Materialien 2003
Kommunismus statt Antikapitalismus
„Der Frieden ist nicht gewonnen. Es gilt jetzt das irakische Volk zu befreien von Diktatur und Fremdherrschaft.“ (Heidemarie Wieczorek-Zeul, stellvertretende SPD-Vorsitzende und Bundes-
ministerin für Entwicklung und Zusammenarbeit, FAZ, 12. Mai 2003)
„Wir wollen keine Amerikanisierung der Gesellschaft, sondern die Sicherung des Sozialstaates.“ (Franz Müntefering, SPD-Fraktionschef im Bundestag, ebd.)
Auch wenn von den 24 namentlich bzw. als anonyme Gruppenvertreter aufgezählten Moderatoren und Referenten ganze vier Autoren der BAHAMAS sind, soll doch vorab Entwarnung gegeben wer-
den: Es ist nicht gelungen, den Kongress „Spiel ohne Grenzen“ zu unterminieren. Zu groß und zu breit war dafür die linke Einheitsfront. Unser Versuch, den Kreisjugendring Ebersberg auf Bellizi-
stenkurs zu bringen, war genauso wenig von Erfolg gekrönt wie die Aktivitäten unseres Mannes im AK Internationale Politik der PDS München, diese Parteigliederung zu einer Solidaritätserklärung an die Adresse der israelischen Regierung zu bewegen. Demzufolge ist diese Konferenz das, was sie verspricht: Ein Marketingevent von vier linken Zeitschriftenredaktionen inklusive schlechter Er-
lebnisgastronomie, exklusive selbstverständlich Agitation in kommunistischer Absicht. Alle vier können mit Fug und Recht von sich behaupten, die übergroße Mehrheit der deutschen Bewe-
gungslinken zu repräsentieren: Im unbedingten Willen, die Verhältnisse umzuinterpretieren, bis sie ins Vorurteil passen, oder falls das misslingt, sie wortreich zu beschweigen. Diese Konferenz ist weder mit Israel solidarisch noch antideutsch, sie ist weder bellizistisch noch antiislamistisch, demzufolge auf alle Fälle sterbenslangweilig und Multiplikator der hausgemachten Depressionen. Um sich gegenseitig zu vergewissern, dass man als Linke überhaupt noch da ist – schließlich kann man sich vom erzlinken und antiimperialistischen Deutschland längst nicht mehr unterscheiden –, eint die ganze Chose wie von selbst nur die Distanzierung von Abwesenden: antideutschen Kom-
munisten und deren Kritik der Verhältnisse. Wenn ein Gutteil der Besucher von konkret über Jungle World, Blätter des iz3w bis Phase 2 auch sonst nicht viel erwartet, so erwartet er doch zumindest die Bestätigung des gemeinsamen Nenners: Die Abwehr der Zumutungen antideutscher kommunistischer Kritik, würde diese doch daran erinnern, wie weit man bereits über diskurstheo-
retische Umwege heim ins Reich gerobbt ist und damit nichts geringeres als die eigene politische Überflüssigkeit begründet hat.
Herr Elser und Herr Egelhofer
Über die lokalen Münchener Veranstalter kann soviel gesagt werden: Wer wie ihr AStA im Wappen immer noch die Umbenennung der München-Uni in Geschwister-Scholl-Universität fordert, dem geschieht es ganz recht, dass er mit dem Kreisjugendring Ebersberg und der PDS zusammenarbei-
ten muss. Wäre der Münchner AStA radikal und demzufolge diese Konferenz auf der Höhe der Zeit, dann würde er sich nicht mit dem spießbürgerlichen Bekenner-Pazifismus der Scholl-Ge-
schwister und ihrer seit 1945 so viel bewunderten Ehrenrettung des deutschen Täterkollektivs identifizieren, sondern sich für einen nun wirklich würdigen Münchner Lokalhelden einsetzen: Einem, der aus Baden Württemberg zu einem Zeitpunkt in die bayerische Landeshauptstadt kam, um den Führer wegzusprengen, als der Krieg erst bis Polen gekommen war, und die Wannsee-Konferenz noch nicht stattgefunden hatte. Hätte dieser AStA einen radikalen Anspruch, dann würde er fordern, dass die Universität nach einem Proleten benannt wird, einem Bellizisten, der die Parole „Krieg dem Krieg“ ernst nahm und folgerichtig nicht 1943 Flugblätter verteilte, sondern im Herbst 1939 im Bürgerbräukeller eine äußerst effektive Höllenmaschine installierte, die bloß durch einen schieren Zufall ihr Ziel verfehlte: Nach Johann Georg Elser, einem Antideutschen der ersten Stunde. Den Platz vor dem Hauptgebäude, der ja schon seit Ewigkeiten Geschwister-Scholl-
Platz heißt, wäre nach einem anderen um München verdienten Bellizisten zu benennen: Dem roten Matrosen Rudolf Egelhofer, der im April 1919 die Rote Armee in München gründete, um den Leu-
ten einen menschenwürdigen Frieden zu sichern, statt ihn jenen zu überlassen, die schon seit dem 9. November 1918 den 30. Januar 1933 vorbereiteten.
