Materialien 1986

Kir Royal

Schimmerlos glanzlos

Vor Jahren gab’s mal einen Rechtsstreit um das Getränk Kir Royal. Ein Abfüller hatte das Gebräu nach eigener Rezeptur herausgebracht, und die Urheber des Originals wollten ihm dies verbieten. Ich glaube, seinerzeit mit Erfolg.

Rechtsstreit und anderen Zank gibt es auch um die Fernsehserie gleichen Namens, die jüngst in bundesdeutsche Fernsehaugen floss. Da wurde doch für die erste Folge tatsächlich die Ausseg-
nungshalle des Ostfriedhofs benutzt, um ein geschmacklos aufgemotztes Restaurant im römischen Stil zu präsentieren. Halbnackte Kellnerepheben und die überall gleiche Nouvelle Cuisine-Speise-
karte, abscheulich, rief die Münchener CSU, meinte damit aber nicht die kulinarischen Kreationen (pardon: Creationen). Wo sonst bekleidete Leichen zur letzten Ruhe geleitet werden, wurden hier Geldscheine auf nackte Ärsche geklatscht. Der Episkopat störte sich an einer anderen Folge. Da wurde ein Beichtstuhl, statt zur Verrichtung religiöser Geschäfte, benützt, ein recht weltliches Geschäft auszuhandeln.

Doch nicht nur die Kirche & Reaktion traten auf den Plan. Die offizielle Kritik war’s auch nicht zufrieden. Sie vermisste die sonst vom Autor gewohnte Subtilität, alles sei zu derb hier, um meh-
reres zu dick aufgetragen, nackte Busen und Cancan oder Mutterliebe, Fluglärm und Herzinfarkt. Und überhaupt, trotz all der guten Schauspieler und schönen Menschen, wo denn da der Hinter-
sinn bleibe?

Eins kann man nicht behaupten, dass die Väter von Baby Schimmer los und Herbie Fried, von der Unruh, von Mona und Lisa usw., keinen Schimmer hätten von der Bussi-Gesellschaft. Sie kennen die ungeschriebenen Gesetze, die dort gelten. So geht es zu bei den feinen Leuten, nicht wahr? Sie sind Schweine, bei der Herlinde Kölbl konnte man das auch schon so schön sehen. Aber das ist ja das Menschliche dran, denn Schweine sind wir irgendwie doch alle ein bißl, gell? Der Bankrotteur erschießt sich mit Anstand, und der Klebstoff-Heini will halt auch einmal Mensch sein und die Sau rauslassen, wer will das nicht? Und geschoben wird, au weia, aber irgendwie hatten wir uns das so ähnlich sowieso vorgestellt.

Nein, das war nicht grad Dallas auf Deutsch. Die Schurkereien sollten nicht bloß unterhalten, sondern auch belustigen, und die Schurken sollten tatsächlich lächerlich gemacht werden, runter vom hohen Podest mit ihnen. Diese Welt mit ihren Übertreibungen, sie trug tatsächlich den Stempel der Wirklichkeit, weil alles so unwirklich war. Und doch fehlte die nötige Schärfe. Der fußbadende Ministerpräsident war halt zu komisch. So ist es mit der Mischung aus Kritik und Sentiment: herber Champagner (extra brut) (der Autor scheint ja ein richtiger Kenner zu sein) & süße Creme de Cassis, die schmeckt und macht besoffen – und in bestimmten Kreisen ist sie sehr beliebt. Einmal glaubte ich, jetzt haben sie es doch geschafft und halten dem Publikum einen Spiegel vor. Das war, als das erboste Volk Babys Wagen demolierte, im Gegenzug, nachdem Baby Volkes Bild von der schönen Märchenprinzessin vom Hasenbergl demoliert hatte. Und als Baby dann noch so richtig unten durch war, und nun kam sein Fotograf und sagte, „hör mal, machen wir doch weiter, und Journalismus muss ja nicht so sein. Und auch die Unruh meint, die Wahrheit muss man schon bringen, aber halt nicht jede Wahrheit und nicht jede Wahrheit auf die gleiche Weise“ – und es war abzusehen, Baby wird wieder mitmachen, da kam ein wenig zum Vorschein von der Komplizenschaft einer Gesellschaft und eines Berufsstandes („Lumpenpack der Bourge-
oisie“) und davon, wie die Mechanismen laufen, wenn einer seine Seele verkauft.

Aber dann ging’s doch anders aus. Der gute Mensch bleibt einsam zurück. Eine schöne Frau singt, begleitet von Konstantin Wecker, englische Lieder mit Wiener Akzent. Das Lachen verklingt in Melancholie. Im Auge schimmert die Träne. Verbrechen lohnt sich nicht, Verbrechen aufdecken lohnt sich noch weniger, und mit der Liebe ist’s ein Kreuz. Was lohnt sich schon? Unterhaltung mit Niveau?

Jürgen Walla


Kommune. Forum für Politik, Ökonomie, Kultur 12 vom Dezember 1986, 85.

Überraschung

Jahr: 1986
Bereich: Kunst/Kultur