Materialien 1999
Platzverweise ...
und Aufenthaltsverbote werden in der Mehrzahl der Fälle gegen Personen verhängt, die der Drogenszene zugerechnet werden. Generelle, auf genau beschriebene innerstädtische Örtlichkeiten bezogene Platzverweise sowie Aufenthaltsverbote von drei Monaten und länger sind keine Seltenheit. Die Rechtsprechung hat gerade für die genannte Personengruppe sehr weitreichende Aufenthaltsverbote abgesegnet. So bestätigte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) im Februar 1999 den Bescheid der Stadt München, der einem der dortigen Drogenszene zugerechneten Bürger untersagte, „sich in dem Zeitraum von zwölf Monaten ab Zustellung des Bescheids auf allen öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen in den Bereichen der näheren Umgebung des Hauptbahnhofs einschließlich des Alten Botanischen Gartens, der Gebiete um die Bereiche der U-Bahnhöfe Universität und Gieselastraße einschließlich Leopoldstraße, der Münchner Freiheit mit angrenzendem nördlichen Bereich, des Ostbahnhofs und des Orleansplatzes einschließlich der Orleansstraße und der Postwiese gemäß den schraffierten Flächen in den anliegenden Lageplänen aufzuhalten“.1
Es handelte sich nicht nur um den Ausschluss von einzelnen Orten mit Brennpunktcharakter. Mit der beschriebenen Fläche waren der betroffenen Person weite Teile der Münchner Innenstadt unzugänglich. Unverhältnismäßig war die gewählte Sanktion auch, da bei dem Betroffenen kurz vor Weihnachten des Jahres 1997 – also rund ein Jahr vor dem Bescheid – lediglich 2,3 Gramm Haschisch sichergestellt worden waren, die er zuvor zum Kauf angeboten hatte. Dennoch erklärte der VGH in den Leitsätzen seines Beschlusses: ,,1. Das von der Landeshauptstadt München als Sicherheitsbehörde gegenüber dem Antragsteller verfügte Aufenthaltsverbot für bestimmte näher umrissene Stadtgebiete verletzt nicht dessen Recht auf Freiheit der Person i.S. des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz, Art. 102 Bayerische Verfassung. 2. Ein Aufenthaltsverbot für bestimmte näher festgelegte Stadtgebiete für die Dauer von 12 Monaten verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn dem Betroffenen gestattet ist, diese Gebiete zu betreten und sich dort zeitlich begrenzt aufzuhalten, um Angelegenheiten des täglichen Lebens dort zu erledigen (z.B. Behördengang, Benützung öffentlicher Verkehrsmittel).“
Der Beschluss steht keineswegs nur für die scharfe bayerische Linie, die sich wie ein roter Faden durch alle Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes sowie nachgeordneter Gerichte zieht. Beiläufig schränkt das Urteil auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein:
„Ein Aufenthaltsverbot ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur gegen solche Personen gerechtfertigt, die in besonderer Weise an der Bildung und Aufrechterhaltung der offenen Drogenszene beteiligt sind. Dies können Drogenhändler oder Drogenkonsumenten sein, im Einzelfall aber auch Personen, die auf sonstige Weise nachhaltig zur Verfestigung zur Drogenszene beitragen … Auch wenn der Antragsteller, wie er behauptet, weder Drogenhändler noch Drogenkonsument ist, trägt er durch die Häufigkeit, Dauer und Intensität seiner Kontakte zur Etablierung und Verfestigung der offenen Drogenszene bei.“ …
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1 Bayerischer Verwaltungsgerichtshof: Beschluss vom 18. Februar 1999 (Az.: 24 CS 98.3198), in: Bayerisches Verwaltungsblatt 2000, H. 3, 85 f.
Titus Simon: „Kein Platz für Arme. Der Umgang mit Randgruppen in deutschen Städten“ in: Bürgerrechte & Polizei. Cilip 81 Nr. 2/2005, 20 – 27, hier: 24 ff.