Materialien 2006
Für ein allumfassendes Streikrecht!
Beschluss der Bezirksfachbereichsversammlung des Fachbereichs 8 von ver.di München am 7. Oktober 2006 (Verabschiedet auf dem ver.di Bundeskongress 2007)
Angesichts des massiven Abbaus sozialer und demokratischer Rechte darf das Streikrecht nicht länger auf tariffähige Ziele begrenzt bleiben. Wir fordern den verdi-Bundesvorstand auf, sich für ein allumfassendes Streikrecht nach den Maßgaben der Europäischen Sozialcharta, einschließlich des politischen Streiks und des Generalstreiks, einzusetzen, die Gewerkschaftsmitglieder über seine Notwendigkeit zu informieren und für Aktivitäten zu mobilisieren.
Begründung:
Die Angriffe der Unternehmer auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten sind so schwer und tiefgreifend, dass sie nur bei gemeinsamer Gegenwehr aller Gewerkschaften zusammen verteidigt werden können. Nur durch Streik kann der Abbau unserer demokratischen und sozialen Rechte weiter verhindert werden. So begrüßenswert der Aufruf zu den Protestaktionen am 21. Oktober auch ist, sie werden nur zum Erfolg führen, wenn sie in den Betrieben fortgesetzt werden, während der Arbeitszeit. In diesem Sinne äußerten sich auch die verdi-Vertreter auf einer Funktionärskonferenz der Region Stuttgart.
Außer in Deutschland ist der politische Streik in Europa nur noch in Großbritannien und Dänemark verboten. Nach Meinung des Sachverständigenausschusses für die Kontrolle der Einhaltung der Europäischen Sozialcharta verstößt das deutsche Arbeitskampfrecht mit seiner Begrenzung auf tariflich regelbare Ziele sowie das gewerkschaftliche Streikmonopol gegen die Sozialcharta.
Das Ministerkomitee des Europarates erteilte dementsprechend im Februar 1998 der Bundesrepublik die „Empfehlung“, die Ergebnisse des Expertenausschusses zu berücksichtigen. Geschehen ist bis heute nichts.
Die gegen Streiks gerichteten Urteile des Bundesarbeitsgerichts u.a. verstoßen also mehrheitlich gegen die Bestimmungen der Europäischen Sozialcharta (ESC). In der Ziffer 4 des Artikels 6 heißt es dort in allgemeiner Form, dass „das Recht der Arbeitnehmer … auf kollektive Maßnahmen einschließlich des Streikrechts im Falle von Interessenkonflikten …“ garantiert ist.
Daraus leitet der für die Überwachung der Einhaltung der ESC zuständige Sachverständigenausschuss des Europarats die Zulässigkeit von Solidaritätsstreiks und auch von Arbeitsniederlegungen, die nicht von der Gewerkschaft getragen werden, ab.
Die Bundesregierung wird uns auch weiterhin nicht den Gefallen tun, das deutsche Arbeitsrecht in diesem Sinne zu ändern, wenn wir uns nicht dafür einsetzen. Rechte bekommt man, indem man sie sich nimmt, konstatierte der ehemalige Vorsitzende der IG Medien, Detlef Hensche.
Freidenker 3 vom September 2011, 16.