Womit wir im Zentrum eines Spiels ohne Grenzen sind. Egelhofer wollte nach einem verlorenen Krieg gegen die Mehrheitsdeutschen die Räterepublik über München und das rote Kolbermoor hinaus durchsetzen und zwar militant. Elser wollte Deutschland Grenzen setzen und dem Nazire-
gime ganz militant den Kopf abhauen, im sicheren Wissen, dass das Schlimmste noch kommen würde.
Mach mit, mach’s nach, mach’s besser
Auf dieser Konferenz wird genausowenig darüber geredet, wer sich denn da zur Speerspitze des Antikapitalismus weltweit macht. Kein Wort über Islam, Sharia und Djihad. Kein Wort über Pan-
arabismus und Islamismus und schon gar kein Wort über Deutschland als Mittler zwischen den Kulturen, als die Nation, die wie keine andere den Dialog zwischen Terroristen, „nation of old europe“ und „nation of islam“ fördert. Deshalb auch kein Wort über zwei amerikanische Kriege und eine deutsche Friedensbewegung. Kein Wort darüber, dass nicht nur die deutsche Öffentlich-
keit insgesamt, sondern auch die sogenannte kritische Linke vertreten durch vier Zeitschriften alle Lügen dieser Bewegung geteilt hat:
Lüge 1: Es würde zigtausende zivile Tote in Afghanistan 2002 und im Irak 2003 geben. Lüge 2: Es würde sich niemals etwas bessern in Afghanistan und im Irak durch den bewaffneten Sturz der Regime. Lüge 3: Unmöglich könnte die Bevölkerung in Afghanistan oder im Irak sich durch den Einmarsch der US-Army befreit fühlen. Lüge 4: Beide Kriege seien eher eine Bedrohung als eine Entlastung für den jüdischen Staat.
Sie befinden sich also, geneigter Leser, auf einer Konferenz der Mitmacher. Und mitmachen in Deutschland heißt seit dem Sommer 2002 sich mit Volk und Regierung gegen den Irakkrieg zu solidarisieren. Mitmachen heißt seither, die Friedensbewegung zu kritisieren, um eine noch radi-
kalere, antikapitalistischere zu installieren. Mitmachen heißt die Entsolidarisierung mit dem jüdischen Staat vorantreiben und Schreckensherrschaften wie das Baath-Regime im Irak und seinen feindlichen Bruder in Syrien als Ausdruck des Widerstandes gegen amerikanischen und israelischen Imperialismus propagandistisch zu stützen. Mitmachen heißt, mit dem Schröder gegen Amerika und mit dem DGB gegen Schröder zu sein. Mitmachen heißt vor allem, den An-
schluss nicht zu verlieren an die antikapitalistischen deutschen Volksmassen.
