Materialien 1987

„Weltfirma“ gegen Partei „Die Grünen“: Demokratie nach Siemens-Art

Merkwürdiges Demokratieverständnis bei der „Weltfirma“ Siemens: Die Partei „Die Grünen“ wird in einem internen Papier ausdrücklich von der großzügigen Unterstützung und Freistellung für „hauseigene“ Parlamentarier ausgenommen.

In einem Handbuch für Führungskader des Elektronikkonzerns, das METALL vorliegt, werden Parteimitglieder der Grünen ausdrücklich von Sonderleistungen des Unternehmens für Mandatsträger und -trägerinnen ausgenommen.

Und politisch aktive „Siemensianer“ – im März 1987 waren knapp 300 Mandatsträger, darunter ein Bundestagsabgeordneter und sieben Bürgermeister, beim Unternehmen angestellt – genießen einige Privilegien: Bundestagskandidaten werden bis zu zwei Monaten ohne Einkommensverlust von der Arbeit freigestellt, Landtagskandidaten vier Wochen. Mandats- beziehungsweise Amtsträger sind zur Ausübung ihrer Funktion ebenfalls freigestellt, ohne Verluste bei den Finanzen oder im künftigen beruflichen Weiterkommen …

Aufgedeckt hat Hartmut Bäumer, grüner Abgeordneter im Bayerischen Landtag, die Diskriminierung seiner Partei. Unter Verweis auf Grund- sowie Betriebsverfassungsgesetz hat er den Konzern jetzt schriftlich aufgefordert, die rechtswidrige Diskriminierungspraxis umgehend zu beenden.

Bäumer: „Mit der Ausgrenzung bestimmter Parteien maßt sich die Firma Siemens ein Recht an, das nach unserer Verfassung allenfalls dem Bundesverfassungsgericht zustünde, nämlich die Frage der Verfassungswidrigkeit einer Partei festzustellen.“

„Unsere Fachleute prüfen das jetzt“, meinte dazu Siemens-Pressesprecher Peter Ruppenthal gegenüber METALL. Die entsprechende Passage sei in der Tat seit 1987 in den Richtlinien für Mandatsträger aus dem Siemens-Bereich enthalten.

-gr


Metall. Zeitung der Industriegewerkschaft Metall 6 vom 18. März 1988, 19.

Überraschung

Jahr: 1987
Bereich: Die Grünen