Materialien 1980

Asterix und das Atomkraftwerk

Also bei aller Liebe zu Asterix und Konsorten muss man mal feststellen, dass deren Zeichner Uderzo und Texter Goscinny sich ganz schön die Hucke voll verdient haben mit den unzähligen Bänden (wieviel -zig sind das inzwischen?) und den unzähligen Lizenzen in aller Herren Länder. Aber, mein Gott, wir haben schon viel gelacht darüber, und da sei’s ihnen halt auch gegönnt, und der Texter Goscinny hat ja eh nix mehr davon, der ist nämlich vor ca. einem Jahr gestorben.

Noch bisschen früher kam mal ein Sonderband raus, ein ganz besonderer, der hieß „Asterix und das Atomkraftwerk“. Und dass es ein Sonderband war, sah man nicht nur daran, dass er etwas kleiner im Format und statt bunt nur schwarz/weiß war, sondern dass er auch gar nicht von den oben genannten Autoren stammte: im Verlag „plutonium“ erschienen, zeichnete für die Zeichnungen ein gewisser U. Raub verantwortlich und für den Text ein gewisser G. Druck.

Nun hätte das ja den Herren Uderzo und Goscinny (von denen – wie gesagt – der letztere bald starb; und wir werden gleich noch sehen, dass es uns umgekehrt lieber gewesen wäre) wurscht sein können; aber nein, Herr Uderzo fühlte sein Urheberrecht verletzt und, was ihn sicher mehr schmerzte, um die Kohle geprellt, die damit verdient wurde und die nicht ihm, sondern laut Impressum der Bewegung „Kein AKW in St. Tropez“ zugutekommen sollte.

Folglich erstattete Herr Oderso Anzeige gegen Unbekannt, und da sein deutscher Lizenzanwalt in München sitzt, begann die hiesige Staatsanwaltschaft zu ermitteln. Ihr Verdacht fiel denn auch auf eine ihr sattsam bekannte Adresse, Breisacherstraße 12, wo die Ulenspiegel-Druckerei üblicherweise Schülerzeitungen, Frauenzeitung, Hausbesetzerflugblätter oderso druckt. Dort erschienen letzte Woche ca. 20 Damen und Herren des Morgengrauens bei strahlendem Sonnenschein und suchten gründlich nach Beweisen dafür, dass Ulenspiegel an dem AKW-Asterix-Band beteiligt gewesen sei. Sie suchten in der Druckerei, im Keller, im Lager, in den Autos hinten aufm Hof, in der Wohnung im 3. Stock (Guten Morgen, Uta und Anna) – aber finden taten sie nix.

Zu gleicher Zeit suchte ein kleinerer Trupp von Beamten nach Beweisen für den Comic-Klau in dem 80 km von München auf dem Land gelegenen Ort Seifriedswörth. Sie suchten dort nicht etwa, um dem ehemaligen BLATT-Zeichner Seyfried nachzuspüren (so dumm sind die Beamten ja auch nicht, dass sie sich ein i für ein y vormachen ließen), sondern weil die Inhaber der Ulenspiegel-Druckerei, Irene und Guido, zwei Tage zuvor dorthin auf einen Bauernhof gezogen waren. So sahen sich die Beamten von ca. 26 Umzugskisten und ca. 14 Müllsäcken umstellt, die sie akribisch durchwühlten (und hinterher wieder ordentlich aufräumten – muss man ja auch mal lobend erwähnen) – aber finden taten sie hier auch nix.

Und dann gab es da am gleichen Tag noch eine Hausdurchsuchung, und dort – endlich – wurden die Fahnder fündig. Sie nahmen sich das Haus der Eltern von Irene vor, durchstöberten das ehemalige Kinderzimmer von Irene, und in ihrer Beweisnot entblödeten sie sich nicht, folgendes sicherzustellen:

» Als erstes fotografierten sie einen Radiergummi in Form des berühmten Obelix,

» als zweites fotografierten sie eine Laubsägearbeit von Irenes kleinem Bruder, den berühmten Troubadix darstellend,

» und als drittes und letztes beschlagnahmten sie einen Schulaufsatz, den Irene vor 10 Jahren in der 11. Klasse geschrieben hatte, Titel: „Asterix macht Abitur“, womit wohl ggf. die langfristige Vorbereitung dieser Urheberrechtsverletzung nachgewiesen werden könnte.

Während nun die Münchner Staatsanwaltschaft solcherlei Späßchen nachgeht, sitzt Herr Uderzo auf seinem Tuschekasten, knabbert an den Nägeln und bibbert um seine Tantiemen – zwischen 30.000 und 500.000 Mark würden ihm nach geltendem Urheberrecht wohl zustehen. Und wir fändens toll, wenn der Fischhändler Verleihnix mal bei ihm vorbeigehen würde, um ihm einen faulen Fisch um die Ohren zu schlagen.


Blatt. Stadtzeitung für München 180 vom 2. September 1980, 7.

Überraschung

Jahr: 1980
Bereich: Atomkraft