Geneigter Leser, fragen Sie doch einmal die Redakteure der mitveranstaltenden Blätter des iz3W, warum sie folgenden kaum verhüllten Vernichtungswunsch vor dem Krieg ins Blatt rückten und seither nicht mit Ausdruck tiefster Beschämung widerrufen haben: „Ein Krieg würde kurzfristig eine humanitäre Katastrophe bedeuten, würde mittelfristig die Ressentiments in der ganzen Regi-
on gegen den Westen, die USA und Israel stärken (…). Deswegen scheint mir das Beste zu sein, den Irak durch (…) ein kontrolliertes Embargo (…) in die Knie zu zwingen (…). Und: Ablehnung des Krieges, solange das Regime keine akuten Gewaltexzesse nach innen oder gegen Israel betreibt (…). Wenn Saddam Hussein aber tatsächlich Massenvernichtungswaffen einsetzt, dann geht an einer sofortigen militärischen Intervention (…) kein Weg vorbei.“ (März 2003; Hrvhbg. die Red.) Gehen Sie doch einmal zum Stand der Schweizer Zeitschrift Risse, die den Kongress Spiel ohne Grenzen unterstützt. Fragen Sie ruhig, warum der verantwortliche Redakteur Lukas Germann in der vierten Ausgabe im Februar 2003 folgendes schrieb und warum nie ein Widerruf erfolgte: „Ein weiteres Argument, das von linken Kriegsbefürwortern zuweilen ins Feld geführt wird, ist, dass ein Krieg gegen den Irak, der das Ziel des Sturzes von Hussein habe, nötig sei, um Israel zu schützen. Hier ist aber genau das Gegenteil der Fall. Würde doch ein amerikanischer Angriff auf den Irak das psychopathisch antisemitische Regime in Bagdad erst so richtig dazu veranlassen, wenn irgendwie möglich Israel und seine Bevölkerung zu attackieren.“
Sprechen Sie die Mitveranstalter von der Jungle World, doch einmal darauf an, warum in ihrer Ausgabe vom 9. April 2003 unter dem Titel „Das Elend der Befreiung“ ihr Israel- und Antisemi-
tismusexperte Stefan Vogt, ein bekennender Antizionist und Freund des palästinensischen Un-
heils, schreiben durfte: Vergessen werde „dass gerade Israel durch den Irakkrieg und die damit verbundene Destabilisierung des Nahen Ostens besonders bedroht ist. (…) Da die US-Regierung die Realisierung des Friedensplans vom Erfolg des neuen palästinensischen Ministerpräsidenten Abu Mazen abhängig macht, wird die rechtsgerichtete israelische Regierung alles daran setzen, diesen Erfolg zu verhindern. Darin ist sie mit den Islamisten einig (…)“.
Und versuchen Sie einmal das Geraune von Hermann L. Gremliza zu verstehen, der sich die anti-
amerikanischen Generalpläne vom Trampermann zusammenstoppeln lässt, um selber dergleichen zu verlautbaren: „Auch der für die USA günstigste Ausgang des Abenteuers wird die Lehren, die auf dem Weg dorthin bezogen wurden, nicht aus der Geschichte streichen.“ (konkret 4/03) Oder „Das tägliche Leben zeigt, dass gute Menschen aus besten Motiven Unheil anrichten können und böse aus miesen Nützliches“. Bzw. „[b]estünden die Bodenschätze des Iraks statt aus Öl aus Sau-
erkraut, hätte kein GI Bagdad je betreten.“ (konkret 05/03). Was will er uns damit sagen? Meint er, wenn die USA mit ihrer Armee den Nahen Osten vom schlimmsten Unglück befreien sollten, dann gilt das nicht, weil sie eigensüchtige Interessen haben? Meint er, Befreiung sei nicht Befrei-
ung, wenn anderswo in der Welt nicht auch der Rest der Menschheit befreit würde? Oder: Wer sein Werk nicht reinen Herzens tut, sondern aus bösen Gründen das Gute, dessen antifaschistischer Krieg sei eben doch irgendwie faschistisch? Fragen Sie die Herren von konkret auch einmal da-
nach, warum ihr Herausgeber noch im März dieses Jahres 50 bis 100.000 Tote Iraker wegen Kollateralschäden befürchtete und fragen Sie auch, warum bis heute kein Widerruf erfolgt ist.
Fragen Sie beispielsweise auch ruhig einmal die Nachfolgeorganisation der Antifaschistischen Ak-
tion Berlin oder die Münchner PDS, ob sie dem Kampfblatt des sozialdemokratischen Antiimperia-
lismus, der Süddeutschen Zeitung vom 12. Mai 2003 zustimmen, die ein Resultat des Irakkrieges zähneknirschend so formuliert hatte: „Die Feinde Israels stehen also geschwächt da.“
Vor allem: Fragen Sie bitte genau nach. Denn könnte es nicht sein, dass den Ausrichtern dieses Kongresses genau dieses Resultat, das antideutsche Kommunisten nicht nur prognostiziert haben, sondern wärmstens begrüßen, ganz unangenehm ist, und ob sie nicht eigentlich die allmähliche Schwächung und schlussendliche Preisgabe des jüdischen Staates herbeiwünschen?
