbe es keine Subvention / und ohne die angepisste Subvention / gäbe es keine Bauern! / Ist es wahr oder nicht? // Ja, wahr ist es! // Ihr habt in die vollklimatisierte Mähdreschermaschine / uns hineingesetzt – das hat uns weiter nicht gestört! /Alles hygienisch und sauber, sogar die Frauen fanden / uns schmucke Bauernsöhne in blauer Uniform attraktiv. / Die Sense haben wir nicht mehr in die Hand genommen, / die hängt heute zur Zierde / an der Zimmerwand – im Schränkchen befinden sich kleine Giftbüchsen, so viele wie noch nie, / alles für die Natur, auf dass der Weizen schön blühe. / So haben wir auf eure Anweisung hin nur noch auf die Rendite gestarrt, / dass dabei der Boden kaputt geht und wir selber nicht viel später krepieren, / das habt ihr uns eingebrockt – / Ist es wahr oder nicht? // Ja, wahr ist es! // Dass wir mutig sind / und dass wir aufrechte, mit beiden Beinen im Leben stehende Menschen sind, / habt ihr unentwegt in die Welt hinausposaunt / und wir Trottel sind euch auf den Leim / gegangen, gewissermaßen wie die Fliegen! / Die vielen Jahre hat uns die Europäische Gemeinschaft zu Brüssel regiert, / hat an uns herumgedoktert und herumprobiert, / unsere Interessen vertreten Raiffeisen, / BayWa, die Parteien, sogar die Kirche, bloß die werden / dabei fetter und wir gehen zugrunde – / Ist es wahr oder nicht? // Ja, wahr ist es! // Aber auf unsere Ehre und Seligkeit – / wir haben noch nie den Teufel und den Landwirtschaftsminister Kiechle / gefürchtet; und wir sind nicht so träge wie / diese sauberen Politiker. / Wenn sich die Verhältnisse nicht ganz schnell ändern, dann / müssen wir euch in alle Ewigkeit ins Haberfeld treiben.