„Der Frieden ist nicht gewonnen, es gilt jetzt das irakische Volk zu befreien von Diktatur und Fremdherrschaft.“ Ist dieser Satz der Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wiczorek-Zeul nicht das Motto jenes wirklichen Spiels ohne Grenzen, das Deutschland auf Seiten von barbari-
schen Mördern gegen die Zivilisation austrägt und dessen ersten Waffengang es zum Glück zusam-
men mit Saddam Hussein verloren hat? Sollte Ihnen, geneigter Leser, auffallen, dass fast alle die-
sen Satz unterschreiben könnten, die für deutschen Frieden stehen, alle von Ebermann zu Gremli-
za, von der Redaktion der Süddeutschen Zeitung zu der der Risse, von der Jungle World bis zum PDS-Vorstand, dann sind sie auf der richtigen Fährte. Fragen Sie sich ruhig einmal, warum auch der NPD-Vorstand, der schon lange „Hoch die internationale Solidarität“ schreit, genau das mit-
trägt. Scheuen Sie sich also nicht vor der Einsicht, dass der regierungsamtliche deutsche Antiim-
perialismus, den die gesamte Linke abfeiert, auch den geistigen Paten der Konferenz Spiel ohne Grenzen abgibt.
War da mal ein Krieg?
Was macht die deutsche Linke 2003 in München? Diskutiert sie über die militante Befreiung der irakischen Bevölkerung von Krieg und Schreckensherrschaft durch die US-Army? Macht sie sich Gedanken darüber, dass eine Nation, die ein faschistisches Regime niedergekämpft hat, einen antifaschistischen also gerechten Krieg geführt haben könnte? Steht überhaupt das wichtigste Ereignis dieses Jahres, der Irak-Krieg, im Mittelpunkt der Diskussionen? Nein, nicht im minde-
sten, er kommt einfach nicht vor. Es steht zu vermuten, dass man gerne nach München fährt eben gerade, weil darüber nicht gesprochen werden soll, man also nicht in Sorge sein muss, hier an seine eigene linksdeutsche Verkommenheit erinnert zu werden.
Gerade das, worüber man so betont nicht spricht, verdeutlicht die Intention des Events: Wo man sich blamiert hat, da schweigt man und macht unverzagt weiter bis zum nächsten Mal, wenn es gilt, sich durch die Massen von Friedensfreunden dumm machen zu lassen und sich anschlussfähig zu geben, um auf Seiten von Antiimperialisten, Faschisten und Islamisten gegen Israel und den großen Satan mitmachen zu können.
Man hat sich nicht etwa nur stillschweigend darauf geeinigt, dass dem Unheil in der Welt nun mal nicht beizukommen sei. Nein, man will es gar nicht erst wahr haben und wirft deshalb zur Abwehr der Konsequenzen, die sich aus einer genauen Betrachtung „antikapitalistischer“ Regimes und Bewegungen ergeben müssten, mit Worthülsen wie „rassistisch“, „eurozentristisch“, „geschichts-
revisionistisch“ oder „geschichtstelelologisch“ um sich und startet Pseudobemühungen um eine „differenzierte“, der „Komplexität“ der Sache angeblich angemessene Sichtweise. So definiert man die Baath-Herrschaft nicht als das nazistische Übel, das sie war, und freut sich über die einhellige Ablehnung des antifaschistischen Waffenganges der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak in vier linken Zeitungsredaktionen, die sich damit buchstäblich als Anti-Antifas disqualifiziert haben.
München 2003 zeigt sich seiner Rolle als heimliche Hauptstadt einer Bewegung würdig, die mit der Begleitmusik eines notorischen Geschwurbels und Lavierens für Friedenssehnsucht, Völker-
freundschaft und ganz viele Antis steht: Antiimperialismus, Antirassismus, Antikolonialismus und natürlich Antisexismus. Eine Bewegung, die in Deutschland spätestens seit dem Tod ihres Märty-
rers in Genua mit Vorliebe italienisch redet und unter der den Schwulen und Lesben geraubten Regenbogenfahne „PACE“ einfordert, weil diese ihnen das Symbol einer natürlichen, fein säuber-
lich getrennten Ordnung der Völker und Kulturen ist. Einer Bewegung, die für sich in Anspruch nehmen kann, auch in jenen europäischen Ländern, die sich für den Irakkrieg ausgesprochen haben, die Bevölkerungsmehrheit gegen die Regierungen zu repräsentieren, die aber nur in Deutschland den Schulterschluss zwischen ganz links und ganz rechts, zwischen Regierung und Linksradikalen 90prozentig zu stiften vermochte.
Pace den Schwulen- und Judenmördern
Ein Drittel der Menschheit lebt in Ländern mit islamischer Bevölkerungsmehrheit, in denen der Islam teils Staatsreligion ist, teils bereits von Gesetzgebung und Staatsgewalt nicht mehr zu tren-
nendes ideologisches Ferment. In allen diesen Ländern leben wie überall auf der Welt auch Schwu-
le und Lesben – immerhin 10% der jeweiligen Bevölkerung. Sie werden bedroht und gegängelt (Türkei), kriminalisiert und eingeknastet (Ägypten) und hingerichtet (Baath-Irak, Iran, Saudi-Arabien…). Das zu wissen, reichte der Amnesty-Bericht völlig aus, dazu bräuchte es keine BAHA-
MAS. Für die kollektive Identität von Ländern, in denen die Verfolgung von Homosexualität zur natürlichen Kultur und zum nationalen Menschenrecht erklärt wird, streitet die No-Global-Be-
wegung genauso wie im gleichen Atemzug gegen die USA, wo traditionell Schwule und Lesben am unbehelligsten leben können. Doch darüber redet man nicht beim Spiel ohne Grenzen in München, das ist zu vernachlässigendes Beiwerk auf der Suche nach der passgerechten Großtheorie, die man der Wirklichkeit überstülpen will, um von ihr um so weniger zur Kenntnis nehmen zu müssen und sich gar zu eingreifender Praxis genötigt zu sehen. Genauso wie man nicht viel Aufhebens davon zu machen gedenkt, was der jüdische Staat allein auf weiter Flur in der arabischen Region zu garan-
tieren vermag: Eine Gesellschaft, in der Prostituierte nicht gesteinigt werden, in der Schwule und Lesben in völliger Freiheit homosexuell sein dürfen, in der Frauen sich scheiden lassen können, wann sie wollen und in der eine große arabische Minderheit von all diesen Freiheiten partizipieren kann und teilweise davon auch Gebrauch macht. Nirgends finden sich so viele offen homosexuelle Araber wie in Israel: Sie sind so frei, sich nicht verstecken zu müssen. Die Pace-Bewegung aber marschiert mit der Fahne der Homosexuellen für die Rechte von Schwulen-, Frauen- und Juden-
mördern und behauptet, weder homophob noch antisemitisch zu sein. Über ersteres redet man nicht, zweiteres streitet man frech ab. Man sei nicht gegen die Juden, man nehme nur sein Recht in Anspruch, auch Israel kritisieren zu dürfen, ganz wie der Mölle- oder der Zuckermann, die NPD oder die PDS, die zum Spiel ohne Grenzen aufruft. Man kritisiert Israel als Seuchenherd in einer kulturell ganz anders beschaffenen Region. Ein Seuchenherd, von dem die Befreiung der Sexualität auch unter Arabern ausgehen könnte und vielleicht sogar die Desertion der Individuen aus den natürlichen Gefängnissen wie Familie, Sippe oder Volk. Israel, da sind sich alle einig, ist ein Ort der Unkultur, in der sich alles Leben amerikanisiert und die noch vor dem eigenen Aufbaumythos aus Solidarität und Arbeit, der die zionistische Bewegung zunächst zusammenhielt, nicht Halt macht.
Demzufolge ist Israel nicht nur islamistischen Mördern Inbegriff einer tödlichen Gefahr für Natur und Volkstum, für Opferbereitschaft und stumpfesten Kollektivismus, sondern all jenen, die sich als „internationale Gemeinschaft“ oder „globale Bewegung“ zusammenrotten. Dass die internatio-
nalen Gremien der UN und der mit ihnen zur Ununterscheidbarkeit verschwippten und verschwä-
gerten Organisationen der no globals nicht die widerwärtigen Zustände anprangern, die in fast allen Ländern herrschen, die dauernd auf Israel herumhacken, weiß man zwar, aber in einem Spiel ohne Grenzen wird darüber nicht geredet. Mit Vorliebe redet man dort über „strukturellen Antise-
mitismus“ und „verkürzte Kapitalismuskritik“, als gäbe es keine Antisemiten, die man bekämpfen müsste und als gälte es, eine Kritik zu verlängern, die nur etwas zu kurz geraten ist.
Antikapitalisten für Deutschland
Soviel glaubt man zu wissen unter no globals und der Riege mit ihnen sympathisierender „Kriti-
ker“: Der Kapitalismus sei für Hunger und menschenunwürdiges vegetieren verantwortlich. Er zwinge alles Leben, alle Produktion und allen Tausch unter seine Gesetze und zerstöre die Tradi-
tion, den menschlichen Zusammenhalt und mache die Elenden noch Elender. Der Kapitalismus wird als ein Ausbeutungszusammenhang gedeutet, der irgendwie dafür sorge, dass die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer würden. Hinter diesem Spiel ohne Grenzen, so glaubt man zu wissen, stünden die kapitalistischen Führungsmächte, die bewaffnet eine Weltordnung aufrecht erhielten, die nichts anderes zuließe als das kapitalistische Ausbeutungssystem. Wer aber fragt nach der Qualität jener vorkapitalistischen Verhältnisse, die da abgeschafft worden sind und wer erkundigt sich nach den alternativen Gesellschaftsmodellen, die von globalisierungskritischen Antikapitalisten vorgetragen werden? Könnte es nicht sein, dass der völkische Terror der globali-
sierungskritischen Welt einfach den Kapitalismus ohne Widerspruch, die Tauschgesellschaft ohne Kritik, die Gemeinschaft ohne Individuum anstrebt? Ist es nicht so, dass der Antikapitalismus von Globalisierungsgegnern nationalsozialistisch gestimmt ist und nicht die Befreiung sondern die Verewigung des Elends und der Unterdrückung im Schilde führen, wie die islamischen Bewegun-
gen es schon einmal vormachen und wie deutsche Stichwortgeber von der Süddeutschen Zeitung bis zur Frankfurter Rundschau und taz es dauernd einfordern?
Weil man die Kritik der politischen Ökonomie nicht ernst nimmt, nicht also begreifen will, dass das Kapital zuallererst nur eines ist, ein gesellschaftliches Verhältnis nämlich und keine Aufspal-
tung von Sphären, die man als „Antagonismen“ nur theoretisch eintüten müsste, ist es kein Wun-
der, dass die Münchener Veranstalter sich zur Freude von mehr oder weniger „marxistischen“ Blättern wie konkret, Jungle World, iz3w und Phase 2 nicht entblöden, die eine Kritik in eine der „politischen Ökonomie“, in eine von „Kultur und Identität“ und in „Ideologiekritik“ mundgerecht zu zerlegen und damit dem Bedürfnis gerecht zu werden, dem das Zusammendenken der Sache zu anstrengend ist und das statt dessen lieber semi-akademische Teildisziplinen erfindet. So setzt sich dieses Bedürfnis nach „differenzierter“ Kapitalismuskritik mit jenem volkstümlichen, eliminatori-
schen Antikapitalismus ins Benehmen, der den Zielanflug auf weitere Twin-Towers geistig immer schon antizpieren muss. Hinter dem Differenzierungs-Geklapper steckt strammer Autoritarismus, der zwar nicht funktioniert, aber dafür allen Ressentiments freien Lauf gibt und in seinem Kern über folgendes nicht hinauskommen kann: „Die einzige Form wirklich alternativer Wirtschaftspoli-
tik wäre der staatliche Zugriff auf die Vermögen der Reichen und ihre Nutzbarmachung für Neuin-
vestitionen. Das nennt man Sozialismus (…).“ (Jürgen Elsässer, junge Welt, 29. April 2003)
Antikapitalismus sozialdemokratischer Prägung ist DGB plus PDS, ist schwedischer Wohlfahrts-
staat und Reihenhaus-Paradies, ist stalinistisches Arbeitsethos und Gesinnungsterror. Kurz: Die Herrschaft der Gleichen über sich selber, als unbarmherzig strafender Ausschluss der Anderen, die als Einzelgänger oder Homosexuelle, als Perverse oder Juden aus der Reihe des Völkerrechts und der Gerechtigkeit tanzen. Antikapitalismus Marke Trikont unterscheidet sich davon nur im unmit-
telbar blutigen Vollzug, als Herrschaft von Sharia und Djihad, als System der Almosen und der De-
mut, der öffentlichen Blutgerichte gegen Schwule und Prostituierte. Oder er bestraft „unafrikani-
sches Verhalten“ oder inszeniert eine indigene Volkstumsidylle, die wie jede maoistische Bauern-
revolution in ihrer Konsequenz über unendliche Leichenfelder zu gehen bereit ist.
Antikapitalismus ist eine national-sozialistisches Programm, es stammt von den Strasser-Brüdern und dem konservativen Revolutionär Moeller van den Bruck. Es wurde von Hitler stets ernst ge-
nommen. Antikapitalismus ist seinem Wesen nach gegen die Befreiung der Einzelnen und für den Triumph des völkischen Prinzips, also immer auch gegen den Kommunismus. Er ist freiwilliger Wahrheitsverzicht und Kulturrelativismus. Antikapitalismus ist deutsche Ideologie, die den Feind schon jeher im Liberalismus erkannte, welcher in der Vernichtungsphantasie drei Agenturen be-
sitzt: Anglo-amerikanischer „Plutokratismus“ plus jüdische Weltverschwörung plus kommunisti-
sche Weltrevolution. Deshalb waren sozialistische Staaten wie Nasser-Ägypten oder Saddam-Irak ganz im deutschen Sinne antikapitalistisch: Sie vertrieben und ermordeten die Juden, verfolgten und ermordeten die Kommunisten und ließen sich dazu noch von der Sowjetunion hochrüsten.
Nicht Antikapitalismus, nicht Dritter Weg und schon gar nicht Abkehr von westlichen Werten, son-
dern Kommunismus ist das Ziel. Und der entspringt nicht der dörflichen Lebens- und Schicksals-
gemeinschaft in Chiapas, auch nicht der Elendselbstverwaltung durch linke Manager wie in Porto Alegre oder in manchen südamerikanischen Großstadt-Slums, wo NGOs und einheimische Bettler ein rigides Regime zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Elend installieren: Weil kommunisti-
sche Kritik die Herrschaft des Menschen über den Menschen aufheben will, kann sie nichts mehr ablehnen als den Antikapitalismus, die Verherrlichung personaler, direkter und kollektivierender Herrschaft. Diese zu zerschlagen muss ihr vordringlichstes Ziel sein: In dieser Perspektive ist die amerikanische Befreiung des Irak mindestens ein entschlossener Schritt gegen die falsche Rich-
tung: Eine größere Schande, als dass der amerikanische Verteidigungsminister die globalen Linke mit den Worten „Freedom Is Untidy“ daran erinnerte, was eigentlich ihr Part hätte sein müssen, kann es für diese nicht geben.
An dem nationalsozialistischen Unheil, das der globalisierungskritische Antikapitalismus für die Liberalen und die Amerikaner, für die Schwulen und die Juden bringen würde, wenn ihm nicht von der US-Army Grenzen gesetzt werden, ist innerhalb der Reihen der Pace-Meute keine „eman-
zipatorische“ Kritik denkbar. Die Kritik an den no globals muß sein, was Kritik immer schon ver-
hieß: Kompromisslos und zerstörerisch, rücksichtslos und ohne Scheu vor dem eigenen Resultat. Deshalb kann sie nur von außen kommen und nur antideutsch und kommunistisch sein.
Wer aber für sich in Anspruch nimmt, solche Kritik zu leisten, der wird mindestens zwei Fragen beantworten müssen: Warum in drei Teufels Namen war man gegen den Krieg der Amerikaner und Briten zum Sturz des faschistischen Baath-Regimes? Und warum können die Fakten nicht dazu bewegen, wenigstens nach dem 9. April 2003, dem Tag der Befreiung Bagdads, endlich zu sagen: Ja, man hat sich geirrt, man ist Antiamerikanismus und Antiimperialismus aufgesessen, gegen besseres Wissen, aus dem einzigen Grund, weil man mitmachen wollte in einem Spiel ohne Grenzen, das in Wirklichkeit den Weltkrieg gegen die Juden meint.
München, 23. Mai 2003
Freundeskreis Rudolf Egelhofer (Dachau),
Georg-Elser-Gesellschaft gegen organisiertes Deutschtum (Rosenheim),
Redaktion BAHAMAS (Berlin)